Über das eine oder andere Ereignis, über Menschen und wann mein Leben so schnell wurde Zugegeben, ich fahre gerne schnell. Auf der Autobahn. Aber ich bummle auch gerne über Landstraßen. Schaue nach rechts und links, bleibe stehen, verweile, schaue mich um und entdecke Neues. Immer Autobahn ist langweilig und doch, die Welt oder die Gesellschaft drängt uns gerne dazu.
Mir begegnen oft Menschen, die scheinbar ohne Schlaf, gutes Essen und Genuss auskommen. Sie sind immer getrieben vom Prinzip des "Höher, schneller und weiter", leben scheinbar nur auf der Überholspur und sind noch begeistert von dem was sie da tun. Für einen Moment habe ich mich in diese Riege eingereiht. Für einen Moment. Es ging nicht anders, war aber auch eine Phase, in der Ideen links liegen blieben, der Genuss zu kurz kam und ich mich auch in den Hintergrund schubste und einfach mit lief. Weil die anderen auch schubsten, drängelten und sich rüde benahmen. Wie beim Boarden in den Flieger. Wer zuerst drin ist, kriegt den Koffer unter. Selbst wenn man ihn einfach einchecken und für einen Moment ruhiger sein könnte.
Ich war echt genervt von diesem Benehmen, von dem notorischen Gedrängel dieser Menschen, die sich ständig in Schnelligkeit übertrumpfen wollten, nur um im Flieger schlecht gelaunt gleich wieder wie doof ins Notebook zu hämmern und noch einen Moment mehr zu haben in der Hetzerei und auf der Überholspur.
Und während ich, wieder einmal in den letzten Wochen, genervt auf meinem Fensterplatz saß, einen rüden Mitreisenden, der meinen Rucksack mit dem Notebook rücksichtslos durch die Gegend schubste um seinen Koffer unterzubringen, anblaffte und am Ende strickend entspannte, fragte ich mich, was das eigentlich soll. Warum sind wir so getrieben?
Was, wenn man einfach mal da sitzt und in die Luft starrt? Was, wenn man einfach mal nichts tut?
Sich entschleunigt. Abwartet. Die Gedanken einfach nicht bemüht sondern ganz einfach mal kommen und gehen lässt, wie sie eben kommen und gehen? Sich die Zeit nimmt, oder diesen Gedanken die Zeit gibt, sich selbst zu sortieren. So ganz ohne sich die Mühe zu machen, sie aktiv zu denken?
"Slow down!"
Sagte mir einer meiner Menschen aus meinem Team MS.
"Entweder du fährst runter und überdenkst, was du da gerade so treibst, oder du wirst langfristig ein Problem haben!"
Es war ein Moment der Erkenntnis. Die Person war jemand, der mich lange und gut kennt und sehr wohl beurteilen kann, was ich da so treibe.
Ich war gehetzt, hatte das Gefühl alles das, was ich in einer Woche mache in einen Tag quetschen zu müssen und noch ne Schippe drauf zu legen. Weil es sich ab und an so gehört und weil die Welt und unser System irgendwann verlernt haben, dass diese Hektik nichts besser macht. Dass wir uns selbst etwas abverlangen, was wir eigentlich nicht imstande sind zu leisten und uns damit langfristig wenig gut tun.
Ehrlich gesagt, ich wurde leise. Ich bemerkte sehr wohl, dass ich mir nichts Gutes mehr tat. Und fing an über Entschleunigung nachzudenken. Mir wurde nämlich auch klar, dass es langsam auch geht.
Viel besser sogar. Weil man sich Zeit nimmt, über etwas nachzudenken, es sorgfältig zu machen und nach rechts und links zu sehen. Dort, wo der Wegesrand ist und wo man oft Dinge findet, die eigentlich zu dem, was man macht, passen. Dinge, die man aber aufgrund des Temporausches, in dem man sich befindet, schlicht übersieht.
Wir verlangen Hochleistung von uns. Von anderen. Schnell zu sein, ist manchmal wichtig und richtig. Keine Frage, aber die Sache ist die: Müssen wir immer schnell sein? Was wäre, wenn wir alle einen Gang nach unten schalten und ab und an verweilen würden. Nur um zu sehen, was da noch ist?
Die Slow Bewegung macht das eigentlich vor und justament fiel mir ein Bericht darüber in die Hände als ich anfing, zu ergründen was ich anders machen muss. Denn mir war klar, Veränderung ist wichtig. Aussortieren und erkennen, was eigentlich längst überfällig war: Dass ich von der Überholspur wieder runter muss. Weil es mir nicht gut tut. Nicht nur wegen Fräulein Trulla, die nur darauf gewartet hat, mir einen Schub zu verpassen und jetzt nörgelt, weil ich sie wieder auf die Hausbank verbannt habe, weil wir gerade langsamer werden.
Slow eben. Die Slow Bewegung, die zuerst ein Protest gegen Fast Food war ist langsam. Quasi die neue Langsamkeit. Es gibt sie im Slow Food, wir sind zurück bei der Schallplatte, mögen restaurierte Möbel und brühen unseren Kaffee wieder mit dem guten, alten Filter. Wir machen mehr Yoga und sind bewusster geworden im Umgang mit uns selbst. Etwas, das ich schon immer war, aber auch verloren hatte. Wir nehmen uns die Zeit, um Dinge selbst zu machen und verordnen uns Digital Detox.
Alles wird langsamer, aber nicht schlechter. Sondern besser. Weil man den Dingen die Zeit gibt, die sie eigentlich verdienen. Und man hat Zeit, sich auch dem Genuss zu widmen, das Glas Wein nicht nur zu trinken, sondern bewusst zu geniessen.
Ich wurde also langsamer, griff nach der Balance und holte mir meine Zeit zurück. Oder besser gesagt, ich hole mir meine Zeit zurück. War man länger auf der Überholspur, geht das nur in Schritten. Aber es geht. Slow oder Langsamkeit bedeutet dabei nicht, hinterher zu bleiben oder rückständig zu werden. Es bedeutet für mich vielmehr, die eigenen Balance zu finden und Dinge richtig gut zu machen. Sich die eigene Zeit einzuteilen.
Und dieses bewusste Umstellen, das sich Ausbalancieren tut gut. Auch in Sachen MS. Was jetzt nicht wundert oder, da war was mit Stress und Druck und keine Freunde von MS.
Es wirkt aber weiter. In die Arbeit, die Hausarbeit, in Pläne und in verschiedene Lebensbereiche.
Ein alter Spruch sagt: "In der Ruhe liegt die Kraft". Ehrlich gesagt, ich musste meine berühmte Birgitpower erst wieder finden und im Moment hole ich sie aus dem Schutthaufen der Überholspur. Aus dem Straßenstaub, aber sie ist da und hat Lust auf Neues, auf langsam Neues. Sozusagen. Und ich genieße es. Ich habe angefangen mein Leben zu sortieren und miste großzügig aus. Ich ergebe mich nicht dem Druck täglich auf Instagram und Co. etwas zu posten und verliere im Moment keinen Menschen. Das, was ich zu sagen habe, sage ich und wenn ich schweige, genieße ich. Meine Zeit. Und die hole ich mir zurück. Weil ich sie brauche und weil sie meine Zeit ist.
Ich habe in den letzten Wochen viel über mich gelernt. Unter anderem, dass ich langsam genauso schnell bin als würde ich auf der Autobahn aufs Gas treten. Aber es ist besser, ich sehe ab und an am Rand etwas, was mir hilft, mich weiter bringt. Ideen, Gedanken, Bewegung.
Es ist besser geworden, weil ich mir Zeit nehme, Projekte zu überdenken. Hinterher laufe ich dabei keinem. Ich komme genauso an und bin meistens wie die anderen auch, an der Kreuzung wenn es Zeit dafür ist. Das ist die beste Erkenntnis. Im Gegenteil. Ab und an bin ich voraus. Weil ich mehr Momente der Ruhe habe.
Und wenns mal schnell gehen muss, kein Thema. Keiner sagt, dass "Slow down" immer die Regel ist. Die Mischung machts. Ab und an mal aufs Gas zu treten ist nämlich auch schön. ;-)
Liebe Grüße
Birgit
Text: Birgit Bauer 2019
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