Mittwoch, 24. Oktober 2018

Der Fall Selma Blair - oder MS und die Öffentlichkeit!

Ihr habt es sicherlich gelesen, die US Schauspielerin Selma Blair hat auf Instagram offenbart, dass sie die Diagnose MS erhalten hat.




I was in this wardrobe fitting two days ago. And I am in the deepest gratitude. So profound, it is, I have decided to share. The brilliant costumer #Allisaswanson not only designs the pieces #harperglass will wear on this new #Netflix show , but she carefully gets my legs in my pants, pulls my tops over my head, buttons my coats and offers her shoulder to steady myself. I have #multiplesclerosis . I am in an exacerbation. By the grace of the lord, and will power and the understanding producers at Netflix , I have a job. A wonderful job. I am disabled. I fall sometimes. I drop things. My memory is foggy. And my left side is asking for directions from a broken gps. But we are doing it . And I laugh and I don’t know exactly what I will do precisely but I will do my best. Since my diagnosis at ten thirty pm on The night of August 16, I have had love and support from my friends , especially @jaime_king @sarahmgellar @realfreddieprinze @tarasubkoff @noah.d.newman . My producers #noreenhalpern who assured me that everyone has something. #chrisregina #aaronmartin and every crew member... thank you. I am in the thick of it but I hope to give some hope to others. And even to myself. You can’t get help unless you ask. It can be overwhelming in the beginning. You want to sleep. You always want to sleep. So I don’t have answers. You see, I want to sleep. But I am a forthcoming person and I want my life to be full somehow. I want to play with my son again. I want to walk down the street and ride my horse. I have MS and I am ok. But if you see me , dropping crap all over the street, feel free to help me pick it up. It takes a whole day for me alone. Thank you and may we all know good days amongst the challenges. And the biggest thanks to @elizberkley who forced me to see her brother #drjasonberkley who gave me this diagnosis after finding lesions on that mri. I have had symptoms for years but was never taken seriously until I fell down in front of him trying to sort out what I thought was a pinched nerve. I have probably had this incurable disease for 15 years at least. And I am relieved to at least know. And share. 🖤 my instagram family... you know who you are.
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Das tut mir leid für die Schauspielerin, ich kann mich noch gut daran erinnern, wie schockiert ich am Anfang war und wie ich darum gerungen habe, wenigstens ein Stück meines Lebens zurück zu kriegen. Es ist doch so, alles verändert sich und Leben mit MS ist nicht  immer perfekt und schön. Es kann auch mühsam, grausam und entsetzlich anstrengend sein.

Einerseits finde ich das Statement und das Outing der Schauspielerin sehr mutig und stark. Wo doch Schauspieler so gesehen immer perfekt sein müssen. Und dennoch sind sie es nicht. Auch sie kann jederzeit eine Erkrankung oder ein Schicksalsschlag treffen. Menschen halt.
Andererseits denke ich mir, welche Kraft sie jetzt erst brauchen wird. Denn natürlich erregt dies Aufsehen.  Wenn solche Menschen einen derben Schlag vom Schicksal bekommen ist klar was passiert: Sie bekommen Öffentlichkeit ohne Ende. Es ist wohl eine Mischung aus Zuspruch und seltsamen und unverständlichen Weisheiten, mit der sie klarkommen muss. Und wenn man die Worte von Frau Blair liest wird eines klar: Sie steht ganz am Anfang und muss sich erst zurechtfinden, was das Leben mit MS betrifft. Ohnehin nicht  einfach wenn man eine nicht öffentliche Person ist, allerdings denke ich, es ist eine deftige Herausforderung, wenn man in der Öffentlichkeit steht.

Die MS hat ein weiteres prominentes Gesicht bekommen, die Öffentlichkeit diskutiert MS. Wieder einmal. Und ich frage mich: wie gut ist das wirklich? Wie wird MS wahrgenommen werden, wenn eine neue Sensation aufpoppt und Frau Blair in Vergessenheit gerät. Sie versucht in ihrem Post irgendwie mutig zu sein, zuversichtlich und auf der anderen Seite ist sie - verständlicherweise - auch verzweifelt. Bezeichnet sich als "behindert".

Ein Professor aus UK der MS erforscht schrieb, dass der Satz: "Ich bin behindert", den die Schauspielerin im Original mit "I am disabled" äußerte, dazu beiträgt, die Stigmatisierung, die man oft mit MS erfährt, reduziert.

Ehrlich gesagt, ich kam nicht umhin, das zu kommentieren. Ich weiß, dass in UK "behindert" auch verwendet wird, um soziale Ungerechtigkeit und Diskriminierung von Gesetzes wegen auszuschließen, aber müssen wir, die wir mit MS leben, uns generell jetzt  im normalen Leben als "behindert" bezeichnen? Das ist doch auch ein Stück vom Stigma, das viele von uns immer wieder erleben. Ehrlich gesagt, ich denke nicht.

Daher schrieb ich:

Ich bin eine Frau, die mit MS lebt und ich fühle mich nicht behindert. Ein kluger Mensch sagte mir einmal, dass es nicht eine Erkrankung ist, die einen Mensch behindert oder stigmatisiert. Es sind die Gedanken und Worte der Mitmenschen, die das tun. 

Ja, ich hab MS. Aber behindert? Fühle ich mich nicht. Ich lebe anders. Mein Rhytmus ist anders. Ab und an braucht es mehr Zeit, etwas zu tun und trotzdem geht es irgendwie. Meine linke Körperhälfte ist ab und an schwächer, ich habe Spasmen und erlebe Fatigue und derlei. Aber am Ende ist das für mich leben. Mit MS. Nicht mehr und nicht weniger.

Selma Blair schreibt, sie wird das hinkriegen, gibt aber auch zu, dass sie nicht weiß wie. Kommt uns bekannt vor oder? So geht es wohl allen, die eine Diagnose bekommen, egal welche. Es gilt, sich zurecht zu finden und neue Wege zu suchen, die lebbar sind. Keine einfache Sache, aber ich denke, in vielen Fällen machbar.

Und deshalb wünsche ich Selma Blair etwas Ruhe, weniger Hektik, denn das ist Stress und wir wissen alle, wie schlecht die Kombi aus Stress und MS sein kann. Wenn man die Kommentare auf Instagram liest, muss man zugeben, es sind schon auch sehr seltsame Zeitgenossen im Boot. Von Heilern bis Beschwörern und solche, die jetzt Therapietipps auspacken, die im Moment wohl eher überfordern als helfen. Ich glaube, das ist eine zusätzliche und nicht ganz kleine Herausforderung. Ob sie sich damit zurechtfinden wird? Keine Ahnung, ich wünsche es ihr von Herzen und ich wünsche ihr auch, dass sie versteht, dass Leben mit MS durchaus anders ist, aber nicht zwangsläufig "behindert".

Und für die Öffentlichkeit würde ich mir einen weniger panischen, dafür aber bewussten Umgang mit der Erkrankung wünschen. Einen Umgang, der nicht von der Bestürzung lebt, sondern mit der Information getragen, diese wohl dosiert genutzt und mitfühlend ist. Auch wenn es um Worte geht. Oder gerade da.

Denn alles andere wäre tatsächlich irgendwie Stigma und das können wir alle nicht wirklich gebrauchen.

Wie seht Ihr das?



Bild: Eingebettet von Instagram
Text: Birgit Bauer

1 Kommentar:

  1. Ich nehme an, bei Selma Blair ist es von verschiedenen Dingen ein bißchen, warum und wie sie ihre Krankheit nun bekannt gegeben hat.

    Man darf annehmen, daß sie - wie die meisten bekannteren Akteure heutzutagen - einen Publizisten hat.

    Ich nennen es mal Outing der Einfachheit halber.

    Ein Grund für ihr Outing dürfte durchaus sein, daß sie nicht Gefahr laufen will, unter Umständen als drogen- oder alkoholabhängig abgestempelt zu werden - Hollywood ist gnadenlos und ein schnelles Facebook-Video einer unsicher gehenden Selma Blair kann die Gerüchteküche anheizen, wie wir Normalbürger es uns nicht vorstellen können - und das kann durchaus Jobs für die Zukunft gefährden. Und es gibt in vielen Verträgen "No Drug" Klauseln... Und Selma Blair ist zwar gut im Geschäft - aber nicht absolute Oberliga, in der man quasi Narrenfreiheit hat.

    Dann kann ich mir durchaus vorstellen, daß sie auch vorhat (fast jeder Star macht eine Sache zur persönlichen "Charity-Angelegenheit" in den USA), daß sie vorhat, ihre Bekanntheit und ihre persönliche Betroffenheit zu nutzen, um Spenden für MS-Forschung etc. zu sammeln.

    Und dann - man möge es mir verzeihen, daß ich das unterstelle - aber Schauspieler stehen nunmal in der Öffentlichkeit - sie haben dieses Leben gewählt und in der Branche heißt es nicht ohne Grund: "No News Is Bad News".
    Wenn man in die Schlagzeilen kommen kann und dabei positiv besetzt ist, ist das durchaus eine erstrebenswerte Randerscheinung eines an und für sich ganz sicher nicht erstrebenswerten Ereignisses.

    Sicherlich hat sie noch nicht verarbeitet und kann abschätzen (wer kann das schon, wo doch der Verlauf so unterschiedlich sein kann), was auf sie zukommt. Spontan war das Outing aber sicherlich nicht.

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