Montag, 10. August 2015

Der Uhthoff, das Fräulein Trulla, der Sommer und ich!

Was haben wir im Winter gesagt? Wenn doch endlich Sommer wär. Was haben wir uns über die Kälte geärgert, über angefrorene Autofenster und über das Schneeschippen. Es hat auch lange gedauert, bis es wärmer wurde, die Luft nach süßen Blüten duftete und alles auf einmal in aller Farbenpracht glänzte.

Die Tage waren klasse, es wurde ein wenig warm und wir konnten so richtig genießen. Was wir auch taten. Wir warteten schon geduliger auf die Tage, an denen wir den Grill aus dem Lager holen, bis in die Puppen mit einem kalten Getränk im Garten sitzen und feiern konnten. Wir sehnten uns nach Sommerfesten, leichten Klamotten und derlei.

Jetzt? Haben wir es. Und ich liebe es, keine Frage, ich bin ein Sommerkind, ich mag den Sommer. Allerdings hat die Sache zwei Haken. Den ollen Uhthoff und Fräulein Trulla.

Das geht dann so:
Herr Uhthoff, der war ein Arzt. Er hieß Wilhelm und lebte von 1853 -1927. Er war Augenarzt und beschrieb das nach ihm benannte Phänomen erstmalig.

Der Uhthoff stellte fest, dass sich, mal ganz grob gesagt, MS Symptome bei Hitze verschlechtern. Sprich, das was Trulla sonst so unter "Ferner liefen" verursacht, dass ich mal ein bisschen schwanke, mal ein wenig schlechter laufe als sonst, das wird stärker. Dieses Phänomen betrifft rund 80% der Betroffenen mit Multiple Sklerose.

Hat man so eine Verschlechterung, wird das auch als Pseudo Schub bezeichnet und ich kanns sagen, live erlebt: Es ist nicht nett. Wirklich nicht nett. Sobald die Temperaturen wieder sinken, ist alles vorbei. Es ist eine auf die Hitze beschränkte Erscheinung und sagt nicht, dass sich die Multiple Sklerose verschlechtert, es fühlt sich nur so an und auch wenn man das weiß, angenehm ist echt anders. Ich merke es im Moment besonders in den Beinen, da hatte ich ja im Mai den miesen Schub, der mir zu Krücken und extrem kurzen Laufstrecken verhalf und in Sachen Fatigue, also Erschöpfung.

Ist der Sommer durchwachsen, ist es ok. Auf Regen folgt Sonnenschein und umgekehrt und auch wenn man sich einen Bilderbuchsommer wünscht, so ist es doch besser, ab und an kühle Tage erleben zu können. Weil man sich als MSer schlicht besser fühlt. Man kann sich besser bewegen, das Hirn macht mit und man kann die Pausenzeiten reduzieren.

Als der Sommer begann, war bei mir alles ok. Ich mag Herrn Sommer. Auch wegen des Vitamin D, das Menschen mit MS ja sehr gut tut.
Aber: Je länger er aber dauert, umso mehr merke ich, wie Sommer, Uhthoff und das Fräulein Trulla zusammenarbeiten. Sprich, ich kriege es hin, merke aber deutlich, dass dieses Sommerspielchen an meiner Kraft zerrt. Und zwar richtig.
Selbst mein Urlaub in den Bergen in einem tollen Hotel auf 1400 m Höhe hilft mir jetzt nicht mehr. Dort oben war es gut zu ertragen und war es zu heiß, gings mit der Seilbahn weiter nach oben. Das war klasse und super. Ich habe viel Kraft getankt, allerdings geht die jetzt langsam zur Neige.

Es hat mich richtig eingeholt und sonnige Tage sind schön, ja auf jeden Fall, aber für mich langsam nicht mehr. Es wird zum Kraftakt. Gestern habe ich mich schlicht im kühlen Haus verschanzt. Ich brauche mehr Pausen, stehe dafür aber sehr früh auf, um in der Morgenfrische zu arbeiten, um nicht ganz heiß zu laufen im Oberstübchen. Am Nachmittag gibts nur das zu tun, was quasi Routine ist und wenig "Hirn" braucht. Um wenigstens ein wenig Sport zu bekommen, gehe ich zum Feierabend ins Freibad und ziehe meine Runden, ungefähr der einzige Moment, an dem ich mich wohlfühle. Denn dort ist es kühl, ich kann die Temperatur senken und fühle mich dann wesentlich besser.

Ich musste meine Tagesroutine komplett umstellen. Mach das, was wichtig ist, dann wenn es kühl ist, versuch entspannt und cool zu bleiben, was mir zunehmend schwer fällt und manchmal denke ich mir, ich spinne, so sehr sehne ich mich nach zwei oder drei kühlen Regentagen. Und das hätte ich vor einigen Jahren als doof bezeichnet. Jetzt? Hm. Würde es kühler werden und regnen, hätte ich innerhalb von 24 Stunden wieder volle Power und könnte dat Trulla, das ich täglich im Freibad versenke, die aber derzeit einen aufblasbaren Badeanzug hat, der sie regelmäßig an die Oberfläche schwappen lässt, endlich mit einem Betonstein an der knochigen Wade am Grunde des Pools schmollen lassen.

Bild: Pixabay.com

Das Paket, das uns im Moment wettertechnisch beehrt ist schön, ohne Frage. Aber für mich wirds langsam zur Herausforderung.

Was ich sonst mache? Ich habe meine zwei treuen Begleiter, Ventilatoren, die auf Hochleistung kühlen, ich habe einen Eimer Wasser für die Fußkühlung unter dem Schreibtisch, trinke viel und bleibe über Mittag im Haus, bin passionierte Schattenparkerin, Kaltduscherin und Flatterklamottenträgerin. Auf Kühlmanschetten habe ich bisher verzichtet, auch auf eine Kühlweste, aber wenn es so weitergeht, werde ich wohl noch drauf zurückgreifen müssen und mir solche Sachen besorgen. Ich bin irgendwie ein bisschen eingesperrt vom Sommer. Und das mir.

So ist Sommer auch. Nicht immer nur eitel Sonnenschein. Leider. Und das von mir, dem Sommerkind.

Wie geht es Euch so?

Übrigens, hier gibts Lesefutter zu Herrn Uhthoff. Artikel bei der DMSG.

Liebe Grüße
Birgit dahinschmelzend.

Copyright by Birgit Bauer 2015
Bild: pixabay.com




2 Kommentare:

  1. Oooohhhh...Du arme! Ich kann es so gut nachvollziehen wie es Dir geht!! Denn mir geht es so im Winter, wenn es kalt ist!!! Allerdings muss ich gestehen, dass ich den Winter sowieso noch nie mochte und wirklich, wirklich dankbar bin, dass die MS mir meinen Sommer lässt - ärgern tut sie mich so oder so schon genug! Da hab ich noch echt ne Menge gut!!! *zwinker*.....- und dass hoffentlich noch sehr, sehr lange! Hoffe Du kommst noch gut durch den Sommer und findest etwas, was Dir gut hilft! LG Nicole

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    1. Nett ist echt anders, ich sags dir. Aber was hilfts? Ich werde einfach weiter in der Mittagszeit drin bleiben, meine Feierabende im Freibad verbringen und mich abkühlen, unter die Dusche hüpfen, wenn das System nen "Error" meldet, viel trinken und mir den Rest des Sommers in Sachen Biergarten und Eisdiele soweit möglich nicht nehmen lassen. Ändern kann ich es grad ohnehin nicht. Und du genieß es, das ist ein Befehl! Recht hast du! :-) Liebe Grüße, Birgit

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