Sonntag, 21. Januar 2018

D-Day - Diagnose Day - 13 Jahre mit Trulla

Als ich vorhin aufwachte, war klar, heute ist unser D-Day. Also unser Diagnose Day. 2005, also vor 13 Jahren bekam ich die Diagnose und Fräulein Trulla zog ein.

So gesehen, das hat viel verändert. Im ersten Moment dachte ich ja, dass mein Leben quasi einmal volle Pulle gegen die Wand gefahren war. So Totalschaden.

Aber wenn ich eines daraus gelernt habe: Totalschaden ist nur, was man einen Totalschaden sein lässt.
Es liegt an einem selbst, was man irgendwie draus macht. Klar wäre es einfach, sich auf das Sofa sinken zu lassen und einfach zu warten. Fragt sich halt, auf was.





Ehrlich gesagt, 13 Jahre mit MS sind lang, sie sind ab und an mühsam und lästig, man ist oft genug genervt und fühlt sich gestresst. Leben mit einer chronischen Erkrankung ist wie ein zweier Job und das braucht Energie. Energie, die ab und an auch mal fehlt. Ein Grund, warum ich mich seit einigen Wochen damit beschäftige, mich zu fragen, was ich will, brauche und wo ich reduzieren kann und möchte.

So gesehen, mein Leben macht mir ja trotz der MS einen riesigen Spaß. Und das, was gerade passiert, passierte damals auch, das Nachsinnen über den tatsächlichen Bedarf, die Wünsche und das, was man eben auch schaffen will und kann. Schaffen wollen ist nett, aber man muss auf das Schaffen können schauen, da ist nämlich oft ein ziemlicher Unterschied. Und der Grund für manches "Nein", das ich in den letzten Jahren hinterließ, gemeinsam mit Enttäuschung und ab und an Unverständnis oder gar der Abschied von Menschen. Und der Grund ist es auch, wieso ich recht organisiert und oft auch diszipliniert lebe. Weil ich so für mich sicherstelle, dass ich auf Kurs bleiben kann.

13 Jahre mit Trulla waren wie eine Achterbahnfahrt. Mal gut und oben auf und manchmal eine Talfahrt ohne Ende. So scheint es dann in solchen Momenten.
Ist aber nicht so, es geht immer irgendwann aufwärts. Das habe ich gelernt. Nicht immer so, wie man es sich vorstellt, aber irgendwie doch. Bei jedem ist das anders.



Ich habe mir angewöhnt, es wenigstens zu versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Egal was ist. Unperfekt zu sein, ist irgendwie "normal" geworden und ich hab gelernt, dass 80% auch mal ganz ausreichend sein können. Nicht immer, aber ab und an geht das. Ehrlich gesagt, verliere ich aber ab und an die Geduld. Mit mir, dem Fräulein Trulla aber auch mit anderen Menschen kann das schon mal passieren. Aber daran arbeite ich.

MS zu haben bedeutet für mich trotzdem Leben, anders eben. Es gibt Dinge, die bei mir anders laufen als bei "normalen" Menschen. Der Haushalt zum Beispiel. Die ganz wichtigen Dinge sind für mich in Griffweite, also so, das sich auf keine Leiter oder einen Stuhl steigen muss, das ist nämlich nicht immer drin oder dass ich auch langsamer bin. Und trotzdem scheine ich ganz normal zu wirken. Zumindest auf die meisten. Einer sagte mir mal, ich habe Schrullen. Meine Antwort: Die hat jeder. Jeder darf Schrullen haben, ich finde, das macht Menschen ja auch einzigartig und das ist doch wichtig. 

Das Leben mit Fräulein Trulla ist eine  Reise ins Unbekannte. Genau das beschäftigt mich im Moment. Was braucht man für eine Reise ins Unbekannte? Das ist die Frage und der Grund, wieso ich im Moment sehr genau auf das schaue, was da ist und was ich weiter mitnehmen will. Egal in welchen Bereichen.
Aber als mein Arzt mir vor gut zwei Wochen signalisierte, dass ich auch nicht jünger werde (ich fühlte mich wie 120 an dem Tag, Danke auch!) und vielleicht mal drüber nachdenken sollte, dass ich auch ein bisschen auf mich aufpassen muss, weil diese meine Reise ja noch nicht vorbei ist (hoffentlich ganz lange nicht!) und weiter geht, kam ich einen Moment ins Grübeln.

Und die Krux ist, dass ich mein Leben sehr mag, genauso wie es ist, was aber im Widerspruch zum "Reduzieren" steht. Zumindest im Moment für mich. Ich mochte das letzte Jahr, auch wenn es super anstrengend und oft nicht einfach war. Ich hatte einen mords Spaß bei allem was ich gemacht habe, weil ich ohnehin drauf achte, dass das, was ich mache das ist, was ich will, aber offenbar muss ich echt mal Inventur machen.

Was auch Leben mit MS ist. Überdenken und nachsinnen, wo man wie was wann mit wem macht oder auch nicht. Leben mit MS ist oft entscheiden, nicht immer nett, ehrlich gesagt. Aber notwendig. Etwas, woran ich mich noch immer nicht gewöhnt habe. Ich kriege das immer hin, allerdings braucht es immer seine Zeit, bin ich mit mir einig bin. Das erfordert Geduld, auch so eine Sache an der ich arbeiten muss. Noch immer. :-)



Wer jetzt erwartet hat, dass ich mit 13 Jahren Fräulein Trulla auf meinem Tacho über MS schreibe oder auch was mir fehlt, rein körperlich betrachtet, den muss ich enttäuschen. Das Fräulein Trulla und ich sind uns im Moment einig, wir zicken im Moment nicht. Sondern lassen uns in Frieden.

Aber so betrachtet, happy birthday Trulla, bisher laufen wir immer noch schubförmig nebeneinander her und ich glaube schon, dass ich auch ein bisschen Glück hatte mit dir.

Eine Torte gibt es trotzdem nicht. Und das Likörchen musst du dir selbst spendieren. Ich verspreche dir aber als Geschenk, dass du in Zukunft mit Gegenwehr rechnen musst, damit, dass ich mir deine Aktionen auch weiterhin nicht gefallen lassen werde. #WeißteBescheid!

So gesehen, der Totalschaden war, so kann ich heute sagen, keiner. Ich muss gestehen, es sah am Anfang so aus aber ich weiß heute, dass es wirklich an einem selbst liegt, wie weit man einen Totalschaden wirklich einen sein lässt. Nach der Diagnose anzufangen, ganz neu quasi, ist eine Herausforderung und weiß Gott keine einfache Sache, aber ich glaube, es lohnt sich. Für einen selbst und für das Umfeld. Man hat die Möglichkeit, ein wenig umzugestalten und neue Wege zu gehen. Dinge auch anders zu machen.

Ich sage es so: 13 Jahre mit MS waren voll. Und ich denke, es wird voll weitergehen. Entscheidungen, neue Wege, mehr Wissen und Eindrücke.

Wir werden es sehen .... ich hoffe, Euch geht es gut!

Liebe Grüße
Birgit


Text: Birgit Bauer
Bilder: Pixabay.com




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen