Dienstag, 21. Januar 2014

Ein Knuddel für Fräulein Trulla :-)

Liebes Fräulein Trulla,

heute vor neun Jahren haben die Ärzte mir erklärt, was da abgeht. Da in meinem Körper. Nach deinem Einzug zu dem mich keiner gefragt hatte, ob ich das gerne hätte. Du bist einfach gekommen. Hast den kleinen Pappkoffer abgestellt und dir eine Ecke gesucht und losgelegt ....
Du hast mich verwirrt. Ich war so ahnungslos, durcheinander und ich glaube, hätte ich gekonnt, wäre ich wohl im ersten Moment Amok gelaufen. Oder so.
Einfach ist echt anders.

Neun Jahre hab ich dich jetzt an der Backe. Und unser Anfang war echt schwierig. Es war irgendwie wie detektivische Kleinarbeit. Fitzelchen für Fitzelchen fand ich heraus, was das eigentlich war, die MS. Und wie ich damit umgehen würde können? Ich hatte damals echt keinen Plan.

Es gab viele, die mir lässig sagten, dass ich gut würde damit leben konnten und sich trotzdem von mir abwandten weil sie dich nicht ertragen konnten, andere wiederum kamen und waren einfach da. Sagt noch einer, eine Krankheit verändert nur zeitweise. Nein, sowas wie du, das verändert alles.

Aber wir haben uns irgendwie zusammen gerauft. Du zwickst manchmal, ich zwicke zurück und hab gelernt, deine Zeichen zu deuten. Soweit man das kann. Geht ja auch nicht immer. So nebenbei gesagt. ;-)

Heute ist alles anders. Was nicht heißt, dass mein Leben schlechter geworden ist. Das wird gerne angenommen, aber es ist nicht so. Wenn man das möchte, kann man das auch anders anpacken. Was ich getan habe, denn ich wollte nicht im MSschen Trullaelend verharren. Es war ein Neustart, der nicht einfach war, aber so rückwirkend betrachtet, war es eine gute Entscheidung.

Und ja klar, wir haben auch unsere düsteren Momente. Aber ich glaube, die sind so auch nicht die schlechtesten Augenblicke. Sie bremsen das Tempo, verordnen Ruhe und den Rückzug für einen Augenblick. Etwas, das nötig ist und das man lernen muss.

Neulich fragte mich jemand, ob ich es mies finde, dass ich dich an der Backe habe. Ehrlich gesagt, ich konnte nicht wirklich etwas dazu sagen, ich glaube, mir fehlt langsam die Erinnerung an das Leben ohne dich. Ich habe irgendwann schlicht damit angefangen mit dir zu leben, mich mit dir arrangiert, zusammen gerauft und die anfänglich sehr engen Grenzen Stück für Stück erweitert.
Klar könnte ich es mies finden, wer ist schon gerne chronisch mit etwas erkrankt, das bis heute nicht wirklich heilbar ist? Aber was bringts? Zumal ich noch immer nicht der Typ bin, alles immer mies zu finden. Dafür hab ich mein Überlebensgen mit diesem Optimismusfaktor für das ich sehr dankbar bin.

Also Fräulein Trulla, der Knuddel des Tages geht an dich. Aber nur ausnahmsweise, weil ich heute irgendwie ein bisschen rührselig bin, ein bisschen nah am Gefühl und mittendrin und ziemlich dankbar, dass es so ist, wie es ist. Abschütteln kann ich dich nicht, aber ich kann mit dir leben, dich manchmal total vergessen und manchmal mit einem Schmunzeln im Geiste mit dir blödeln, dich in meinem Kopfkino über die Leinwand laufen lassen, dass die orthopädisch korrekten Sohlen quietschen, gejagt von Herrn Muzz, griesgrämig mit dir hadern, wie neulich im Flugzeug nach Brüssel, als du mir nette Fatigueanfälle präsentiertest und für einen Moment die Kraft aus meinem rechten Arm gesogen hast, als ich den Koffer vom Gepäckband greifen wollte. Und ich kann mit dir leben. Und das ist das Wichtigste!

Birgit

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