Mittwoch, 14. Mai 2014

Der Andersplan ...


Viele von Euch wissen ja,  ich war letzte Woche in Dublin unterwegs. Die "European Multiple Sclerosis Platform" emsp, feierte das 25-jährige Jubiläum und ich konnte hin, um mir das wirklich interessante Programm anzuhören und mich mit vielen anderen MS Patienten aus ganz Europa zu unterhalten.

Es ging von Rehabilitation über Therapien bis hin zu sozialer Isolation um viele Themen.

Unter anderem auch um "Anderspläne". Ich habe sie so getauft, weil diese Pläne anders sind, sie beziehen das andere Leben mit MS ein.



Mit einigen kamen wir in einer bunt gemischten Runde auf das, was manchen Patienten offenbar richtig belastet. Wir müssen ab und an, öfter oder weniger öfter, je nach Status anders planen. Dinge, die oft von unserer Umwelt nicht so gut verstanden werden. Und das frustriert den einen oder anderen so richtig.
Es ist so, mit MS lebt man anders. Manch einer ist nicht so belastbar, manch einer braucht mehr Pausen, wieder ein anderer braucht genaue Pläne um die Einnahme von Medikamenten sicher zu stellen oder Termine mit Physiotherapeuten einzuhalten und die Reha gut zu schaffen. Bei vielen kommen Job, Familie, Sozialleben oder ehrenamtliches Engagement dazu. Das alles muss irgendwie unter einen Hut. Es muss gut organisiert sein, besser als normal, weil eben die Pausenbedürfnisse anders sind oder Handicaps mehr Raum einfordern.

Auch ich lebe anders. Ich bin am Vormittag am kreativsten. Grund für mich, da intensiv am Rechner zu arbeiten und Themen zu verfolgen. Da läuft meine Konzentration mit mir und ich glaube, damit bin ich nicht allein. Am Nachmittag bin ich manchmal erschöpft und gönne mir, wenn ich kann, eher leise Stunden. In denen bin ich nicht weniger produktiv oder beschäftigt. In dieser Zeit mache ich einfach die Sachen, die mir leicht von der Hand gehen. Dinge, die kein Hochleistungsdenken benötigen, sondern im alltäglichen Betrieb gut funktionieren. Mein Leistungsvermögen ist deutlich reduziert, manchmal suche ich nach Worten wenn ich spreche und darauf achte ich dann auch wenns irgendwie geht. Es kommt immer auch auf die Tagesform an.

Mein Andersplan ist recht klar strukturiert. Die Montage sind, wenn möglich, meine Tage. Sprich am Vormittag arbeiten, Nachmittags bin ich beim Physio oder anderen MS Terminen. Dass ich danach wenig Lust auf andere Dinge ausser meinem Sofa habe, ist klar. Denn Krankengymnastik ist nicht Wellness. Es tut manchmal weh. :-)

Mein Andersplan sagt mir auch, wenn ich welche Termine habe und wie meine Pausenfenster aussehen. Wenn sie über einen längerem Zeitaum zu klein sind, ziehe ich mich in freien Zeiten komplett zurück, um genügend Entspannung zu bekommen und kümmere mich nur um mich.

Mein Andersplan sagt mir auch, dass es besser ist, vor Auslandsreisen in Ruhe meine Aufträge zu erledigen, das Büro zu managen und mich in Ruhe vorzubereiten, zu sehen, welche Programmpunkte für mich wichtig sind und wo ich selbst vor Ort eine Pause einbauen kann. :-)

Mein Plan gut zu leben ist anders. Halte ich mich daran, funzt alles wie geschmiert. Dann bin ich gut drauf, im Job klappt alles und Leben mit MS ist gut.

"Wer sich wirklich organisiert und sich mit Selbstdisziplin befasst, kann echt viel schaffen", erklärte eine Teilnehmerin im Roll und ja, stimmt. Selbstdisziplin ist ein wichtiger Faktor. Er bringt auch das "Nein" auf den Tisch, wenn etwas nicht geht. Und man lernt, dabei zu bleiben, auch wenn andere meinen, einen drängen zu müssen, weil sie nicht verstehen, dass man einen Andersplan hat.

Wir sind so unterschiedlich wie die Länder aus denen wir kommen und wie unsere MS Beschwerden sind. Allerdings waren wir in einem einig: Wenn wir sagen, dass wir keine Zeit haben oder eine Pause brauchen, sollte man das verstehen.

Mein Andersplan hat sich über die Jahre entwickelt und passt richtig gut zu mir. Ich habe meine Ruheinseln im Tag (sollte jeder haben :-)), kann  mit vollgestopften Tagungstagen gut leben und teile mir alles so ein, dass ich entspannt durchkomme und meine Energie gut nutze. Alles ist im Fluß und ich liebe die Bewegung in meinem Leben, im Job und überhaupt.

Am Anfang war das echt nicht einfach, manchmal habe ich mich überreden lassen, kam ins Schleudern weil ich ständig begründete und zahlte dann oft mit Beschwerden den "Fehltritt". Mein Rhytmus ist ab und an etwas anders, langsamer, bewusster und ich habe gelernt, dass es nicht wichtig ist, überall zu sein, sondern dort, wo es interessant wird. Es ist nicht wichtig, immer perfekt zu sein, sondern den eigenen Takt zu finden und damit durchs Leben zu gehen. Mit dem Andersplan habe ich gelernt, gelassener zu bleiben.

Übrigens etwas, was uns auch alle einte. Jeder stolperte erst mal über sich selbst, die MS und die neuen Bedürfnisse. Es hat bei jedem ein wenig Zeit gebraucht, um zu verstehen, was man wie wann wo mit wem macht und wo man mit seiner Energie vorsichtig umgeht und wann man damit prassen kann.

Sind Anderspläne egoistisch? Das war meine Frage in die Runde, ich  hatte das vor einigen Wochen wieder einmal gehört.
Die Antwort: Nein, sie sind nicht egoistisch. Sie sind auf uns abgestimmt, weil wir uns darüber bewusst sind, dass wir damit besser leben und so unsere Jobs schaffen und uns dabei wohlfühlen. Sie sind unser Schrittmacher und ermöglichen uns, einfach mit den anderen mitzuhalten, wenn auch auf anderen Wegen. Und das hat mit Egoismus nichts zu tun. Wir müssen das nicht begründen. Es ist einfach so.

Stimmt. Und wenn wir ehrlich sind: ausgesucht hat sich das ja auch keiner von uns. Oder? ;-)

Welche Anderspläne habt Ihr?

Mehr aus Dublin und ein bisschen Neues kommt .... :-)

Birgit




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