Sonntag, 22. Dezember 2019

Herrlich unperfekte Weihnachten ... oder ich hol mir mein Weihnachten zurück



Es ist wieder soweit. Man hätte es ahnen können. Und ist dennoch sehr erstaunt ob des wiederkehrenden Festes der Liebe.

Dieses Weihnachten ist wieder da. Und damit der Stress, die Hektik und das panische Denken, dass man etwas vergessen haben könnte.

Ehrlich gesagt, ich war auch so. Vor der MS und auch noch ein bisschen danach. Habe mich unter Druck setzen lassen. Der Haushalt musste blitzeblank sein (warum auch immer), Essen minutiös geplant und der Baum perfekt sein. Die Geschenke bedurften größter Sorgfalt selbst für die, die man nicht mag weil man das eben so macht. Und ein Geschenk musste aussagekräftig sein. Nicht immer, aber bei gewissen Menschen schon.

Überhaupt, Perfektionismus wird Weihnachten groß geschrieben. Ist ja auch das Fest der Liebe. Sagt man. Weshalb sich Familien nicht selten zusammen finden, obwohl sie gar keine Böcke auf diese Treffen haben. Aber macht man halt so und quält sich durch. Und wehe es ist nicht alles perfekt ..... es kann einem am Ende passieren, dass der große Streit verfrüht zurück ist, die Unzufriedenheit über das Fest der Liebe den Weg nach außen findet und am Ende keiner richtig entspannt ist und schöne Weihnachten hatte.

Ich sage immer, Perfektionismus ist der Feind von Weihnachten. Grund genug, vor Jahren damit anzufangen, mir mein persönliches Weihnachten wieder zurück zu holen.

Der Punkt, an dem ich beschloss, diesen Weihnachtsperfektionismus ein Ende zu bereiten war, also ich, wie fast jedes Jahr, gestresst und erschöpft unterm Weihnachtsbaum hing, Symptome bekam und eigentlich meine Ruhe wollte. Einfach da sitzen, herrlich umperfekt im Jogginganzug, wenn mir danach war und einfach sein.

Das wollte ich. Ich wollte gutes Essen kochen, nicht weil ich es musste, sondern weil ich gerne koche. Mir war nicht nach gefühlt tausend Extrawürsten, weil jemand dies und der andere das nicht leiden mag. Und mir war nicht nach diesem Heititeiti wir sind alle eine große und glückliche Familie Ding. Ich wollte keine Weihnachtsvermieser (auch als Grinch bekannt) mehr um mich und überhaupt, was sollte das? Warum sollte ich Leute bescheren, die ich ohnehin nie sah und deren Begeisterung über meine Gedanken im Keller hing? Recht machen kann man es ohnehin fast keinem. Daher beschloss ich:

Ich hol mir mein Weihnachten zurück.


Ganz für mich und nur für uns, also das Herzblatt, der Kater und ich. Ich wollte es ruhig, friedlich, erholsam und entspannt. Mir war nach Freude, Lachen und liebevollem Austausch.

Es hat ein bisschen gedauert und natürlich nicht jedem gepasst, als ich mitteilte, dass Weihnachten ab sofort für mich ist. Schließlich konnte man hinterher nicht mehr über das Essensangebot lästern oder anderen die Schuld für irgendwas geben oder sich einen Nachmittag lang gegenseitig quälen, einen Flunsch ziehen und Weihnachtsgeschenke mit Missbilligung quittieren.

Ich schwor dem Perfektionismuswettbewerb ab und machte klare Ansagen. Auf Diskussionen ließ ich mich nicht mehr ein, sondern formulierte das, was mir wichtig war und ist. Im Sinne meiner eigenen Wünsche und auch in Hinsicht auf die MS. Ich will nicht jedes Jahr nach Weihnachten erschöpft aufs Sofa fallen und mich mit Symptomen herumplagen, weil ich mich gestresst habe um die Erwartungen zu erfüllen. Es war auch nötig, beim "Nein" zu bleiben, als man mich beleidigte, versuchte umzustimmen oder auch beschimpfte.

Am Ende war ich der Egoist. Das böse Mädchen. Und das Fräulein Trulla missbilligte grundsätzlich alles, zumal sie keine Geschenke bekommt und auch keine Karte. Hat sie nicht verdient.

Diese Herausforderung anzunehmen, war nicht einfach. Man stößt sicherlich Menschen vor den Kopf, aber ich habe sie durchgezogen. Für mich und uns.
Seither feiern wir Weihnachten so wie wir es uns vorstellen. Sitzen auf einer kleinen Wolke, baumeln vergnügt mit den Beinen, futtern Plätzchen, sind entspannt und herrlich unperfekt.
Da sind keine ausufernden Gelage, sondern gut Gekochtes, liebevoll zubereitet. Ein Tisch, vom Herzblatt gedeckt, die Servietten ein bisschen schief und ganz ohne gestärktes Blüschen oder Schlips, wie das von Fräulein Trulla erwartet würde oder gar die Krawatte für den besonderen Anlass. Da sind Spaziergänge, Nickerchen, gemeinsames Lachen, spannende Bücher, Serienmarathon, ein bisschen Sport, für mich natürlich genügend Wolle und Stricknadeln und alles das, was uns gut tut.

Wir haben Stressnachten wieder dorthin zurück geholt, wo Weihnachten ist: ruhige Tage, friedlich und besinnlich.



Und die seltsamen Menschen um mich herum, die überhaupt nicht einverstanden waren, dass ich mir Weihnachten zurück geholt habe, die haben sich eingekriegt. Sie fanden andere Menschen, die sie jetzt mit ihren Erwartungen konfrontieren und wir sehen uns irgendwo dazwischen. Die wenig freudig ausgewählte Weinflasche blieb. Von einem "Wir schenken einfach nix", hielt man wenig. Diese Erwartung erfülle ich gerade noch so. Aber dann ist es auch gut. Damit kann ich leben.

Mein Weihnachtsbaum ist nie perfekt, aber er gefällt uns. Über die Jahre hinweg habe ich von Freunden aus den verschiedensten Ländern kleine Anhänger bekommen, die ich gerne an die Äste hänge. Er glänzt, ist bunt und macht mir Freude.

Wir sitzen da, trinken ein Glas Sekt, oder zwei, genießen die Zeit, ärgern den Kater ein bisschen, das Fräulein muss leider draußen bleiben und erfreuen uns an den Geschenken, die wir uns selbst unter den Baum legen. Es gibt keinen Missmut oder einen "Grinch" in unserer Nähe und so haben wir einfach eine gute Zeit zusammen und erinnern uns gerne jedes Jahr wieder an Weihnachten.

Und Ihr so?

Einen schönen 4. Advent!

Birgit


Text: Birgit Bauer




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