Dienstag, 4. Februar 2020

Das alte Eisen .... vs. jung / Am I old now? About aging with MS and why we need support too!

Please scroll down for the English version! 

Ok, ich gebe zu ich bin mal ein bisschen älter als 40. Und offenbar bin ich jetzt alt. :-)

Als ich nämlich im vergangenen Jahr aufgefordert wurde, mich bei einer Veranstaltung für junge Patienten zu registrieren, wurde ich stutzig, als man mir knallhart erklärte, ich sei zu alt dafür, als ich mich registrieren wollte.

Und das mir! Ich war doch eingeladen. Aber zu alt. Na herzlichen Dank auch. Sogar das Fräulein Trulla war entsetzt. ;-)

Ich schmunzelte zuerst, sagte ich sei aber eine von denen die jung geblieben wären und man hätte mich ja eingeladen, also hätte man sich wohl etwas dabei gedacht. So nach dem Motto: Ich lade gern mir Gäste ein. War aber nix damit. :-)

Es blieb dabei: Ich war nicht zugelassen. Weil zu alt. "Wir müssen die Jugend fördern, die haben noch Zukunft und so viel Bedarf an Unterstützung!", hörte ich mehrfach in der kurzen Diskussion und fing an darüber nachzudenken. Weil ....


.... es scheint bei vielen Organisationen und in vielen Fragen ein  Trend zu sein, der schon seit einiger Zeit stark verfolgt und nachgefragt wird. Ich beobachte das schon eine ganze, lange Weile und muss feststellen, man kümmert sich um Menschen mit MS besonders gerne wenn sie jung sind. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, ganz im Gegenteil. Ich finde das richtig. Die Jugend braucht Unterstützung und Wissen. Sie müssen sich vernetzen. Keine Frage.

Aber die Generation über 40 hat auch Probleme, Fragen oder möchte weiter lernen. Nur weil wir älter sind, heißt das nicht, dass wir keinen Bock auf Veränderung haben oder sämtliche Bedürfnisse erfüllt sind. Das Leben mit MS geht weiter, auch nachdem man über die 40 gehopst ist. Echt!
Über 40 zu sein bedeutet nicht, dass wir alles wissen und nicht mehr neugierig auf aktuelle Informationen sind oder auf sämtliche Unterstützung verzichten wollen.

Es fühlt sich ein bisschen an als hätte man uns längst irgendwie zum alten Eisen auf den Schrottplatz gepackt. Brauchen wir nicht mehr. Und die haben ohnehin alles durch. So fühlt es sich an. Kann dann weg.




Klar sind die Bedürfnisse anders wenn man über 35 oder älter ist. Junge Menschen planen Familie, Karriere, das Leben an sich. Einen Teil davon haben wir schon erledigt. Aber fertig sind wir noch lange nicht was das Leben betrifft. Viele Menschen, besonders Frauen beginnen in diesem Alter nochmal von vorne. Die Kinder sind aus dem Haus und vielleicht bietet sich eine Chance in Sachen Job oder derlei. Eine Sache, die auch in Verbindung mit MS ein wichtiges Thema ist.

Während die einen noch darüber nachdenken, ob sie Kinder kriegen sollen und wie sie diese groß bekommen, verabschieden die anderen ihre Kinder nach und nach und müssen ihren Weg ändern und fortsetzen. Gerade für Frauen eine Sache, die nicht zu unterschätzen ist, wo wir doch mehr Frauenanteil in Sachen MS ( https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-49204-8_2) haben als Männer. Und auch die haben so ihre Fragen, das ist gewiss.


Als ich vergangenes Jahr das Thema bei einer Dame mit MS angesprochen habe, wurde ich bestätigt. Sie sagte mir, sie fühle sich längst nicht alt, sie kann lange mit den jungen Menschen mithalten, aber die Perspektive ändert sich, das Denken. Weil man mehr erlebt hat.

"Wir sind halt anders, wir sind älter und denken anders, aber irgendwie scheinen wir durch ein Raster zu fallen, wir werden nicht mehr so wahrgenommen, wie es sein müsste, da fehlt die Balance", sagte sie nachdenklich. Und meinte damit besonders auch die Frauen mit MS, die in diesem Alter unterwegs sind.

Wenn man älter wird, lebt man anders. Ob mit oder ohne MS. Das ist normal. Die Einstellung zu verschiedenen Themen ändert sich. Trotzdem haben wir, die wir mit MS leben, zusätzliche Fragen und Themen, die wir gerne besprechen möchten oder für die wir Informationen benötigen.


Wir denken über Altersvorsorge intensiver nach, über Progression in Sachen MS, auch darüber was aus uns wird, wenn die Symptome mehr oder stärker werden. Wir denken darüber nach, was aus uns wird, wenn wir wirklich Senioren sind. Pflegefall oder vergnügte Oma oder vergnügter Opa wie man sie oft in der Werbung zu sehen bekommt? Sozialfall oder doch noch die Kurve gekriegt, was finanzielle Vorsorge betrifft? Wer weiß das schon immer so ganz genau.

Ehrlich gesagt, auch mich beschäftigt das durchaus.

Vielleicht fiel es mir nur deshalb so auf, weil ich in diese Zwischengeneration gehöre und derzeit darüber nachdenke, wie ich das finden soll. Bin ich jetzt auch alt? ;-) Oder durchs Raster geplumpst?

Wir sind vielleicht älter, aber ich finde, wir verdienen genauso viel Förderung und Support wie die jungen Menschen mit MS. Die Förderung und Unterstützung, die wir benötigen oder uns wünschen wird sicher anders sein. Logisch, aber der Bedarf ist da. Er wird nur nicht so berücksichtigt. Warum? Keine Ahnung.

Die MS bleibt und dazu kommen eben auch die Beschwerden, die jeder normale Mensch früher oder später in dem Alter wahrnimmt. Übrigens auch etwas, was durchaus Einfluss auf die Symptome haben kann, die man kennt. Und ich würde mir mehr Informationen über älter werden und MS wünschen, übrigens auch was das gerne vermiedene und vernachlässigte Frauenthema "Menopause" betrifft.

Denkt man an den demographischen Wandel und darüber nach, dass unsere Gesellschaft immer älter wird, könnte es durchaus sein, dass es in Zukunft mehr Menschen mit MS gibt, die auch älter sind, daher werden wir die Unterstützung für diese Menschen auch benötigen.

Generell: Ich bin überzeugt davon, dass jeder, der mit einer Erkrankung wie MS lebt, Unterstützung, Information und gute Programme benötigt. Um das Leben weiter zu planen, ab und an eine Schulter zum Ausheulen zu haben oder auch Kontakte pflegen zu können. Weil das Leben, wie wir alle wissen, mit 40 nicht zu Ende ist. Wir sind älter, nicht mehr jung und heiß, aber zum alten Eisen gehören wir auch nicht. Das Leben geht einfach weiter oder fängt sogar noch einmal neu an.  Und da kann Support in welcher Form auch immer, nie schaden. Oder?

Nachdenkliche Grüße

Birgit


Text: Birgit Bauer

Bild von engin akyurt auf Pixabay
Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

English Version: 


Ok, I am in my 40s. Still. And obviously I am a senior now. Or old. J

Last year someone invited me to an event for young patients and said I should register. I did it, because it sounded interesting and I was pleased. As I started to register, I was kicked out. Someone explained to me that I am definitely too old for this event, even though I had this invitation. 

Thank you for this. Also, my Miss Trulla (my MS) was really upset.  

At first, I started to smile about it, argued that I am one of those young at heart people and there was this invitation, so I guess somebody had an idea why they sent it to me. We love to invite people. As we in Germany say. But there was nothing. I was out. 

„We have to support the young people. They still have a future and there is a big need for support there!”, was one of the arguments in the discussions I had. I started to think about it. 

 Is it the case that just young people have a need for support and information? This seems to be a trend in some organisations, very often mentioned and implemented. I am observing this for a long while now and I have to say, there is very high engagement in people with MS, especially when they are young. And to make it clear: I am not against it; I think this is really necessary and valuable. The young people need that. No questions. 

But what is with the generation that is in their 40s or 50s? We all have problems, questions and needs. We all want to learn and be informed. Our age doesn’t necessarily mean that we are not interested in changing things or learning something new. Or that all our needs are fulfilled.
Life with MS continues also after having survived the big 4-0 birthday. Really! To be over 40 doesn’t mean that we know everything and that we aren’t curious anymore. It doesn ‘t mean that we don’t need support. 

It feels like being put on the scrap heap. We don’t need those „old “people anymore. They have experienced everything. They can be left. This is how it feels. Not nice. 



Of course, when you grow older, needs change. Young people are planning a family and their future, their lives.  In part of this we have finished. Many people, especially women in this age group restart their lives anew. Kids are grown up and out of the home because of job, study …. Life is changing and becomes different, as MS does too. And maybe there is a chance to apply for a new job and get it. Or open one’s own business. Important things when you become older. And in the your 40s and 50s, so much can happen. Themes with a high priority when you live with MS. 
While others think about having a family and how to bring up the kids, others say goodbye to them and let them go and they have to change their way of life. Especially for women this is a huge change. We should not underrate this. Especially because we have more female patients[1] with MS than males. This is already known and it is sure, that there are needs, questions and themes. 

In a lovely discussion with a lady with MS last year, my observations were confirmed. She said to me, that she doesn’t feel old, she is of course able to go with the young people, but of course the perspective has changed. The thinking. Because we have more experiences. 
„We are different, of course. We are older, have a different thinking but it seems we have fallen through the cracks, we are not perceived as so necessary and there is no balance in creating or giving support”, she said. And she meant also the ladies living with MS. 

If you become older, you live differently. That’s normal and it is no question if you live with MS or not. The view on different things changes. However, we, living with MS, have questions, or themes and discussion we want to talk about or we need information for. 

We think more intensively about prevention and progression in MS, we are also concerned about what to do when we experience more symptoms or become more disable. We think about what will happen with us when we become seniors. Real Seniors by the way. Will we be bedridden? Or one of those happy Grandmas and Grandpas having fun with grandchildren or will we be one of these funny seniors, cruising through the world having fun? 

We are more conscious about this and we want to make sure that everything is in place and we have a plan. Because it is a big question if you become a welfare case or if you have enough money to have a good life. And who knows this? Honestly, I am busy with thinking about it. 

Maybe it came so clear into my mind, because I am in something like the „In-between Generation “, not too old, but not young anymore. Am I old now? Or did I fall through the cracks too? I don’t know. 

We are maybe a little bit older. But in my opinion, PwMS like us earn support too. Like the young ones. The support and information we need is definitely different, of course. There is a big need. Unfortunately, it seems, it is not perceived as needed. Why? No clue.

MS stays, in addition we have to deal with health issues coming from getting older. Like every healthy person experiences at this age. By the way, this also has an impact, mostly negative, on our MS. And I would love to have more information about ageing with MS. And of course the neglected theme of Menopause with MS.

I am convinced that every person living with MS needs support, information and good programs. No matter what age. This is necessary to plan life, next steps. Also, to have a shoulder to lean on or to find new contacts to have an information exchange. 

And by the way, when we take a look at the demographic changes, we could assume, that there will be more older PwMS in the future. 

Because life isn’t over at 40. We are older, yes, we are not young anymore, but we don’t belong on the scrap heap. Life goes on. It is unique and we should make the best of it. Sometimes we simply continue and sometimes we start it completely anew. And support, information and education can’t have a negative impact on us. Right? 

Still thinking about it, 

Birgit 

1 Kommentar:

  1. Junge Menschen sind noch leicht beeindruckbar. Die können noch gut gelenkt werden. Das wird natürlich nicht so laut gesagt, sondern als Hilfe beschrieben.
    Und so werden sie schön in das System eingepasst, weil sie haben das Leben ja noch vor sich. Und die Gesundheits- wie Pharma-Industrie reibt sich die Hände.
    Ich war und bin immer noch froh, dass meine MS mit ca. 22 Jahren NICHT erkannt wurde. Erst mit 51 erhielt ich die Diagnose. Ich war alt, gereift und wusste, wie ich mir Informationen besorgen und diese auch bewerten kann.
    Ich habe mir nach der Diagnose die Zeit genommen, zu recherchieren, weil ich wusste, dass es mit Schulmedizin nicht besonders gut laufen wird.
    Kurz: ich bin nicht neugierig, was so manche Veranstalter jungen Menschen eintrichtern möchten. Eher traurig, dass es passiert.

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