Donnerstag, 14. August 2014

Die Moralkeule als Einstandsgeschenk ...

Kennt ihr das Gefühl, wenn jemand Euch nicht kennt und dennoch die Moralkeule über Eurem Köpflein schwingt?

Es war dieser Tage. Ich habe mich für einen neuen Neurologen entschieden, was lange genug gedauert hat, aber nach dem letzten Reinfall war mir nicht wieder nach Selbstgefälligkeit und Arroganz. Mir ist nach guter Information, ruhigem, respektvollem Umgang und Wertschätzung des Patienten.
Und nach dem Akzeptieren des Wissens des Patienten. Und der Fragen. Und auch der Entscheidungen.....
Ich rief also an und kaum hatte ich überhaupt was gesagt, kam sie. Die Moralkeule. Zum Einstand. Volle Kanne druff auf mich.

Eine entrüstete Sprechstundenhilfe hielt mir einen Vortrag über meinen Umgang mit Fräulein Trulla. Dabei kennt sie die ja noch gar nicht. Man müsse mir sofort helfen. Echt? Woher wissen sie das, fragte ich. MS Patienten muss man immer sofort helfen, die sind alle gleich.

Määäp. Wir sind nicht gleich. MS ist bei jedem anders. Määäp. Einspruch.

Und überhaupt, ich wäre mit 9 Jahren MS doch nah am Rolli. Echt? Wo steht das? Woher sie diesen Schluss zieht, konnte sie auch nicht beantworten.

Kurzfristig überlegte ich, ob ich sofort auflege. Verdient hätte diese eher inkompetente Person das sicher. Aber mir geht es nicht um die Empfangsfrau. Mir geht es um den Doc und der soll gut sein und kompetent und eben auch einer, der mit Patienten kommuniziert. So die Empfehlungen.

Ich stand also vor der Frage, ob dieser erste, miese Eindruck vom Chef des Hauses wieder gelöscht werden könnte und entschied mich dafür.

Nicht ohne der Dame allerdings zu erklären,  dass ich Moralkeulen grundsätzlich nicht leiden kann und meine Entscheidung auch sicherlich ohne ihre wirklich kompetente und einfühlsame Art treffen kann, da ich mich besser kenne und auch das Fräulein Trulla als sie das im Moment tut. Ich konnte es einfach nicht lassen. :-)

Meinen Termin bekam ich dann innerhalb kürzester Zeit. Frau war ein bisschen beleidigt. :-) Was mich ja nicht stört. Ich will ja nicht zu der.

Was ich damit sagen will ist, dass es schon ok ist, sich mit Patienten über deren Erkrankung zu unterhalten. Aber vorgreifen, in Schubladen schubsen, die Moralkeule zu schwingen und dann noch beleidigt zu sein, wenn man zu verstehen gibt, dass man wohlmeinende Tipps sehr wohl zu schätzen weiß, aber keine Ratschläge mag, wenn man sich nicht kennt, das geht nicht wirklich.

Wir reden hier immer von "Shared Decision Making", ganze Organisationen fachsimpeln darüber, wie man Patienten informieren kann, wie man sie behandeln sollte. Da wird diskutiert und analysiert, was das Zeug hergibt, wie man Patienten auch mehr Eigenverantwortung zugesteht und sie in die Prozesse einbezieht, weil sie ja eigentlich das Zentrum jeder Diskussion sein sollten. Und nicht das Ziel moralisch wertvoller Befehle und Entrüstung, weil man die Entscheidungen weder versteht (was man nicht muss) noch akzeptieren will. Wo man doch die einzig informierte Stelle ist. Denkt man. Was aber nicht so ist.

Weil Patienten immer mehr informiert sind. Wir wollen mitreden und vor allem, mit die Entscheidungen treffen. Weil es um uns geht. Und nicht um andere.

Es gilt der Dialog und nicht der ärztliche Monolog, oder der einer Sprechstundenhilfe, die gar nicht einschätzen kann, was geboten ist, weil sie einen Erstkontakt in der Leitung hat und somit nicht vollständig informiert ist.

Passieren tut aber offenbar immer noch zu wenig. Und das finde ich schade, wie sollen Patienten zum Arzt Vertrauen aufbauen, wenn sie bereits im ersten Moment quasi moralisch wertvoll erschlagen werden? Es passiert nicht immer und überall, ich habe auch einen Doc, dessen Helferinnen echte Schätze sind. Vielleicht fällt es deshalb umso mehr negativ auf, wenn man genau dem Gegenteil begegnet. Was traurig ist und was mich dazu bringt, mir das auch nochmal für den nächsten Kongress auf die Agenda zu schreiben. Trifft sich, dass das im September in London beim Value added Services Summit sein wird. Wo man über die Services rund um eine Therapie diskutieren wird und auch darum, was Patienten bewegt.

Bin gespannt, was ich dort so an Erkenntnissen gewinne und wie sich im September der Termin beim neuen Neuro so anlässt. :-)

Grüße aus einer spannenden Woche! :-)

Birgit

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