Puh, was war das für ein Jahr. Es war voll. Oft gequetscht und lief auf einem Niveau, das ich mir vor einigen Jahren so nie zugetraut hätte.
Das Herzblatt sagte neulich zu mir "Wenn du das, was du derzeit oft in einer Woche schaffst, vor 5 Jahren hättest machen müssen, wärst du mir schlicht zusammengebrochen und man hätte eine Woche nicht mit dir kommunizieren können"
So gesehen, er sagte das mit dem Stolz, den ein Herzblatt wohl haben kann und ich sage, er hat Recht. Ich habe meine Grenzen über die Jahre Stück für Stück ausgedehnt.
Bin aus dem "Ich traue mir echt wenig zu" Modus in den "Ich kann das" Modus gewechselt.
Als ich die Diagnose bekam, war es auch seltsam. Irgendwie würde ich sagen, es war entwürdigend auf die eine oder andere Art und Weise. Denn so wie mir mancher Zeitgenosse aus meiner Umgebung über den Weg lief und begegnete, war das nicht gerade das, was man als mitfühlend bezeichnen kann. Und diese Menschen haben eins gemacht, sie haben unbewusst dem Fräulein Trulla geholfen. Das Biest hat sich natürlich darüber gefreut, ich wurde dabei aber immer kleiner, verlor meine Würde. Als Mensch.
Wenn man eine Diagnose wie MS erhält, landet man irgendwo im Patientennirvana. Man denkt in Erkrankung und nicht als Mensch. Und auf einmal wird die eigene Welt, der eigene Spielraum verdammt winzig. Man verliert das Vertrauen in sich selbst und ist sich selbst nicht mehr bewusst. Das, was eigentlich wichtig ist, der Glauben an sich selbst, versinkt in einer fiesen Pfütze aus Mitleid, medizinischen Fakten und dem Umstand, dass man eigentlich erst mal keinen Plan hat.
Den muss man sich basteln, entwickeln und dann auch irgendwie versuchen zu realisieren. Egal wie lange man dafür braucht. Ist eigentlich auch egal, Zeit spielt dabei weniger eine Rolle, die wichtigste Sache ist es, sich selbst aufzuklauben und zu verstehen, dass man immer noch sich selbst vertrauen kann, die eigenen Fähigkeiten (die man ja nicht verliert) immer noch wertschätzen kann und soll und ihnen auch vertrauen kann.
Gut es gab da auch das eine oder andere sehr kalte Gewässer, in das mich andere schubsten, aber dafür legte ich mir Schwimmflügel zu. In Form meines Netzwerkes, das ich immer mal fragen kann, wenn ich vergesse, wie Schwimmen geht.
Vergleiche ich den Rahmen von damals mit dem, in dem ich mich derzeit bewege ist klar: Der enge Plan ist voll ausgeleiert, ausgedehnt, er hat Dellen und Kratzer und immer noch knabbere ich an manchen Ecken daran herum. Was aber anders ist, ich nehme mir Zeit, arbeite nicht täglich daran, eine neue Delle in den Rahmen zu treten, sondern bewege mich auch gerne einfach auf meinem ganz persönlichen Spielplatz. Weil der im Moment echt ok ist für mich. Vor allem nach dem Jahr. :-)
Es war voll, bunt, quirlig, betriebsam und ab und an sagte man mir Termine ab, die für ein bisschen mehr freie Zeit sorgten, die ich dann schlicht für mich genossen habe.
Mir ist jetzt schon bewusst, dass das nächstes Jahr mir neues Spielzeug bescheren wird. Und ich weiß auch, dass ich gerade dabei bin, in neue Gewässer zu springen. Die eigentlich jetzt eiskalt wären, würde ich den Sprung jetzt schon wagen, aber ich stehe im Moment mit dicken Gummistiefeln im knöchelhohen Wasser und betrachte es in Ruhe. Auch etwas, was ich gelernt hab. Nicht muss man immer sofort in die Fluten hechten, man kann auch am Ufer stehen, sich ausrüsten, damit man nicht friert und erst mal beobachten.
Mal abgesehen davon, dass ich mir jetzt selbst vertraue und nach einer überstandenen, sehr fiesen Erkältung diese Woche, meine Pause einläute. Solche Souvenirs braucht echt kein Mensch. Weshalb ich dafür sorgte, dass diese Bakterien sehr schnell das Weite suchten.
It's Christmas Baby und ich lass es jetzt ruhiger angehen. Pflege meine Rotznase, damit ich unterm Christbaum nicht Rudolph und seiner roten Nase noch Konkurrenz mache und mache Urlaub. Und tue nix. Und darüber Ihr Lieben, da reden wir noch. Aber das ist eine andere Geschichte.
Einen schönen dritten Advent!
Birgit
Text: Birgit Bauer
Bilder: Pixabay.com
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen