Donnerstag, 23. August 2012

Die schnelle Nummer mit dem Doc!

Letztens war ich in meiner Arztpraxis. Ich brauchte nur ein Rezept, mein anderer Doc urlaubte und ich hatte auch nicht vor, lange zu verweilen, als draußen in der Wartezone eine Patientin, die gerade aus dem Sprechzimmer kam, fürchterlich schimpfte.

Ganze zwei Minuten hätte er ihr gegönnt, dabei wäre ihr Thema gar nicht so einfach und sie sei noch nicht geübt und es ist gemein, dass der Doc quasi mit der Stopuhr in der Hand den Rauswurf übt ....

Ein Vorgang, der mir auch schon passierte. Die schnelle Nummer mit dem Arzt halt .. Die lief so:

"Hallo Frau Bauer, haben Sie beim Toilettengang Schwierigkeiten?"

"Wie bitte?"

"Können Sie noch einhalten?"

Ich sitze da und nicke. Etwas erstaunt, ich hatte damals erwartet, dass der Doc mich fragt, wie es mir geht und wo ich seine Unterstützung bräuchte. Über meine geschäftlichen Gewohnheiten wollte ich nicht diskutieren.

Ein zarter Versuch "Ich bin immer so müde!"

"Oh das ist Fatigue (weiß ich du Trottel, ich brauch ne Lösung) und die können sie mit Sport in den Griff bekommen (mach ich schon, steht in der Akte!) für Medikamentenunterstützung ist es zuwenig (Ach so, woher weißt du das jetzt?)

"Moment, ich finde, wir sollten da mal näher drüber reden!"

"Ja, wenn es nicht besser wird, brauchen sie noch etwas?"

Ja, einen Arzt, der zuhört, sich ein wenig mehr Zeit nimmt und nicht Patienten im Akkord bearbeitet.

Ich habe einen neuen Doc gesucht und gefunden, kann aber die Situation der Frau schon verstehen. Es ist lästig, man rafft sich auf, bräuchte ein wenig Unterstützung, einen Lösungsvorschlag und muss dann über seine Geschäfte sprechen und sonst kommt man nicht zu Wort. Es ist die schnelle Nummer mit dem Doc, die ich nervig finde. Wenn ich zu ihm reingehe, mich besprechen will, erwarte ich einen angemessenen Zeitraum, die Konzentration auf mich und einen vernünftigen Gesprächsrahmen.

Ich will ja gar nicht übernachten, eine Tasse Kaffee mit ihm trinken oder ein Glas Sekt kippen. Aber 5 lausige Minuten müssen drin sein. Oder?

Anderer Fall, selbes Spiel, vertrackte Situation: Neudiagnose MS. Du weißt gar nichts und hast 2 Minuten. Wer kann MS in 2 Minuten erklären? Ich nicht wirklich.Verstehen kann mans auch nicht in der kurzen Zeit und als mir der "Anfänger" erzählte, was da gelaufen war, war ich erschrocken. Kann man einen Patienten mit so einer Diagnose in zwei Minuten abfertigen? Eigentlich nicht.

Ich erinnere mich noch gut an mein  1. Mal mit MS. ;-) Damals hatte der Doc nach Diagnosestellung wenigstens 10 Minuten für mich, um mich zunächst zu beruhigen und ein wenig zu informieren und am nächsten Tag kam er nochmal und hatte eine halbe Stunde Zeit, bevor er mich nach Hause entließ.

Wahrlich auch viel zu wenig, aber wenigstens etwas. Ich frage mich immer, wie ein Arzt wirklich beurteilen kann, wie es mir geht, wenn er sich nicht mit mir befasst. Ich bin doch keine Ware, die auf dem Laufband über den Kassenscanner läuft und nach dem Piepen, wenn der Preis quasi eingescannt ist, einfach abtransportiert wird. Ich komme, fahre drüber, auf meinem Arm ist der Scancode, die Krankenkasse gibt das Geld frei und ich bin uninteressant oder was? Gehts noch?

Ärzte haben sicherlich auch ihre Probleme. Aber ich sehe den Arzt als Dienstleister. Er ist dafür da, um mir die Informationen und Daten zu liefern, die ich benötige, um vernünftig leben zu können. Er hat als gebuchte Fachkraft sicherzustellen, dass ich ausreichend Pflege und Medikamente erhalte, wenn es nötig ist und hat als Analyst auch dafür zu sorgen, dass meine Daten auf einem guten Stand sind und nicht vermutungsweise zu palavern, dass wasauchimmer ohne Medis oder so (ja auch ohne nähere Begutachtung) im Griff zu halten wären. Ich bringe dem netten Onkel im weißen Mantel auch noch das Verständnis entgegen, dass er im Stress ist. Dass er effinzient und wirtschaftlich zu arbeiten hat ist auch ein Argument, aber Patienten wie Ware abzufertigen ist definitiv keines.

Klar ist auch, dass wohl nicht jeder Arzt so handelt, ich kenne auch Praxen, in denen Patienten nicht nur eine  schnell abzufertigende Nummer sind, sondern Menschen, für die man ein Mindestmaß an Zeit hat und denen man zuhört.

Und das würde ich mir von allen Ärzten wünschen. Etwas, das wohl nicht zu viel verlangt wäre. Oder?

Mal so als "Kundin" formuliert und nicht als Bittstellerin. Denn Bittsteller sind wir alle nicht. Wir sind Menschen, die eine Leistung buchen und für ihren Einsatz eine ordentliche Dienstleistung erwarten. Und ja, ich weiß, dass Ärzte das nicht gerne hören, das mit dem Dienstleister, da habe ich mir im Frühjahr in London einige Dinge angehört, die mich aber nicht davon abbringen, meine Haltung weiter zu vertreten. Und nicht immer ist das Gesundheitssystem schuld. Klar ist das derzeit nicht das Beste und oft schwierig zu verstehen, aber ein Universalargument ist das auch nicht.

Einem Handwerker kauft man doch auch nichts ab, wenn man ihn zu sich ruft, um ein Gerät zu reparieren, das er nur schief ansieht, einschaltet, ausstellt, rumruckelt und nach zwei Minuten für die Diagnose "Das ist kaputt" gegen Rechnung wieder verschwindet und einen ratlos hinterlässt, mit einem kaputten Gerät und keiner Lösung.

Oder?

Birgit

6 Kommentare:

  1. Sie schreiben: Letztens war ich in meiner Arztpraxis ... also ist diese Geschichte bei Ihrem Arzt passiert. Und da frage ich mich: Warum bleiben Sie denn bei einem solchen Arzt, der keine Zeit für seine Patienten hat?

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  2. Ah, schön, dass Sie wieder da sind und immer aufmerksam und wohlmeinend hinweisend. :-) Wenn ich nur ein Rezept benötige und mein eigentlicher Arzt nicht da ist, gehts halt nicht anders. Sorry, das vergaß ich, weil ich eher auf den Kern der Sache fokussiert war, der ja die Zeit war und nicht der Grund meiner Anwesenheit. Aber danke für den Hinweis, ich werde das ergänzen. Wer mich kennt, der weiß, dass ich in solchen Dingen konsequent im "Entlassen" bin.

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  3. @Claudia,

    fragen Sie sich oder Frau Bauer, ist stilistisch nicht ganz klar. Aber wenn Sie sich fragen, würden Sie sich ja in der zweiten Person Singular anreden. Siezen Sie sich oder sprechen Sie Frau Bauer an?

    Lach
    Karin

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  4. Sehr geehrte Frau Claudia, dies ist kein Forum zum Abschießen persönlicher "Giftpfeile", sondern für die inhaltliche Diskussion der von der Blog-Autorin aufgeworfenen Fragen oder Probleme.
    Zum Inhalt: Der Zeitmangel gerade bei Fachärzten ist ein echtes Problem. Vor kurzem war ich mit meiner älteren Schwester (Spastikerin) bei einem (für uns) neuen Neurologen. Da meine Schwester durch die Spastik auch sprechbehindert ist, hatte sie dem Doc an ihrem Computer eine Seite aufgeschrieben mit ihren Krankheitsbeschwerden und Fragen. Nach ca. 2 Stunden Wartezeit (trotz Termins) kamen wir zu dem Doc rein, und er hatte nichts gelesen, war auch nicht bereit, das während unserer Anwesenheit zu tun ("heute dafür keine Zeit -- Sie haben ja das Wartezimmer gesehen... werde es später tun"). Nach ca. 5 Minuten waren wir mit einem Rezept wieder draußen. Wir waren stocksauer und schimpften vor uns hin wie die Rohrspatzen. Aber er hat meiner Schwester ein Medikament verschrieben, auf das noch keiner ihrer bisherigen Neuros gekommen war (und wir waren bestimmt schon bei einem halben Dutzend) und das, toi, toi, toi, zu wirken scheint.
    Also was tun? In Kleinstädten oder auf dem Land gibt es oft nur 1-2 Neurologen, da ist die Auswahl also nicht groß. In mittelgroßen Städten sind es vielleicht 6-10, die sind auch "schnell durch", gerade wenn es sich um langjährige Beschwerden handelt.
    Wir werden wieder zu dem Neuro hingehen, ihm von der positiven Wirkung des Medikaments berichten und ihn freundlich, aber bestimmt fragen, ob er denn nun diese eine Seite seiner Patientin gelesen habe...

    Freundliche Grüße,
    Jutta.

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  5. Hallo Frau Bauer!
    Ich bin während meines letzten MS-Schubs auf ihren Blog aufmerksam geworden und schätze ihre positive Art mit der MS zu leben. Gerne würde ich mir eine Scheibe von ihrer fröhlichen Art abschneiden! Nach langem Hin und Her und einer abgebrochenen Therapie, habe ich mir in der Zeit meines letzten Schubes nun auch eine neue Neurologiepraxis gesucht und bin bisher sehr zufrieden, denn es handelt sich um eine MS-Schwerpunktpraxis und es gibt daher eine Schwerpunktsprechstunde und die Ärztin hat eine HALBE Stunde Zeit für mich und meine Probleme! Das hat mich auch echt umgehauen, saß ich doch mit meinem Fragezettel (aus Erfahrung schon vorbereitet, denn sonst musste ich mich immer beeilen, allen Frage schnellstmöglich loszuwerden) da und hatte noch Zeit und keine Fragen mehr :).
    Nun lebe ich aber auch in der Hauptstadt und habe vielmehr Auswahl, aber nichtsdestotrotz sind die Fachärzte genauso überlastet und haben keine Zeit.

    Ich wollte nur sagen, danke für ihren Blog und manchmal kann doch noch Glück haben, mit Fachärzten.

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  6. Hallo Steffi, vielen Dank für das Kompliment! :-)) Alles Gute für Sie!

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