Dienstag, 10. Juni 2014

Genuß

Vor einiger Zeit traf ich auf Menschen, Patienten, die ein wenig Probleme mit dem Thema Genuß hatten. Nun, vielleicht sind es Dauergriesgrame, die sowieso grundsätzlich und überhaupt nicht wirklich wissen, was Genuß überhaupt ist, aber, einigen davon war es suspekt, dass ich genieße. Oder wir. Patienten. Auch so. Ne?
Blicke ich auf das letzte Wochenende wars Genuß pur. Gegrilltes, Freibad, Eis, Sommerknutschen mit dem Herzblatt, Biergarten, nochmal Grillen und mehr. Dazu gabs noch ein gutes Buch, den Ventilator im Haus, Erdbeerkuchen und kleine Freuden wie kalte Duschen, den maunzelnden Kater, der sich eins abdöst und zufrieden ist, wenn er auf der Terrasse eine schattige Ecke findet, die ihm gut tut.

Rundum betrachtet, war es einfach gut. Ich habs genossen. Überhaupt, ich kann genießen. Das konnte ich schon als Kind. Still da zu sitzen, am Morgen, wenn es noch kühl ist und zu beobachten, wie die letzten Tautropfen im Sonnenlicht zerschmelzen ist für mich ein Hit. Zu sehen, dass meine Rosen auf dem Balkon blühen und duften, meine behüteten Tomatenpflanzen erste kleine grüne Kugeln bilden aus denen kleine leckere Cocktailtomaten werden, erfreut mich.



Als Kind genoss ich das saftige Grün der Wiese mit jeder Faser. Kraxelte auf Kirschbäume und naschte, kroch durch Erdbeerfelder und naschte dort. Ich war ein richtiges Landkind, eine Forscherin und hatte eine Menge Spaß. Das ist der Freund von Genuß.

Genuß ist grenzenlos und unabhängig von Zeit, Geld oder Raum. Oder auch einer Erkrankung. Ich finde, er
ist noch viel nötiger, wenn man mit einer chronischen Erkrankung lebt. Weils Freude bringt und gut tut. Der Seele, dem Geist, weil er anders beschäftigt wird und auch dem Körper. Weil er entspannt.

Oft haben wir auch verlernt, etwas wirklich mit Genuß wahrzunehmen. Kleine und große Momente des Genießens werden häufig übersehen, sie verfliegen zu oft in der Schnelligkeit der Zeit. Verweilen im Moment, der gut tut, ist oft nicht drin oder wird nicht gemacht. Etwas, das aber doch wichtig ist. Für uns. Und unser Innenleben.

Gerade am Anfang beschäftigt man sich viel mit der eigenen Erkrankung. Logisch. Aber passt man nicht auf sich auf, gerät man in diese Spirale, die einem nicht gut tut. Sie zieht einen runter, man kreist nur noch um ein Thema, die eigene Diagnose, in unserem Fall MS oder was auch immer.

Genuß, Spaß und einfach die Freude eines Momentes geraten total in den Hintergrund und sind es doch, die so wichtig sind. Sie verändern den Blickwinkel und die Laune. Auf ihre positive Weise erleichtern sie für einen Moment die neue Art des Lebens und die Veränderungen darin.

Weil man doch auch mit einer chronischen Erkrankung durchaus noch Momenten findet, die sich genießen lassen. Gut, ich bin jetzt hoffnungslose Optimistin und Genießerin. Ich bin Profi, wenn es um das Genießen geht. Um das Leben genau in diesem wunderbaren Moment, in dem man sich ruhig aufhalten darf. Einer, den man mitnimmt für die Tage, an denen es nicht so gut läuft.

Ich kann verstehen, wenn es nicht so einfach ist mit dem Genießen, gerade wenn man chronisch krank ist und nicht so recht weiß, was als nächster Punkt passiert oder ablaufen soll. Da fällt es einem im ersten Moment schon schwer, sich wieder dem Positiven hinzuwenden.


Auf der anderen Seite, was spricht dagegen, es schlicht als medizinische Maßnahme zu betrachten und sich schlicht regelmäßig eine kleine Streicheleinheit für die Seele zu gönnen? Sprich zu genießen? Nichts. Weil Genießen erlaubt und erwünscht ist.

Und wenn ihr es nicht selbst so gut könnt, dann sucht euch einen guten Freund, eine Freundin oder einfach jemanden im Eiscafè, neben den man sich setzen und mit ihm unbekannterweise gemeinsam dem Leben zuschauen und nebenbei einen kalten Eiskaffee oder einen Rieseneisbecher schlürfen und schlemmen kann.

Und wer Freund oder Freundin ist, oder Partner oder Partnerin oder Bruder und Schwester, hey, wenn jemand gerade ein wenig Hilfe oder Unterstützung bräuchte, schnappt ihn oder sie und gönnt der Person Genußmomente! Gemeinsam genießen macht nämlich noch mehr Spaß, motiviert und verschiebt den Blickwinkel. Klar ist, es sind Momente, aber auch die können helfen und richtig gut tun.

Was habt Ihr so in der letzten Zeit genossen?

Genußvolle Grüße
Birgit


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen