Es war so: Ich gehe regelmäßig zur Krankengymnastik. Ich kenne meinen Krankengymnasten schon sehr lange und wir wurden mit der Zeit zum Team. Etwas, das ich sehr schätze, weil er sich so auch mit Fräulein Trulla mehr oder weniger anfreunden konnte und sich so auch auf meine Bedürfnisse einstellen kann. Das Gute ist, dass er durch viele Zusatzqualifikationen und viel Erfahrung wirklich weiß, was er macht und wie er mir helfen kann, wenns mal wieder Trullatrouble gibt.
Einer meiner Schwachpunkte ist immer wieder mein Rücken, was er aber, seit wir uns wöchentlich treffen, super hingekriegt hat. Als ich neulich von Trulla mal wieder sehr intensiv umarmt wurde und mich wie in einem Schraubstock eingezwängt fühlte, also einen MS Hug hatte, der mir schier den Atem raubte, musste ich das erst mal genauer erklären.
Ein MS Hug, so sagt man es auf Englisch, ist eine Dysästhesie, also eine Empfindungsstörung. Sie sind typisch für MS und geben einem das Gefühl, als wäre man z. B. eingeschnürt oder der Gürtel zu eng, obwohl er es nicht ist. Es gibt auch die Parästhesie, die wir vom Kribbeln, also dem Ameisenlaufen kennen.
Eine Dysästhesie verursacht neben dem einengenden Gefühl auch Schmerzen. Dinge, die Frau nicht braucht. (Mann auch nicht :-) ) Sie können sich in der Nacht verschlimmern und können auch bei einem Temperaturwechsel oder nach körperlicher Anstrengung auftreten.
Ich hatte diese Empfindungsstörung schon einige Tage und während ich mit Ameisengefühlen leben kann, kann ich es mit dem Eingeengten nicht wirklich. Weil ich mit der Zeit auch verkrampfe und diese Krämpfe auch nicht wirklich eine Besserung bewirken. Verständlicherweise.
Also habe ich das Problem auch mit dem Physio besprochen, denn normalerweise kann er selbst tiefgehende Verspannungen finden und auflösen. Beim MS Hug, den wir so noch nie hatten, weil ich bisher gut damit klar kam, weil es nicht so schlimm war, bei diesem aber echt zu kämpfen hatte, nahm er sich mehr Zeit, erforschte, ließ sich genau berichten und legte los.
Was kam, sorgte bei mir für Lachanfälle, bei ihm später auch. Er stellte sich hin, ganz bayerischer Kerl und meinte mal ungeniert, ich solle mich jetzt drauf einrichten, dass 100 Kilo Mann auf mich zu kommen. Und warf sich quasi auf mich. Nicht falsch verstehen jetzt, ich lag da und kämpfte tatsächlich damit, dass er meinen Brustkorb mit seinem eigenen Gewicht lockerte und meinte: "Ha, da ist dieses Teil" drückte auf eine Stelle, ich ächzte vor Schmerz, während er triumphierend meinte, dass dieser Muskel einer wäre, der sich total eingekrampft hatte und mir zusätzliche Beschwerden machte.
"Wenn du so weitermachst, bist du bald durch!" quetschte ich nach Luft schnappend und vor Lachen irgendwie erstickend hervor und erntete: "Gleich vorbei, aber der Krampf muss da raus und außerdem, du weißt ja nicht, was deine Knochen aushalten ..." Nun, 100 Kilo Kampfgewicht von nem Kerl auf jeden Fall. Weiß ich jetzt. Ich weiß jetzt auch, wie es sich anfüllt, platt gewalzt zu werden.
Ehrlich gesagt, es muss dermaßen seltsam ausgesehen haben, der kernige Bayer auf mir kerniger Bayerin, Muskeln lockernd und das erzeugte bei mir Kopfkino und das wiederum sorgte dafür, dass ich nicht wußte, ob ich jetzt keine Luft wegen der Menpower oder wegen meines Lachanfalles bekam.
Während sich die geballte Menpower also weiterhin um meine Krämpfe im Brustkorb kümmerten, ich wie ein Fisch an Land nach Luft schnappte und versuchte, den Befehl "einfach ruhig weiterschnaufen", zu befolgen, merkte ich aber auch, dass sich was tat. Es wurde leichter. Auf einmal konnte ich wieder tief atmen, die Muskulatur entspannte sich merklich. Ich fühlte mich wieder leichter.
Auch als ich die 100 Kilo Mann auf mir wieder loswurde. :-) Im Ernst, es war mir hinterher wirklich leichter um den Brustkorb, weg war der Hug nicht ganz, aber der Mann vom Fach hatte es geschafft, den einen oder anderen Muskel weich zu bekommen und mir so Erleichterung verschafft, die ich wirklich brauchte. Mit Schmerzmittel und Entspannungsübungen und Meditiation bekam ich es dann wieder hin, aber ehrlich, gebrauchen kann sowas ja keiner. Das ist echt übel. Zumal es schwierig war, erst mal etwas zu finden unter dem Stichwort MS Hug. Denn ich kannte nur den englischen Ausdruck aus meiner Community aus UK.
Was noch helfen kann? Wärme, wenn möglich, Schmerzmittel, ein Arztbesuch (um den ich herum gekommen bin, weil ich schnell genug eingegriffen und gehandelt habe) und ausruhen.
Übrigens, dieser Artikel aus 2017 aus "Medical News Today" beschreibt ganz gut, was passiert und was man tun kann. Leider ist er nur auf Englisch verfügbar: https://www.medicalnewstoday.com/articles/320146.php
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Mittlerweile hat sich das wieder gelegt, Fräulein Trulla konnte der Pfundskerl nicht zerquetschen, die kam mit zerknautschtem Hut und verdrücktem Spitzenkrägelchen aus der Praxis und durfte an meinem Auspuff schnuppern. Sie war zu beschäftigt gewesen mit ihren orthopädisch wertvollen Superlatschen. Die muss man beim Physio nämlich ausziehen. Ich bin mit Schlappen dann doch schneller.
Und wenn ich das nächste Mal beim Doc aufschlage, werde ich davon berichten und mir Empfehlungen geben lassen, was man noch tun kann.
Gehts Euch gut?
Birgit
Bilder: pixabay.com
Text: Birgit Bauer
Mein Leben ist fast normal. Mann, Kater, Haus. Alles normal. Fast. Bis auf die Tatsache, dass ich seit 2005 mit der Diagnose "Multiple Sklerose" lebe. Nichts geht ohne sie, aber viel mit ihr .... Lebensmomente - Augenblicke - Wissenswertes über das Leben und das Arbeiten mit MS!
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