Wenn sich erste Symptome einer bis dahin noch unbekannten Erkrankung zeigen, passiert oft erst einmal – nichts.
Man hofft, dass sie wieder verschwinden, ignoriert die Zeichen oder wartet einfach ab. Wird schon wieder werden. Wenn dann schließlich doch ein Arztbesuch erfolgt, verlässt man sich darauf, dass alles seinen Lauf nimmt. Motto: Das System wird's schon richten.
Doch das kann wertvolle Zeit und oft auch Lebensqualität oder auch gute Schritte auf dem Weg zu einer Verbesserung kosten. In dieser Zwischenphase, also zwischen Symptom und Diagnose, bleibt man oft in einer Mischung aus Unsicherheit, Angst und Passivität hängen. Man versucht sich abzulenken, gibt die Hoffnung nicht auf und spricht sich selbst Mut zu.
Aus dem einst mutigen und selbstbewusst auftretenden Menschen wird schrittweise ein entmutigtes und verängstigtes Etwas. Verständlich, aber auf Dauer nicht wirklich hilfreich, weil diese Angst zum eigentlichen Hindernis wird. Angst lähmt und ist nicht selten auch eine kleine Art Alibi, sich dem zu stellen, was vielleicht extrem unangenehm ist. Aber es ist wichtig, die Herausforderung Stück für Stück anzugehen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Je länger man sich in dieser Unsicherheit bewegt, desto schmerzhafter ist der Moment der Erkenntnis, warum man nicht früher aktiv wurde. Genau hier setzt Selbstfürsorge an.
Was ist Selbstfürsorge und warum ist sie so wichtig?
Es ist eine unsichere Zeit, und manchmal denkt man, dass Selbstfürsorge jetzt nicht auch noch klappen kann, man fühlt sich schlecht. Außerdem wird Selbstfürsorge oft als Egoismus abgetan – eine falsche Annahme. Für sich selbst zu sorgen und einzustehen bedeutet, sich abzusichern und am Ende informierte Entscheidungen treffen zu können. Deshalb ist es so wichtig, die Initiative zu ergreifen und nachzufragen, welche Möglichkeiten helfen können, sich besser zu fühlen, Symptome zu mildern und das Befinden zu verbessern. Das könnte Physiotherapie sein oder auch psychologische Unterstützung, die – wenngleich schwer zu bekommen – oft auch online verfügbar ist.
Ich weiß das, weil ich selbst in dieser Situation war. 2005 bekam ich meine MS-Diagnose. Zack, von einem Moment auf den anderen war alles anders. Ich hatte zwar Glück im Unglück – weil mein Schub so heftig war, dass die Ärzte schnell wussten, was los ist. Aber dann? Dann stand ich da, mit Ängsten und so vielen Fragen. Ich war uninformiert, hatte keine Ahnung von meinen Rechten als Patientin, wusste nicht, was ich tun konnte oder sollte. Zunächst blieb ich, wie viele andere auch, in diesem Schwebezustand hängen.
Aber irgendwann reichte es mir. Ich wollte nicht nur abwarten, wollte nicht darauf vertrauen, dass das System schon für mich sorgt. Meine Lebensqualität litt, ich litt, meine Angehörigen litten mit. Das, was passieren sollte, nämlich Hilfe zu kriegen, passierte nicht. Ein Zustand, den ich ganz ehrlich, schon damals inakzeptabel fand. Unbewusst fing ich schon damals an, mich um mich zu sorgen. Ich begann, selbst zu suchen, mich zu informieren und bei den Ärzten einzumischen, nachzufragen. Das war mühsam, ich war nämlich auf einmal irgendwie unbequem. Es hat gedauert und meine Geduld herausgefordert. Aber es hat sich gelohnt. Zum einen habe ich gelernt, meinem Körper zuzuhören, seine Signale ernst zu nehmen und mich zum anderen auch für meine Gesundheit einzusetzen.
Verleugnung und Verdrängung sind normal – aber nicht hilfreich
Wenn sich erste Symptome zeigen, ist die erste Reaktion oft: Abwarten, hoffen, verdrängen. Wenn der Arzt etwas sagt, nimmt man es erst einmal hin, macht was einem gesagt wird, man hinterfragt aber nicht. Doch das kostet oft wertvolle Zeit. Nicht nur psychisch und physisch – auch die Lebensqualität leidet. Angehörige und Familie sind ebenfalls betroffen, sie leiden mit, zeigen es nicht unbedingt, aber im Stillen sind sie nicht besser dran als man selbst. Ein Umstand, den man bedenken muss, denn man selbst hat auch Verantwortung für sie. Deshalb: Statt nur zu warten, sollten wir diese Zeit für uns und auch unsere Angehörigen nutzen. Selbstfürsorge bedeutet hier vor allem, aktiv zu bleiben.
Selbstfürsorge bedeutet, aktiv zu bleiben und ein wenig Mut und Rückgrat aufzubringen ...
Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Entscheidung. Eine mutige, für Mitmenschen nicht immer die bequemste Entscheidung, aber in Zeiten, in denen man für sich selbst sorgen sollte, die richtige. Denn sie ist eine Entscheidung für uns selbst.
Gerade in dieser ungewissen Zeit gibt es Dinge, die du für dich tun kannst:
Patientenrechte kennen und nutzen: Informiere dich, du hast Rechte. Du hast Anspruch auf eine zeitnahe Diagnose und kannst immer nach zügigeren Terminen fragen. Patientenrechte sind gesetzlich festgelegt – sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen, kann später enorm helfen. Hier gibt es erste Informationen: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/patientenrechte.html
Proaktiv handeln: Bestehe auf Klarheit, sei hartnäckig bei Terminvereinbarungen, hole dir eine Zweitmeinung, frage nach Alternativen. Lass dich nicht mit einem Termin in einem halben Jahr abspeisen, wenn es um deine Gesundheit geht. Ein Anruf bei der Krankenkasse oder direkte Ansprache beim Arzt können helfen, Dinge in Bewegung zu bringen. Auch Patientenorganisationen können hier wertvolle Tipps geben.
Unterstützende Angebote nutzen: Physiotherapie, Ernährungsberatung oder Entspannungstechniken helfen nicht nur dem Körper, sondern auch der Seele. Und auch hier gilt, frag nach, hier ist auch Eigeninitiative nötig, kann aber durchaus helfen.
Achtsamkeit im Alltag: Meditation, Atemübungen, Spaziergänge – kleine Dinge, die helfen, innere Ruhe zu bewahren.
Verantwortung für die eigene Gesundheit
Es klingt hart, aber es ist die Wahrheit: Sich darauf zu verlassen, dass das Gesundheitssystem alles für dich regelt? Funktioniert nicht wirklich. Deine Gesundheit ist deine Verantwortung. Wenn du dich nicht darum kümmerst, wer dann? Entscheidungen treffen, auf dich achten, dich informieren und für dich einstehen – all das gehört zur Selbstfürsorge dazu.
Ja, das kostet Energie, besonders wenn du dich schwach oder überfordert fühlst. Aber genau dann ist es umso wichtiger. Denn wenn du aktiv bleibst, dich informierst und für dich einstehst, wirst du dich stärker und besser vorbereitet fühlen – egal, was die Diagnose am Ende ist.
Selbstfürsorge als wichtiger Begleiter
Diese Zwischenzeit kann nervenaufreibend sein, aber sie ist auch eine Chance. Indem du für dich sorgst, dich informierst und aktiv bleibst, gibst du dir selbst Halt und Sicherheit. Deine Gesundheit ist dein wichtigstes Gut – und du hast das Recht, für sie und damit für dich einzustehen.
Ein letzter Tipp: Wenn du nicht wirklich klar kommst, frage nach Unterstützung und nimm sie an. Es gibt Patientenvertreter, die helfen können, und Angehörige, die dich begleiten und als Vertrauenspersonen unterstützen können. Heute gibt es viele Möglichkeiten, Unterstützung zu finden – niemand muss diesen Weg allein gehen. Doch der erste Schritt bleibt: Sie anzunehmen. Auch das ist Selbstfürsorge!
Birgit
Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG
Bild: Via Canva
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