Sonntag, 22. März 2020

Ausgangsbeschränkt ....

Am Freitag kam das, was ich schon lange geahnt habe. In Bayern gibt es jetzt Ausgangsbeschränkungen. Und ich finde es sinnvoll.


Das hat einige hart getroffen, nehme ich an. Besonders die Jugendlichen, die am Donnerstag im Supermarkt noch billige Energydrinks und Wodka für ne Coronaparty kauften und der müffelnde Typ, der mir, nachdem ich ihn um Abstand gebeten hatte, (hätte ich alleine schon deshalb, weil der echt mal ne gründliche Dusche vertragen kann) ans Herz legte, Whisky Cola würden schon richten.

Und ich habe mir lange überlegt, ob ich meiner giftig, sarkastischen Art freien Lauf lassen soll hier, auch um mich bei denen zu bedanken, die das Hirn nur als Warmhaltemasse für den Kopf nutzen, anstatt dafür, um zu verstehen, was uns seit Wochen immer wieder gesagt wird: Es ist ernst und haltet Abstand.

Nun, der Abstand sorgt jetzt auch dafür, dass meine Physiotherapie ausfällt, was mir im wahrsten Sinne des Wortes wirklich weh tut. Ich komme gerade aus einem MS Hug (auf Deutsch Dysästhesie und hier gab es schon mal was von mir dazu! oder auch der Artikel von Multiple Sclerosis News Today) hier in Englisch. Der Hug war dieses Mal wirklich heftig und ich konnte über Tage nicht ohne Schmerzmittel und Wärmflasche leben, durchwachte die Nächte und hatte echt Schwierigkeiten. Daher wäre jetzt Physiotherapie eine wirkliche Hilfe. Eine Wohltat, um das, was sich an Muskeln im meinem Brustkorb verkrampft hat und noch verkrampft ist, aufzulösen und wieder in eine Art "Normalbetrieb" zu bringen.

Aber gut, der vergangene Freitag änderte nochmal alles. Und für mich, bis auf die vermisste Physiotherapie wenig.
Der bayerische Ministerpräsident hats gesagt, für die, die Abstand halten, wir sich nicht viel verändern. Für die, die bisher den Ernst der Lage nicht erkannt haben, viel.

Angesichts der Tatsache, dass ich auch ohne Corona ein bisschen aufpassen und viel hinter dem Rechner sitze, verändert sich wirklich nicht viel bei mir. Oft gehe ich nur zum Einkaufen und gehe wieder nach Hause. Ich habe Hobbies, wie das Stricken, ich lese viel und bebrüte neue Ideen. Oft arbeite ich hier am Blog oder an Artikeln und daher wird mir so schnell nicht langweilig. Und auch das Fräulein Trulla trägt seinen Beitrag zu #stayathome bei, wenn sie mir mal eben einige Symptome verpasst. Was jetzt übersichtlich ist, aber ab und an kannste nicht los. Isso.



Und doch. Am Freitag war mir alles für den Moment zuviel. Zu sehen, wie sich Menschen so borniert, dumm und unsolidarisch verhalten, auch Menschen, die mit Erkrankungen leben, hat mich echt fertig gemacht. Für einen Moment kam meine Welt zum Stillstand und ich heulte erst mal eine Runde. Was ja auch gut tut. Sogar das Fräulein Trulla wurde ruhig.
Ehrlich gesagt, ich schäme mich nicht, wenn ich heule, ich bin der Meinung, dass das, was raus muss, eben auch raus muss. Es erleichtert und meine Tränen waren weder Tränen des Selbstmitleids, der Trauer oder so, es waren Tränen der Wut. Ich kam in diesem einen Moment nicht damit klar, dass andere so dermaßen Probleme haben, den Ernst der Lage zu sehen.

Um es gleich zu sagen, ich bin nicht panisch oder habe Angst, aber ich nehme die Lage sehr ernst. Ich habe einen sehr gesunden Respekt vor dem Virus und dessen Auswirkungen und zu sehen, wie es auch mich und meine Stadt lauernd umkreist um dann auch zuzuschlagen, finde ich gruselig.
Auch wegen derm Herzblatt, der auch aufpassen muss und dennoch seiner Aufgabe als Feuerwehrmann bei der freiwilligen Feuerwehr nachkommt.
Weil ich die Bilder sehe, Berichte verfolge und bewerte und viele Fragen auch von Euch quer verteilt durch die sozialen Netzwerke bekomme.
Ich sehe, was los ist, viele ringen, genau wie ich um Fassung ob der Ignoranz und des unsolidarischen Verhaltens. Viele haben Angst.

Heute ist Sonntag. Ein anderer Sonntag. Kaum Autos und Menschen auf der Straße. Es ist still geworden. Wir wissen nicht, was nach Corona sein wird, wobei ich glaube, dass sich viele Dinge verändern werden.

Ich glaube auch, dass es jetzt wichtig ist, online in Kontakt zu bleiben, im Gespräch und im Austausch. Noch nie habe ich gesehen, wie schnell digitale Muffel zu Fans von Onlinemeetings wurden und jetzt die Möglichkeiten mehr als befürworten. Das hat mich amüsiert wenn ich ehrlich bin.

Schon jetzt wird sichtbar, was der Zukunftsforscher Matthias Horx in seinem Artikel über " Die Welt nach Corona" erklärt: Wir werden wieder reden. Höflich, wertschätzend und miteinander. Kommunikation wird sich verändern und ich bin neugierig wie.

Was ich hoffe ist, dass sich digitale Gesundheitslösungen endlich durchsetzen, schnell realisiert werden, um Menschen mit Erkrankungen in Zeiten wie Corona und anderen Krisen einen einfachen, ansteckungsfreien Zugang zu Behandlung und Arztgesprächen, wie Medikamenten zu ermöglichen. Dazu habe ich für das vfa Patientenportal einen Artikel verfasst: Corona als Beschleuniger für digitale Lösungen?


Aber jetzt ist erst mal Sonntag. Ich hänge Gedanken nach und die Sonne scheint. Nachher werde ich mir das Herzblatt schnappen und eine Runde Spaziergehen. Das dürfen wir noch. Raus an die frische Luft und sich bewegen. Um danach eine Runde zu stricken, bevor ich morgen wieder am Rechner sitze. Neue Projekte ersinne, Emails und Fragen beantworte und mein Leben irgendwie weitermache. Weil die Erde nicht stehenbleibt. Und meine Gedanken keine Ausgangsbeschränkung haben. Und das ist gut so.

Macht es gut! Falls Ihr Fragen habt, ich bin da und hoffe auch, dass Ihr da sein werdet.

Und bitte, passt auf Euch auf und bleibt Zuhause!

Birgit



Text: Birgit Bauer


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