Mittwoch, 30. März 2016

Über Heilmittel und alles das, was da steht

Es ist doch so, wir alle wären froh wenn es möglich wäre, die MS irgendwie loszuwerden. Deshalb sind wir auch alle froh, wenn wir etwas lesen, was helfen könnte. Neue Informationen sind gerne gesehen. Nicht wahr?

Deshalb greift man auch alles das auf, was man so findet. Weil's doch so wichtig ist. Und allen helfen könnte. Gell?

Und es wird geteilt und geliked und überhaupt nochmal geteilt und nochmal geliked und überhaupt, weils doch so wichtig ist. Ne? Und weil unser Kontakt doch einer ist, dem wir vertrauen, vertrauen wir auch der Information, die da steht. So absurd sie auch sein mag. Hauptsache raus damit. Jawohl. Koste es was es wolle. Jeder Schmarrn muss geteilt werden. Oder?


Mal ehrlich: Sind wir wirklich so weit, dass wir jeden Scheiß glauben, der uns da angeboten wird? Sonst glauben wir doch auch nicht alles. Und wenn uns der Handwerker sagt, dass ein zusätzliches Teil fällig wird, fragen wir doch auch noch einmal nach, ob das wirklich so ist. Nur bei Informationen scheint das nicht üblich zu sein. Wieso?

Ich beobachte das immer wieder: Egal ob es sich um eine unseriöse Quelle handelt oder nicht, es wird geteilt und gepostet, was das Netz hergibt. Ob der Artikel sein Verfallsdatum längst und gründlich überschritten hat oder weil er sich nur gut anhört. Egal. Hauptsache geteilt, aber am Ende hat man nichts gehört, nichts gesehen, nichts gesagt. Oder?



Hinterfragen scheint ein Fremdwort zu sein. Man glaubt. Fertig. Egal ob sich hinter der vermeintlich freundlichen Nummer ein scheinheiliger Lügner verbirgt, der nur im Strukturvertrieb versucht, seine Dinge an den Patienten zu bringen, weil der doch die arme Sau ist und leicht für "Superchancen" zu haben ist oder ob es sich um eine endlos alte Sache handelt, die sich längst selbst überholt hat. Völlig wurscht, man nimmt es für bare Münze.

Wieso ist schwer zu sagen. Vielleicht, weil es einfacher ist zu glauben als zu hinterfragen und kritisch zu betrachten und sich damit am Ende abfinden zu müssen, dass das, was da aufkam eben nicht hilfreich sein wird? Oder weil Hinterfragen ein etwas mühsamer Prozess sein kann, der Zeit braucht, wie man vielleicht nicht aufbringen kann oder will?

Ernsthaft, da draußen ist jede Menge unseriöser Inhalt unterwegs. Angebote, die nicht helfen, die verwirren und die, die gerade frisch diagnostiziert sind, eher ängstigen, als dass sie helfen. Informationen, die nicht gut tun, weil sie nicht fundiert sind und auch sonst eher negative Gefühle fördern.

Als Journalistin lernte ich ganz zum Anfang eines: Mach nen Doppelcheck. Glaub nicht alles auf den ersten Blick, so toll es sich auch anhört. Sei einfach kritisch. Was nichts mit Misstrauen zu tun hat, sondern einfach damit, sich sicher zu sein, dass das, was vor einem liegt, auch stimmt.

Es ist auch an uns Patienten, zu hinterfragen anstatt jeden Scheiß zu glauben und unreflektiert aufzunehmen. Kritisch zu sein, heißt auch, die Verantwortung für uns selbst zu übernehmen, denn das Wissen, das wir sammeln, fließt am Ende auch in die Entscheidungen ein, die wir treffen und deren Konsequenzen wir am Ende zu tragen haben.

In unserer Verantwortung liegt es auch, was wir verbreiten, also zum Beispiel auf Facebook posten oder auf Twitter retweeten. Habt Ihr Euch schon einmal gefragt, was die Info, die so sorglos geteilt wird, bei anderen bewirken kann? Ein "Heilungsversprechen", das sich nicht erfüllt, kann so weh tun. Eine neue "Supertherapie" kann schief gehen. Und dann? Geht es einem von uns schlecht. Weil sich die Info als Luftnummer erwiesen hat.

Informationen wahrzunehmen heißt für mich, kritisch zu bleiben, unabhängig, ob das, was da steht gut tun könnte oder gar Heilung verheißt. Obwohl ich sagen muss, dass ich, sobald das Wort "Heilung" in Verbindung mit einem Versprechen einher geht, allergische Reaktionen bekomme.

Ich frage also nochmal: Ist es wirklich besser, jeden Scheiß zu glauben oder vielleicht ab und an die Suchmaschinen zu bemühen oder die Websites von Patientenorganisationen zu durchforsten oder einfach andere Kontakte zu fragen?

Wenn wir als Patienten anfangen, Informationen zu checken und als wertvoll einzustufen hilft das allen. Uns und anderen Patienten, der Öffentlichkeit und dem Bewusstsein, das dort zu MS herrscht.

Und es hilft, denen Grenzen aufzuzeigen, die mit falschen Versprechen ankommen und für Unsicherheiten sorgen, die keinem gut tun.

Kritisch zu sein heißt nicht abzulehnen, negativ zu sein und alles zu blocken. Kritisch sein heißt für mich einen genauen Blick auf das Angebot zu werfen, offen für alles zu bleiben, zu lernen und mehr zu wissen. Dieser Mehrwert tut gut. Weil ich besser entscheide und somit besser lebe.

Das ist es doch wert oder?




Bild: Pixabay.com 
Text: Birgit Bauer - Copyright 2016


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