Ich war ja jetzt echt unterwegs. Habe viel gemacht, geredet, in zwei Sprachen und in den Fachgebieten, in denen ich arbeite und aktiv bin.
Alles ging super. Ich habe Pausen in meine Pläne gebaut und auf mich aufgepasst. Allerdings hat mein nicht ganz geringes Pensum für einige Ding gesorgt, dich ich mir gerne gespart hätte.
Denn das Fräulein ließ mir unter anderem eine sehr eindrückliche Warnung zukommen.
Eine, die mich nachdenklich machte und die mir aus erklärte, dass ich vielleicht an der einen oder anderen Stelle eine Pause mehr gebraucht hätte ....
Ich war vor einigen Wochen bei einer Veranstaltung die ich spannend fand und ich folgte den Ausführungen der Vortragenden mit großem Interesse. Es war eine englischsprachige Veranstaltung und normalerweise wechsle ich zwischen Deutsch und Englisch mühelos, so ungefähr wie ich Chips und Schokolade futtern kann. Also alles kein Problem.
Und ich schreibe das erst jetzt, weil ich mich zuerst auf mich konzentrierte, bevor ich erzähle, was war. Also: Mir geht es wieder gut und alles ist fein, aber doch ist etwas passiert, was man als Warnschuss dafür werten muss, eben gut aufzupassen.
Und doch .... Während des Mittagessens sprach mich jemand an, ich war aufgefordert mich zu äußern und mich vorzustellen und ich danke dem Schicksal, dass ich in dem Moment erst einmal damit beschäftigt war, das, was sich in meinem Mund befand (ich hatte Hunger und schaufelte zum Glück) zu verarbeiten. :-) Ich wußte auch, was ich meinem Gesprächspartner sagen wollte, aber als ich runter geschluckt hatte, brachte das Zeug aber nicht aus meinem Mund. Ich konnte es nicht sagen. Ich hatte das vor Jahren schon mal und es war gruselig. Ich, die mit Worten jongliert, die sich mit Argumenten verständlich macht, bekam nicht einen einfachen Satz über die Lippen. Schreiben hätte ich ihn können. Aber sagen konnte ich ihn nicht.
In dem Moment fing ich an zu denken und überlegte, was ich vor Jahren getan habe und wie ich aus dieser Situation kommen sollte, denn der Typ (wenig sympathisch by the way) gegenüber erwartete eine Antwort. Eine, die man verstehen konnte, die dem Thema angemessen war. Es war nur ein kurzer Moment, aber es war ein heftiger Moment. Danach lief alles wie gehabt. Ich parlierte auf Englisch und Deutsch, sprach flüssig und alles war wieder absolut fein. Aber dieser eine Moment hat mich echt kurzfristig aus der Bahn geworfen.
Im Stillen verpasste ich dem Fräulein Trulla einen Anschiss der sich gewaschen hatte. Sie stand nur da, milde lächelnd und mit einem Schulterzucken. Und mir war sehr klar, was da abging, ich war erschöpft, ein Kongress und noch eins on Top sind nicht immer die beste Strategie. Zumal das auch emotional alles sehr fordernd war.
Was haben wir also gelernt? Das war die Frage, die ich mir so auf dem Weg nach Hause stellte.
1. Ich muss echt auf Pausen achten. Auch wenn das immer noch nicht alle kapieren, ist mir aber ab sofort egal. Das muss man echt konsequent durchsetzen, denn die Erfahrung zeigt auch, wenn ich mir die Zeit nehme, etwas zu "verdauen", kommen solche Probleme gar nicht auf. Und ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass es "gesunden" Menschen nicht ab und an ähnlich geht, wenn sie unter Stress stehen.
2. Wir wissen aber auch, dass Wortfindungsstörungen oder Störungen in der Flüssigkeit des Sprechens bei MS zu den Symptomen zählen. Stehen Menschen mit MS unter Stress, leiden sie unter anderem auch an Depressionen oder unter Schlafentzug, kann das passieren. Etwas, das uns wieder zur bekannten Theorie vom Stress und MS und der schlechten Kombination bringt und uns daran erinnert, dass wir eben aufpassen müssen, was wir uns so aufladen.
3. Es gibt dann auch noch die Aphasie und Dysphasie - Aphasie ist eine Beeinträchtigung der Sprachproduktion und dem Sprachverständnis, das in verschiedenen Bereichen auftreten kann. Die Dysphasie ist eine verminderte, leichte Beeinträchtigung der Sprechfähigkeit.
https://flexikon.doccheck.com/de/Aphasie
https://flexikon.doccheck.com/de/Dysphasie
Beide "Phasien" können bei MS vorkommen und zu Beeinträchtigungen führen. Irgendwie unsichtbar solange man schweigt, sichtbar aber, wenn man versucht, Sätze zu bilden und zu sprechen.
In meinem Fall ist, wie schon erwähnt, wieder alles ok. Es fließt und meine Worte sind wieder vollumfänglich da. Dennoch habe ich mich auf meine vier Buchstaben gesetzt und mal ein bisschen recherchiert, um zu sehen, was ich jetzt tun kann.
Herauskam das, was wir jetzt alle vermuten:
Nachdem ich die vergangenen Wochen wirklich unter Stress stand, mich anstrengen musste, nicht immer gut essen konnte und auch nicht genügend Schlaf bekam, ist mir die Nummer entglitten und ich habe die Worte schlicht verloren. Ich konnte sie im Kopf klar formulieren, aber sie kamen irgendwie nicht aus mir raus. Sprechenderweise, schreiben war kein Thema. Und das stresste mich zusätzlich und zwar so richtig.
Als ich nach Hause kam, ins Bett fiel und wieder mehr darauf achte, pünktlich ins Bett zu kommen und ausreichend Ruhe zu kriegen, weil ich das Defizit einfach deutlich erkenne und mich danach richte und es einfach mal laufenlasse (Herzblatt hat das jetzt nicht ganz verstanden, dass ich um spätestens 21.00 Uhr das Weite suche, wobei er ja um 6.00 mit scheinbar seniler Bettflucht aufsteht, was ich jetzt nicht versehe :-) ), wieder vernünftig und regelmäßig esse, hat sich alles total schnell regeneriert. Die Klappe funktioniert wie gewohnt. In drei Sprachen. Bayrisch, Deutsch, Englisch. Separat und gemischt. Je nach Lust und Bedarf. ;-)
Im Netz fand ich dann einen Chat, der das so auch erklärt, er ist von Amsel und Professor Herbert Schreiber gab zum Thema ganz spannende Antworten, die Ihr hier nochmal nachlesen könnt: https://www.amsel.de/beratung/expertenchat/chatprotokolle/beeinflusst-die-ms-mein-denken/
Die Konsequenz?
Klar: Noch mehr Pausen und Auszeiten, wenn ich wieder zurück bin von längeren Reisen. Ich plane ohnehin nie etwas sofort nach einer Reise, dieses Mal war eine kleine Ausnahme im Kalender, die aber jetzt nicht so stressig gewesen wäre, aber ich lasse es in Zukunft trotzdem. Schließlich bin ich nicht auf der Flucht, sondern ein Mensch mit Bedürfnissen.
Normalerweise kann ich das gut ab, aber wie Herzblatt es so nett formuliert hat: "Das war die längste Reise, die du je gemacht hast, wir haben dich vermisst und wollen, dass du jetzt ausruhst". Was total lieb ist, denn er kennt mich und weiß, wann mein Akku einfach mal aufgeladen werden muss.
Er meinte: "Dass du mal einige Tage locker abkannst und weitermachst, wenn du zurück bist, ist mir völlig klar, aber das war echt lang und voll und ich war froh, dass ich da war, um ein bisschen Zeit mit dir zu haben und zu entspannen."
Recht hat er, der gute Mann. Ich kann vieles ab und bin oft wie ein Marathonläufer, aber eben mit Maß und Ziel. Und das machen normale, also gesunde, Menschen ja auch so. Oder auch nicht, aber sie sollten es. Weil Schlafmangel, Stress, viel Anstrengung und schlechtes Essen sind für niemand wirklich gute Konditionen und brauchen tuts ja auch keiner.
Aber die Welt ist schnell und rast. Und viele meinen, wir müssten da jetzt alle mit. Ist nicht so. Manchmal darf man einen Moment aus diesem Raserzug aussteigen und gepflegt abhängen und chillen. Macht die Welt besser und einen selbst auch. Weil man damit aktiv etwas für sich tut.
Also eigentlich nix Neues oder? ;-)
Birgit
Text: Birgit Bauer
Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay
Birgit Bauer (Bild Koffer)
Mein Leben ist fast normal. Mann, Kater, Haus. Alles normal. Fast. Bis auf die Tatsache, dass ich seit 2005 mit der Diagnose "Multiple Sklerose" lebe. Nichts geht ohne sie, aber viel mit ihr .... Lebensmomente - Augenblicke - Wissenswertes über das Leben und das Arbeiten mit MS!
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