Mittwoch, 9. September 2015

Schwäche zeigen nicht erlaubt?

Man unterstellt mir ja immer, ich wäre eine starke Frau. Bin ich auch. Meistens. Ich bin ein Stehaufmännchen und lasse mir so schnell nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Und dann gibt es sie doch. die schwachen Momente. Die, in denen ich gnadenlos durchhänge, einfach nicht kann, schon mal mit dem Leben hadere, mich ein wenig selbst bemitleide und am liebsten die Decke über den Kopf ziehen würde.

Ich denke mir immer, so ist das Leben. Es ist nicht immer alles stark, schön und super. Es ist auch mal scheiße, traurig und durchhängend.

Ganz ehrlich, ich sags dann halt auch. Ich finde, die Menschheit darf auch merken, dass selbst ich ab und an abhängen und Kraft tanken muss, damit ich weiterkann.

Neulich habe ich im Netz aber einen Gedanken aufgeschnappt, der mich nachdenklich machte.

Sinngemäß stand da: Wir MS Patienten müssen Stärke demonstrieren, wir dürfen keine Schwäche zeigen.

Ich frage mich warum? Dürfen nur Gesunde oder andere Patienten mal schwach sein und diese Schwäche auch zeigen? Was verpflichtet unsereins dazu, immer Stärke demonstrieren zu müssen, wenn unser Gesamtbefinden schlicht nach etwas ganz anderem schreit? Woher kommt dieser Gedanke? Ist jetzt eine Maske nötig, um durchs Leben zu kommen?

Bild: pixabay.com 

Ich glaube nicht. Deshalb verweigere ich es die Starke zu spielen, wenn ich es nicht bin.

Mir ist ein ehrliches Bild von mir in die Außenwelt lieber. Auch wenn es natürlich das Gegenargument gibt, dass ich ja Mitleid oder blöde Vorurteile kriegen könnte. Aber müssen mich die wirklich tangieren? Nö.

Ich finde es zudem echt anstrengend die Starke zu geben, wenn ich einen Tag habe, der eben nicht so toll ist. Es zieht Energie, die ich eigentlich dafür benötige, einfach den Tag einigermaßen hinter mich zu bringen. Wieso sollte ich also diese für mich nötige Energie an andere verschwenden und denen was vorgaukeln, was nicht stimmt?

Es kommt doch ohnehin meist heraus, wenn man mal wieder "stark" war ohne es wirklich zu sein, es ist erkennbar und man sieht die Anstrengung der vermeintlichen Stärke bei so vielen Menschen. Oft an der Haltung, in den Gesichtern, an den Gesten. Man kann es oft hören, wie anstrengend der Tag ist und an den müden Blicken sehen. Dann noch den Starken geben? Wirklich?

Mir ist auch nicht klar, wieso ich Schwäche nicht zeigen darf nur weil ich MS habe. Jeder hat schwache Tage, jeder muss sich ab und an schlicht hängen lassen, damit er am nächsten Tag wieder loslegen kann. Schwache Tage sind für mich Tage der Pause. Oder oft auch Momente. Manchmal reicht es mir, mich für einige Stunden zurück zu ziehen und etwas für mich zu tun, ab und an brauche ich einfach einen Tag.

Ein schlechtes Gewissen habe ich dabei nicht, genau wie die anderen auch nicht. In meinen Augen darf jeder schwache Tage haben und dem auch den nötigen Ausdruck verleihen. Was ist so schlimm daran um einen Aufschub zu bitten, wenn dies möglich ist oder nur das zu tun, was auf der Prioritätenliste ganz oben steht und den Rest auf den nächsten Tag zu legen?

Ich bin für authentisches Auftreten, für Ehrlichkeit. Es hilft nicht, die MS zu verstecken, sie ist da und zeigt sich ja doch. Zum anderen, je öfter man den Starken gibt, desto schwieriger wird es, an wirklich üblen, ich rede nicht von schwachen, Tagen zu erklären was los ist und die Schockstarre bei anderen aufzulösen.

Ein offener Umgang, gute Kommunikation und authentisches Auftreten finde ich so wichtig. Gerade wenn man mit einer chronischen Erkrankung lebt. Denn das hilft auch, dass chronische Erkrankungen wie MS mehr Verständnis und Verstehen bekommen, die Öffentlichkeit aufhört zu denken, wir wären verrückt oder hätten Muskelschwund. Es würde Vorurteile ausräumen wie mein Lieblingsvorurteil, ich wäre betrunken, wenn ich Gleichgewichtsstörungen habe und den blöden Satz, dass wir zu gut aussehen, um krank zu sein könnte man dann auch irgendwann mal aus den Köpfen löschen.

Wie gesagt, ich bin stark, aber ich bin auch schwach und das darf die Menschheit ruhig mitkriegen. Ich kann verstehen, wenn man sich nach einer Diagnose erst mal ein wenig bedeckt hält, das habe ich auch. Man muss sich einfinden, neu organisieren und herausfinden, welche Wege man gehen möchte. Aber dann steht einem vernünftigen Umgang und einer Kommunikation der MS nichts im Wege.
Meine Erfahrung ist, auch wenn es einige Zeitgenossen gibt, deren Sprachvermögen über dumme Sprüche nicht hinauszugehen scheint, die meisten Menschen doch vernünftig, verständnisvoll und angemessen reagieren.

Tragt Ihr eine Maske?

Nachdenklich,
Birgit

Copyright by Birgit Bauer 2015
Bildquelle: https://pixabay.com/




1 Kommentar:

  1. Eine Maske gegenüber den Anderen habe ich teilweise. Besonders nach der Diagnose wollte ich beweisen (den Anderen und besonders mir selber), daß ich genauso viel, oder vielleicht noch mehr schaffe wie vorher. Das ging dann leider in die Hose und ich hatte einen Schub mit einer halbseitigen Lähmung. Da kam ich ein bisschen aus meiner Maskenphase und Leistungsphase raus, aber wirklich nur ein bisschen. Erst jetzt, nachdem zusätzlich ein Kopftumor dazugekommen ist (ich bin dadurch frühverrentet worden) bin ich raus. Das zu akzeptieren war unheimlich schwer. Zu dieser Zeit hatte ich dann aber definitiv keine Maske mehr auf, weil ich gar nicht mehr die Kraft dazugehabt hätte, die Maskerade weiterzumachen. Ich habe manchmal das Gefühl, das es den Anderen ganz recht ist wenn man eine Maske auf hat, dann brauchen sie sich mit dem Thema nicht allzu beschäftigen. Und wenn´s dann wirklich mal wegen einem Schub nicht geht, sind sie perplex, weil vorher hat´s ja gut funktioniert. Da hat´s dann auch eine "liebe" Kollegin gegeben die den Satz losgelassen hat "Jetzt macht sie wieder auf MS und ich habe die Arbeit". Tja, ich glaube, wie man´s macht ist eigentlich egal, weil den Anderen macht man´s nie recht. Das wichtigste ist, das man auf sich selbst hört. Und dass kann ich nun. Und ich glaube bzw. ich habe das Gefühl, Sie könnens auch. Alles Gute weiterhin

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