Donnerstag, 21. Februar 2013

Die, die mit leiden ...

Nein, ich fange nicht von diesen typischen Mitleidern an. Die haben wir hinter uns oder? :-))

Mir geht es heute um die Angehörigen. Diejenigen, die nach einem selbst von einer Erkrankung betroffen sind. Partner, Freunde, Familie. Sie alle bekommen indirekt eine Diagnose und machen eins, das wir alle kennen und manchmal ärgerlich darüber sind und manchmal wirklich froh, dass es so ist: sich sorgen .... Und nicht nur das, sie müssen genauso mit einer Erkrankung leben wie der Patient. Von ihnen wird eine Menge Umsicht, Rücksicht und Vorsicht verlangt. Eine Geduldssache ist es oft, oft auch schwierig im Leben zu integrieren und doch unabdingbar.

Der Unterschied ist, dass der Patient die Lage anders einschätzen und damit anders umgehen kann, während der Partner (Ich bleibe mal bei diesem Fall) quasi draußen vor der Türe steht und nicht rein kann. Ihm ist der direkte Kontakt quasi untersagt. Er lebt von den Infos, die er sich selbst zusammenträgt und dem, was er direkt erfährt, wobei das auch keine einfache Sache ist, wenn man als Patient mit sich selbst zu tun hat. Aber man lebt mit der Erkrankung und hat es oft einfacher, eine Einschätzung zu treffen.

Also lebt nicht nur einer mit einer Erkrankung. Die anderen tun das schon auch.

Herzblatt hat also indirekt MS. Er muss oft auf mich Rücksicht nehmen, wenn ich mal nicht so positiv unterwegs bin und wenn ich meine Zeit für mich brauche oder gewisse Sachen einfach nicht mehr mache, weil sie keinen sehr guten Einfluss auf meine Erkrankung nehmen würden.

Ihm ist das egal, der Mann liebt mich sehr und sein Herzenswunsch ist es, dass es mir gut geht, dass ich mich wohlfühle und Spaß habe. Etwas, das nicht immer selbstverständlich ist, das weiß ich und ich bin dankbar dafür. (Erinnern wir uns kurz? Da war der Fall, in dem ein Mann seine Frau wegen MS verlassen hat ... weil es ihm zuviel wurde.)

Aber dieser Rückhalt, den einem ein Partner oder eine Partnerin bieten kann, den darf man nicht ausreizen bis es nicht mehr geht. Ich kenne einige Patienten, die ihr Ding durchziehen ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wie es dem Partner oder der eigenen Familie geht.  Sie schlagen um sich, gehen ihren Weg, ohne Rücksicht auf Verluste. Ihnen ging irgendwie wohl das Gefühl verloren, was Grenzen betrifft. Die Grenzen eben desjenigen, der direkt mit dem Patienten lebt. Der ist auch nur ein Mensch.

Solche Patienten scheinen oft getrieben von der Panik, was alles passieren könnte und was man dann verpaßt. Panik, die ich schon auch mal habe und dieses Gefühl ist nicht angenehm. Nicht zu wissen, was morgen ist, ist ein Spiel mit hohem Risikofaktor. Man möchte viel tun und weiß nicht, wie lange es noch geht. Es kann viel passieren, muss aber nicht. Wissen kann man es aber auch nicht. Genauso wenig wie vorhersagen.

Sie reizen ihre Kräfte aus, gehen ans Limit und der Rest muss zusehen. Ungefragt und ohne ein offenes Ohr für Einwände zu finden. Auf Dauer ist das auch nicht wirklich gesund. Wenn man dann am Ende doch im Krankenhausbett liegt, die Ärzte im Rudel vor einem stehen und überlegen, ob es noch Lösungen gibt, und hadert, weil man unüberlegt handelte, ein hohes Risiko ohne einen Blick auf die Menschen um einen herum zu werfen und das Limit ganz schön weh tut, ist es zu spät. Auch für alle. Leider.

Etwas, das mich heute beschäftigt. Wo ist das Limit?

Wie weit können wir als Patienten, die die Rücksicht derer beanspruchen, die im indirekten Zusammenhang die Diagnose mittragen, gehen?  Manch einer scheints vergessen zu haben, das Teil, das man Umsicht nennt. Es ist ein wenig wie Autofahren, da sind die meisten auch umsichtig,  und passen auf. Achten auf Zeichen. Ich glaube, unsere Aufgabe als Patient ist nicht nur, mit Ärzten zu diskutieren, uns zu informieren und engagieren, es ist auch unsere Aufgabe auch darauf zu achten, dass wir unsere Limits nicht überziehen, ein wenig aufpassen und die Rücksicht, die wir bekommen, auch zurückgeben. Wie in einer Partnerschaft eben, in der nicht nur eine Seite ständig liefert, sondern auch die andere.

Jagd man den Partner oder Freunde von einer Sorgenflut in die nächste, weil man selbst nur Rücksicht verlangt, aber sie nicht für andere aufbringt, läuft man Gefahr allein zu bleiben. Weil der andere vielleicht nicht mehr kann. Oder weil es ihm gleichgültig ist, er abgestumpft ist, sein Innenleben verschlossen hat, um selbst nicht zusammen zu klappen. Was wäre dann?

Ich glaube, es ist wichtig, sich auch mal solche Gedanken zu machen. Es ist zwischenmenschliches Denken, das so manchem wohl manchmal etwas fehlt. Dabei brauchen wir es alle. Damit wir in Krisenzeiten Schultern haben, an die wir uns anlehnen können.Genauso wie Patienten immer noch gute Schultern zum Anlehnen sein können. Und sollten. Von Zeit zu Zeit.

Nachdenklich

Birgit

 

3 Kommentare:

  1. Komisch, normalerweise hat man das doch im Gefühl, wie weit man gehen kann, ohne andere zu sehr zu belasten und wann man mal einen Gang zurückschalten sollte im Umgang mit den Freunden/Partnern.

    Seltsam zu lesen, dass man extra darüber nachdenken muss -- hier scheint irgendwie das zwischenmenschliche Gefühl auf der Strecke geblieben zu sein.

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  2. Ich glaube nicht, dass man die Belastung des Partners durch den eigenen Gesundheitsstatus so einfach "im Gefühl" hat.
    Wer das von sich erwartet, überfordert sich selbst - und den Partner.
    Birgits Überlegungen haben mir einige Denkanstöße gegeben.

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  3. @Claudia,

    ich vermute, Sie sind Single?

    Ich halte es auch in vielen anderen Situationen für sinnvoll sich darüber Gedanken zu machen, wie ich mit meinem Partner umgehe und wo wir stehen. Außer ich rede immer vom anonymen und unverbindlichen "man" ;-)

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