Montag, 16. April 2012

Begegnungen ...

Neulich begegnete ich einem Bekannten. Er hat einige Jahre vor mir seine Diagnose bekommen, ist aber ein wirklicher Powermensch.

Er stand da und wiegte einen großen Brotlaib wie ein Baby in den Armen, während wir unseren Spaß hatten. Sein Gleichgewicht ist schon so kaputt, dass er sich immer an etwas festhalten muss. Grund genug, uns zu setzen. Wir fachsimpelten über Trullas und Spezln und stellten fest, dass es manchmal schon komisch ist. Das Leben mit MS. Uns geht es gut. Eigentlich. Bis auf das eine oder andere Zipperlein und den einen oder anderen Schaden, der uns so erwischt hat. Mein Gleichgewicht scheint noch stabiler zu sein als seines, im Gehen sind wir gleich befähigt und was die Fatigue betrifft, die haben wir beide derzeit im Griff. Außerdem habe ich einen Trick gefunden, wie ich die Müdigkeit gut überwinden kann. Ich suche mir spannende Themen und gehe an die frische Luft, sobald sich ein müder Schauer ankündigt und fröne meiner Espressoleidenschaft. Dazu ein wenig mehr Bewegung und es geht was.

Zurück zu meiner Begegnung: Er erzählte, dass er letztens allerdings im letzten Schub das erste Mal nicht mehr wirklich laufen konnte. Das macht ihm Angst. Mir auch. Wir fragten uns in unseren üblichen fünf trüben Momenten, wie es weitergeht. Wissen kann man es ja nicht wirklich. Vorhersehen kann man MS nicht und doch, nachdem wir uns ein wenig in Selbstmitleid gewälzt hatten, kamen wir zum Punkt: Wie gehts uns denn sonst so?

Den Punkt mögen wir gerne. Wir lachen uns immer schief und berichten von Plänen und der Entwicklung im Job. Er stellt Mitarbeiter ein, ich reise beruflich nach London und finde neue, spannende Themen und Redaktionen.

Wir haben nach der Diagnose noch einmal neu begonnen. Uns selbstständig gemacht, neue Karrierewege gesucht, die uns die Krankheit eine lange Zeit ermöglichen wird. Oder die wir verändern können, um sie unseren Situationen anpassen zu können. Ein wichtiger Schritt war für uns, dass wir diesen Schritt in die Selbstständigkeit gehen konnten. Da stimmen wir überein. Auch, dass wir es ohne unsere Partner nicht geschafft hätten. Seine Frau und mein Süßer sind großartige Unterstützer.

Seine Firma und meine kleine Manufaktur könnten unterschiedlicher nicht sein, aber sie haben uns ankommen lassen und das war ein Punkt, den wir ganz wichtig fanden und finden. Ankommen können. Mit MS. Trotzdem leben und nicht einfach ins weiche Kissen des Elends heulen, sondern nochmal was packen. Weil wir unser Leben zu schön finden, als es nur abzusitzen.

"Weißt, das ist genau der Punkt, wir leben und das Leben ist schön!", sagte mein Gesprächspartner und wiegte seinen Brotlaib noch ein wenig, während ich grinsend zustimmte. Ich glaube, der Grund, wieso ich so herrlich optimistisch bin ist einfach der, dass ich das mache, was ich wirklich gut kann und wirklich von ganzem Herzen tun will. Das gibt mir Kraft und lässt mich mit MS auch noch gut leben. Es ist der Erfolg, die Erfüllung, wenn ein Text gut formuliert an eine Redaktion geht, die Genugtuung über eine fertige Geschichte, die mir gut tun, mich antreiben und mich mit Energie versorgen.

Herzblatt sagte einmal, dass ich, wenn man mir meine Arbeit nehmen würde, sehr schnell sehr viel kränker wäre. Er hat Recht.

Als wir, der Brotlaib, mein Freund und ich, auseinandergingen, lachten wir und waren zufrieden. Es ist gut so, wie es jetzt ist. Was kommt, weiß keiner, aber wenn es da ist, werden wir es zu nehmen wissen. Und wenn wir uns das nächste Mal über den Weg laufen, werden wir wieder eine Menge lachen, ein wenig im Selbstmitleid baden und uns erzählen, welchen Plänen wir nachhängen.

Begegnungen, die ich besonders gerne mag. Sie zeigen, dass MS nicht Aufgeben heißt, sondern Leben. Auch wenn es manchmal nicht einfach ist und so mancher Stein im Weg liegt. Aber dafür sucht man sich ein Unterstützerteam und die helfen einem dann drüber. Und wenn sie einen darübertragen. Das haben sie bei mir auch schon.

Nachdenklich, beseelt und zufrieden

Birgit

2 Kommentare:

  1. Danke Birgit fürs Mutmachen. Und Drübertragen.

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  2. Stage Christian14. Mai 2012 um 16:40

    Habe seit 20 Jahren MS. Weiss was man gegen die Müdigkeit nehmen kann! Mein Gleichgewicht habe ich wieder zurück und zwar so, dass ich wieder auf den Traunstein gehen kann!!! bei Interesse bitte melden!

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