Mittwoch, 20. März 2013

Panik ...

Wer  mich kennt, der weiß, dass ich hoffnungslos optimistisch bin und mich nicht so leicht von der MS aus den Pumps werfen lasse. Ich habe schon lange gelernt, mit MS zu leben und mich nicht von ihr leben zu lassen und mir ist auch bewusst, dass mir durchaus von heute auf morgen ein Schub passieren kann, der mich in den Rolli befördert oder andere, eher unangenehme Dinge mit meinem Körper anstellt.

Normalerweise kann ich auch mit der Tatsache gut leben, dass es Fälle gibt, die weniger Glück hatten und durch die Krankheit erhebliche Verluste in Sachen Lebensführung und Lebensqualität hinnehmen mussten, ohne jemals ein Veto dafür einlegen zu können .... Vor kurzem hat es mich aber erwischt: Die nackerte Panik kam hoch. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie es ist, in ein schwarzes Loch zu fallen, an dessen Ende eine Leinwand ist, die nur noch gruselige Horrorszenarien mit dem Vorsatz "Das könnte passieren" zeigt?

Ich schreibe erst heute darüber, weil ich das erst für mich verarbeiten musste, es war zu heftig und für mich, die sonst so Stabile zu erschreckend, um sofort offen darüber zu bloggen und euch von diesem Ereignis zu erzählen.

Also, Loch, Leinwand, Grusel. Ausgelöst wurde es durch ein Gespräch, das gut begann. Aber bitter endete. In dem Gespräch ging es um MS und eine Patientin, die durch MS ein Pflegefall wurde. Sie hat ihren Mut nicht verloren, macht das Beste aus ihrer Lage und lässt sich nicht unterkriegen. Beispielhaft und bewundernswert, aber in dem Moment, in dem ich von dieser Patientin hörte, geriet ich in Panik.

Ich saß auf dem Sofa und malte mir aus, was mit mir passieren könnte. Heulte, schimpfte, jammerte. Sah mich im Pflegebett, an Geräte angeschlossen, nicht mehr fähig, mich zu äußern, abhängig von der Hilfe anderer, von Maschinen. Ich fühlte mich ausgeliefert und fiel. Danach packte mich die Panik. Ich wandelte zwei Wochen in dem Glauben durch die Welt, jetzt alles das erledigen zu müssen, jetzt genügend Geld reinholen zu müssen, um noch vor dem Zeitpunkt, in dem die MS mich grausamst heimsuchen wird, alles das geschafft zu haben, was ich schaffen wollte, durfte, musste.

In dieser Zeit verlor ich mich selbst und mir ging es nicht wirklich gut. Genauer gesagt: beschissen. Nur Herzblatt wusste von dieser Panik, die mich in ihren grauen Pratzen hatte und stand daneben und fühlte sich wohl so machtlos wie ich. Nach außen zeigte ich das erst einmal nicht, ich zog mich so weit es ging zurück und dachte nach, was da gerade passierte. Mit mir und meinem Leben.

Was gerade passierte war eben jene Panik, die mir Horrorszenarien vorgaukelte und das ziemlich lebensnah. Real betrachtet  passierte gar nichts, außer, dass ich mich schlaflos im Bett wälzte, in Selbstmitleid badete, das Ende auf der Leinwand sah und mir Gedanken um etwas machte, was derzeit so nicht ansteht, denn Fräulein Trulla hält sich echt zurück. An dieser Stelle muss ich sie auch einmal loben, sie benimmt sich fast gut.

Irgendwann allerdings sagte mein Physiotherapeut zu mir, ich solle es nehmen wie ein Mann. Was jetzt, anatomisch betrachtet, eher nicht möglich ist, :-) aber er brachte mich damit zum Lachen und brach den Panikbann. Ein anderer  Spruch, den mir das Herzblatt drückte war: Schau, was du alles hast und nicht auf das, was nicht da ist oder was du nicht hast.

Langsam konnte ich meinen Blick zurück in die Realität führen, lebe jetzt wieder dort, wo ich immer war. Als MS Patientin mit einer Zukunft, die ungewiss ist. So wie die Zukunft aller ungewiss ist. Ich lebe Tag für Tag, freue mich wieder an meinem Leben und dem, was es so mit sich bringt.  Die Panik habe ich zurückgelassen und bin wieder da, wo ich immer war. Vergnügt und ausgeglichen.

Es geht mir wieder richtig gut und ich fühle mich wieder wohl!

Aber im Nachgang ist es spannend zu sehen, was zwei eigentlich superkleine Auslöser in einem so bewirken können ... Eine Träne, die für die steht, die wirklich hart im Nehmen sein müssen und ein Lachen, das für die steht, die dir einen blöden Spruch drücken und dich quasi befreien ....

Herzliche Grüße

Birgit

7 Kommentare:

  1. liebe birgit,

    du beschreibst genau und auch wirklich mit den richtigen worten das, was wir MSies bestimmt alle von zeit zur zeit haben. sicher nicht nur wir ...

    auch wenn man stark ist sein leben meistert - dennoch kommen solche attacken ... gegen die kann man sich sicher genauso wenig wehren, wie gegen einen schub, der dann kommt wenn er meint kommen zu müssen. überfällt einen einfach ... davor ist man nicht gefeit - genauso wenig wie gegen den blöden spruch, der genau diesen nerv trifft und einen zum lachen bringt bis der arzt kommt ;-)

    die panik hatte ich auch schon und habe mich von ihr fast handlungsunfähig machen lassen - angst hab ich eigentlich fast immer (ein bischen). versuche, sie zu überwinden oder nicht dran zu denken - aber sie ist wie ein brandzeichen, das mir die beiden blöden buchstaben ins gehirn gebrannt hat.

    von zeit zur zeit wirds schlimmer - aber mittlerweile nach einer "eingewöhnungsphase" von fast 3 jahren nach diagnosestellung, werden die zeiten zwischen den zeiten, in denen die angst nach oben kommt, länger und auch die zeiten, in denen ich froh bin, dass es mir ja eigentlich saugut geht und ich ein mordsmässiges glück habe, schon seit mindestens 3 jahren keinen schub gehabt zu haben, nehmen viel platz von den downtimes ein.

    lachen und freude ist der beste weg - die heiterkeit fehlt dem winter irgendwie - wahrscheinlich lässt er sich auch deshalb so schwer ertragen.

    heute ist frühlingsanfang :-))

    ich wünsche einen schönen frühling und ein fröhliches osterfest!

    viele liebe grüße

    steffi

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  2. Ich glaube, es geht darum, das Leben und alles, was es einem beschert, anzunehmen. Der Kampf gegen Krankheiten o.Ä. bringt nichts. Es gehört sicherlich zu den schwierigsten Dingen im Leben, sein Schicksal so, wie es ist, anzunehmen, aber

    Es hilft ja nichts.

    Wenn das Schicksal es vorhat, einen z.B. im Rollstuhl sitzen zu lassen, sollte man nicht dagegen arbeiten, sondern akzeptieren, dass es so ist. Immerhin kann man mit dieser Behinderung noch als Bundesminister arbeiten. Das sei hier auch einmal gesagt.

    Es ist eine Einstellungssache, wie man seine Zukunft sieht. Ich bevorzuge die Einstellung, dass alles, was mir widerfährt, für mich gut und richtig ist, auch wenn ich den Sinn im Augenblick nicht erkennen kann. Und wenn man einigermaßen im Einklang mit dem, was man Universum nennt, lebt, entwickelt man einen inneren Frieden und kann alles annehmen, was kommt, auch Unangenehmes.

    MS ist ja eine Krankheit mit entzündlichen Herden, soweit ich weiß. Hier könnte man ansetzen und einmal schauen, inwieweit man die Krankheit als Wegweiser nutzen kann, denn eine Krankheit sagt ja immer viel aus über denjenigen, der sie hat. Im Sinne "Krankheit als Weg". Vielleicht kann man eine innerliche Wandlung vornehmen, die sich dann auch äußerlich zeigt.

    Einfach einmal nachschauen, woran es liegen könnte, dass man gerade jetzt gerade diese Krankheit hat.

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  3. Was immer hilft, ist den eigenen Namen im Mondschein zu tanzen, n'est-ce pas Claudia? Aber ausschließlich ist darauf zu achten, dass dies bei Vollmond passiert und auch nur wenn der sinkende Ascendent im taumelnden Pluto seine Stärke findet und Merkur nicht behindert wird durch sinkende Stärke, nackt muss der Tanzende auch sein, eine Orchidee im Haar steigert die positiven Effekte! Eine Portion Fatalismus, um nicht agieren zu müssen gehört einfach auch dazu.

    *Ironie off*

    Ich stelle mir gerade vor, ich komme wegen einer Krankheit zum Arzt, der mir freudestrahlend verkündet, "der Kampf gegen Krankheiten o.Ä. bringt nichts. ... Es hilft ja nichts." (Copyright Claudia). Mei, was ist denn überhaupt mit unserer Sozialversicherung los, die armen Menschen müssen doch bloß ihr Schicksal annehmen *SCNR*.

    Keine Ahnung was Ihnen in ihrem Leben widerfahren ist, dass Sie so geworden sind, ich wünsche Ihnen, dass Ihnen eines Tages ein Mensch begegnet, der Ihnen zeigt, dass kämpfen sich im Leben lohnt. Und zum Leben gehört nun mal auch Regen und Sonnenschein, Tränen und Freude, Verzweiflung und Hoffnung, Liebe und Vertrauen genauso wie Schmerz und Wut!

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  4. Also, ich finde ja, wir sollten uns das wirklich liebevoll geschilderte Beispiel des Annehmens, das hier so fürsorglich, mitfühlend und ermutigend geschildert und mit lebenden und trostreichen Beispielen, die war zwar alle ewig kennen, untermauert wurde, wirklich zu Herzen nehmen.

    Es macht doch das Leben und Umstände, die beispielsweise entstehen, wenn einem von heute auf morgen Körperfunktionen versagt bleiben, so viel einfacher. Und als Motivation wissen wir, dass es ja eh nix hilft.

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  5. Ich werde heute um Mitternacht einen Baum umarmen und mit den Engeln kommunizieren. Danach werde ich einen dargebotenen Rotwein als Wink des Universums ANNEHMEN. Mal schauen ob das zu einer inneren Wandlung führt, dann schreibe ich ein Buch, Rotwein als Weg, ich werde berichten ;-))

    In diesem Sinne, frohe Ostern und viele bunte Ostereier!

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  6. Liebe Birgit,

    genau diese Empfindungen hatte ich bei Diagnosestellung. Wie Du weisst, arbeite ich im Seniorenheim...

    Als ich meine Diagnose bekam, vor 10 Jahren, sah ich mich sofort in einem Pflegebett mit Dekubitus Grad 3. Der Horror.

    Diese alten Menschen mit MS vor 10 Jahren - was hatten die schon für Medikamente gegen die MS? Nichts, nicht wirklich....

    Dafür haben wir heute immer mehr Bewohner mit MS, letztens sogar einen jungen Mann in Kurzzeitpflege, der dann stationär eine Baclofenpumpe intrathekal bekam und dananch wieder nach Hause konnte. Gehfähig!

    Die MS hat ihren Schrecken verloren. Und ich vertraue voll und ganz auf neue Medikamente und die Forschung.

    Bleibt gesund, ein fröhliches Osterfest Eure Andrea

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  7. Sehr geehrte Frau Claudia,

    in Ihrer Zuschrift finde ich viel Lesens- und Bedenkenswertes. Einem Ihrer Sätze allerdings würde ich entschieden widersprechen: "Eine Krankheit sagt ja immer viel aus über denjenigen, der sie hat."
    Zugespitzt bedeutet das ja so etwas Ähnliches wie: selber schuld, wenn man krank wird...
    Und konsequent entlang Ihres Satzes weitergedacht, stellt sich dann doch die Frage: Wenn mich eine Krankheit oder Behinderung äußerlich "häßlich", "verkrüppelt" oder ganz allgemein "unansehnlich" gemacht hat, bin ich dann innerlich auch so?!

    Wir wissen ja inzwischen, daß der vielzitierte Satz aus der römischen Antike vom "gesunden Geist in einem gesunden Körper" ("Mens sana in corpore sano") vom römischen Satirendichter Juvenal i r o n i s c h gemeint war (siehe Wikipedia). Und wir alle wissen aus der leidvollen jüngsten Geschichte, wohin eine Verabsolutierung des angeblichen Prinzips vom "gesunden Geist im gesunden Körper" führen kann -- in letzter Konsequenz zu Euthanasie und der Vernichtung angeblich "lebensunwerten Lebens".

    Also: Wehret den Anfängen! Die Aussagen über Krankheiten sagen auch immer viel aus über diejenigen, die diese Aussagen machen...

    Freundliche Grüße,
    Jutta.

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