Dienstag, 12. Mai 2020

#stayathome - ein Resümee

Gestrandet: Anfang März. Mit MS.
Schon damals blieb ich Zuhause und plagte mich mit dem Fräulein Trulla herum, stoppte das Reisen für den Moment und begab mich ins HomeOffice.
Kurz darauf: Lock down. Zuhause bleiben. Nur systemrelevante Menschen durften los. Damals war ich auch ziemlich deprimiert, frustriert und verwirrt. Es hat mich für einen Moment überfordert.

Zudem kämpfte ich mit dem Fräulein Trulla, sie meinte, mich per MS Hug nett umarmen zu müssen und ich war allein damit. Kein Physiotherapeut war da, der hatte sich für systemirrelevant erklärt und somit blieb nur ich.

Und das Fräulein. Und diverse kleine Helferlein, die über die Jahre erprobt sind und mir helfen. Und meine Resilienz griff ein. Schaltete um und ich konnte mich kurz danach mit Trulla am Rockzipfel weiter bewegen. Mir war klar, dass ich eigentlich nicht anders konnte. Es liegt in meiner Natur mich zu bewegen. Vorwärts. Grobe Richtung.

Irgendwann schaffte ich es. Ich kam aus der Trullakralle, lebte mich im Jetzt ein und stellte mein System um.
Es gab diesen Zeitpunkt, da war mir klar, ich war in dem "neuen Normal", wie das an jeder Ecke genannt wurde, angekommen.
Ich begann wieder, mich wie mich zu fühlen, packte das Fräulein auf die Bank vor dem Haus und organisierte mich neu. Klappte auch ganz gut.
Es gab digitalen Kaffeeklatsch, Meetings, die einer Reise bedurft hätten, fanden in meinem Büro statt, online am Rechner, ich traf eine Lesegruppe und fachsimpelte über das Buch, das wir alle lasen, was wir übrigens immer noch tun. Als es wärmer wurde, fing ich an, nebenbei im Garten zu buddeln, ließ mir Pflanzen liefern, züchtete selbst kleine Pflänzchen an und plante neue Strickprojekte und beendete einige UnFertigeObjekte, auch UFOs genannt.


Vieles davon machte ich auch schon vorher. Ich hatte oft digitale Meetings, nicht immer in meinem Büro, sondern in Hotelzimmern, an Flughäfen oder sonst wo. Als jemand, der vor Corona echt viel auf Tour war, war das normal für mich. Auch der virtuelle Kaffeeklatsch war mir nicht fremd. Alles war gut. Ich bewegte mich in vielen Teilen in der Welt, die ich kannte.

Was neu war, war der Takt mit Herzblatt. Auch er ist von den Maßnahmen, die Unternehmen wegen der Pandemie getroffen hatten, betroffen und war und ist mehr Zuhause. Das bedingt andere Rituale, Wege und Abläufe.
War ich vorher in meinem eigenen Takt unterwegs, prallte der auf den anderen Takt, den von Herzblatt. Der ganz anders unterwegs ist als ich. Das hat mich, ehrlich gesagt, ab und an gestresst.

Ich bin nämlich viel organisierter und zügiger in Sachen Dinge erledigen, ich habe Listen und die arbeite ich ab. Er ist ab und an chaotisch, abgelenkt und es braucht nur einen Moment mit etwas Interessantem und schon gehts in eine andere Richtung. Das hat mich ab und an in den Wahnsinn getrieben und nicht gerade zu meiner inneren Ausgeglichenheit beigetragen. Aber auch das klappte irgendwann.

Heute ist wieder alles im Fluß. Es läuft, könnte man sagen. Ich plane gezielt meine Einkäufe, wie vorher und wie während der letzten Wochen. Ich kam durch die Klopapier, Mehl und Spaghettikrise, umschiffe noch immer die Probleme in Sachen Hefe mit anderen Lösungen wie Hefe selbst machen und derlei, haderte mit Verschwörungstheoretikern und denen, die sich grundsätzlich weigern und auch denen, die großmäulig fabulierten ohne wirklich eine Ahnung zu haben. Ich verabschiedete mich von diesen Menschen. Es gab einen Zeitpunkt, da war ich so genervt, dass ich sie nach und nach aus meinem Freundeskreis verabschiedete. Einige waren sehr radikal und eigentlich passe ich nicht in deren Weltbild.

Ich stricke, lese und gärtnere immer noch. Ich betreibe hier die Home Office Kantine, kaufe immer noch gezielt ein und halte auch meine Vorräte für den Moment noch ein bisschen oben. So ganz traue ich dem Virus nicht und daher bin ich vorsichtig und sorge vor.

Was ich gelernt habe? So gesehen: Viel. Einige Punkte sind hier ...

Ich habe die Dinge wieder mehr zu schätzen gelernt. Auch die kleinen Dinge. Ich bin von Grund auf ein bodenständiger Mensch, aber auch ich verlor manchmal die Bodenhaftung. Auch wenn Herzblatt mich immer erdet, so hatte ich die Zeit und die Muse, mich in meinem Leben umzusehen und festzustellen, dass es viele Dinge gibt, für die ich dankbar sein kann. Da sind viele Talente und Fähigkeiten die mir mitgegeben wurden. Ich nutze sie schon immer und jetzt ab und an ein bisschen mehr.

Ich habe zum Beispiel meine Nähfähigkeiten reaktiviert. Und manchem, der sich trotz komfortabler Umstände doch noch ins Jammertal begab kann ich nur mitgeben, ein bisschen Demut in der Betrachtung und Dankbarkeit über das, was da ist, schadet nicht. Es ändert die Perspektive und das ist gut so. Das braucht auch unsere Welt.


Viele Leute haben ihr wahres Gesicht gezeigt, das war gut so, ich habe gelernt. Einige haben mich super positiv überrascht, andere habe ich leise verabschiedet.

Als Patient muss man mehr und mehr engagiert für sich einstehen, seine Rechte kennen um Klarheit für sich zu bekommen. Ich betrachte es umso wichtiger, jetzt die wichtigsten Informationen zu kennen. Einige aus meinem MS Team, also auch Therapeuten etc. reagierten, sagen wir, verwunderlich. Sie wurden hektisch, teilweise wurden Praxen für länger geschlossen und wir mussten draußen bleiben, obwohl die Regeln anders lauteten. Das hat auch mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, was ich anders machen kann. Es stresst mich im Moment zu sehr, wenn ich auf Menschen treffe, die mir als Patientin nicht das Vertrauen und die Sicherheit vermitteln, die ich erwarte und auch brauche, weil sie selbst unsicher sind. Etwas, das mich ins Grübeln brachte und mich dazu bewegt, Dinge zu ändern. Damit mir meine Therapien und Kontakte mit meinem MS Team wieder gut tun und helfen.

Social Media ist für mich immer noch wichtig. Ich bin gerne in Twitter oder Facebook und Instagram unterwegs und mags, aber was ich teilweise wahrnehme ist ein zunehmender aggressiver Ton und absurdes Gedankengut von diversen Zeitgenossen, das ich langsam auch nicht mehr lesen kann und möchte. Eine gute Diskussion zu finden und daran teilzunehmen, oder Informationen zu bekommen, die wirklich richtig und wertvoll sind, ist echt schwierig geworden.
Was mich erschreckt hat ist, wie unbedarft manche Nutzer jeden Scheiß glauben und teilen, der ihnen vorgesetzt wird. Völlig unkritisch und ohne eine Information zu prüfen wird sofort auf "Share" geklickt.

Warum? Wo wir doch sonst so kritisch sind und alles gerne in Frage stellen? Das muss sich ändern. Denn da geht es auch um Verantwortung. Hier habe ich dazu auch kommentiert: https://birgit-bauer.blogspot.com/2020/04/uber-den-gesunden-menschenverstand.html

Last but not least, geht es oft um Umsicht, Rücksicht für andere. Ich versuche, anderen Menschen mit Respekt und Rücksicht zu begegnen, lächle und bin freundlich. Im Supermarkt braucht es ab und an mehr Zeit, weil ich warte und den gebotenen Abstand einhalte. Viele tun das und das schätze ich sehr. Andere haben das scheinbar vergessen und das finde ich schade. Ich verstehe, dass dieses neue Normal mit den ganzen neuen Regeln und Mitbringseln nicht so wirklich das ist, was wir wollen oder gewohnt sind. Allerdings finde ich es nicht so schlimm, ein bisschen auf die Mitmenschen aufzupassen und Rücksicht zu nehmen. Menschlich zu sein und ein bisschen achtsam. Ich glaube, das schadet nicht. So oder so. Oder mit oder ohne Corona.

Was hat sich bei Euch geändert? Wo habt Ihr Neues ausprobiert?

Neugierige Grüße

Birgit

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