Donnerstag, 18. Juni 2020

Lebenskünstler ...

"Ach das ist ja auch nur so ein Lebenskünstler!"

Diesen Ausspruch hörte ich in meiner Kindheit oft. Lebenskünstler war in dieser Situation eher eine Beleidigung, kam abfälligen Tons daher und war nicht selten ein Ausdruck für Neid oder Eifersucht.

Weil sich jemand das Leben leicht machte, auf sich Acht gab und am Ende bewusster unterwegs war, als so manche Zeitgenossen, die den gesellschaftlichen Konventionen oder Ansprüchen unbedingt genügen wollten.
Ein Lebenskünstler war jemand, der ein Lotterleben führte. Mit sowas pflegte man eher keinen Kontakt. Oder nur sporadisch. Nicht, dass die leichte Art des Lebens übergriff ...

Nun ... ich bin da lange raus ... ich habe mir das anders angewöhnt und die Kunst zu leben mit Fräulein Trulla gelernt ...

Vor einigen Tagen, begegnete mir der Ausspruch wieder. Allerdings in sehr wohlmeinender Form. Lebenskünstler mal anders, so gesehen. Jemand nannte mich eine Lebenskünstlerin.
Ein schönes Kompliment, finde ich, zumal es genau so gemeint war. Ich habe mich darüber gefreut.

Grund dafür war dieser Instagrampost:





Es gibt sie. Die friedvollen Sonntage an denen es die sprichwörtlichen Katzen und Hunde regnet und du feststellst, dass du Socken brauchst. Und Erdbeerkuchen. Und ein schönes Sonntagsessen. Ein perfekter Plan. ******************************************************Zuerst der Kuchen. Erdbeeren vom Erdbeerhof ums Eck waren noch da und der Kuchen war schnell gerührt. Das Knäuel für die Socken war im Lager schnell gefunden und seit Mittags sitze ich und arbeite an meinen neuen Socken. Schlicht, einfach und warm für alle Tage. Und das Sonntagsessen schmurgelt gemütlich im Ofen vor sich hin. Könnte echt nicht besser sein. ******************************************************Kennt ihr das? Dieser kleine warme Moment, das einzige Kichern unten frech im Bauch, wenn ein Tag einfach vor sich hin plätschert? So beständig und friedlich wie der Regen draußen. Es ist ein Moment der Dankbarkeit, der Freude. ******************************************************Weil einfach mal Ruhe ist. Etwas, das mir derzeit hoch willkommen ist. Ich bin während der Woche sehr aktiv, die Tage sind voll mit Online-Meetings , Konferenzen und Artikeln, die allesamt spannend, aber auch anspruchsvoll zu schreiben sind. Daher achte ich auf genügend Pausen und Entspannung. #stricken bringt mich runter und Gedanken laufen frei. Das tut gut und befreit. Leben mit #ms. #birgitsworld #strawberrycake #erdbeerkuchen #strickenmachtglücklich #knittingismyyoga #knittersofinstagram #yarnlove #sockenstricken #calmdownkit #rest #pause #ms #msblogger #multiplesclerosis #multiplesklerose
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Lebenskünstler verstehen die Kunst zu leben, das Beste aus einem Tag zu machen, egal was da ist. Sagt die Recherche. Demnach bin ich tatsächlich ein Lebenskünstler, das versuche ich nämlich täglich. Auch wenn es dem Fräulein Trulla nicht passt, habe ich mir die Kunst des Lebens angeeignet. Sie erlernt. Mit Demut, Dankbarkeit, täglichem Lachen. Über die Zeit habe ich mir in vielen Dingen eine entspannte Grundhaltung zugelegt. Klappt es heute nicht, klappt es morgen und geht was schief, gibt es meistens Schlimmeres. Man hat im Prinzip immer eine Option, etwas, zu ändern oder anders zu machen.

Klar gelingt das nicht immer, aber es klappt ganz oft. Nicht, dass man nicht ab und an auch so diese Tage hätte. Tage, an denen man jammert, sich ein wenig im Selbstmitleid wälzt und über etwas schimpft oder klagt. Jedoch ist da grundsätzlich eine positive Einstellung, die einen auch immer drauf hinweist, dass trotz allem Regen, etwas anderes da ist. Etwas Gutes, Positives.  Es ist auch ein großes Stück Resilienz im Spiel, die innere Widerstandskraft, und die Einstellung eben auch das Positive im Negativen sehen zu wollen.

Die Person, mit der ich diskutierte, meinte auch, dass ich sehr gut weiß, was mich glücklich macht, was mir gut tut. Auch das stimmt.

Schon früh erkannte ich, dass das Fräulein hier definitiv nicht die Hauptrolle spielt oder mein Leben bestimmt. Das mache ich schon noch selbst. *Krönchenzurechtrutscht*

Es war ein wichtiger Prozess. Einer, der es wert war. Ich hatte die Chance, die Kunst des Lebens in mein Leben zurück zu holen. Lebenskünstler halt. Und ich habe sie genutzt.



Die Kunst zu leben bedeutet für mich heute, mein Leben bewusst zu leben. Nein zu sagen, wenn es nötig ist und darauf zu achten, dass ich mich in meiner Haut wohl fühle. Mich glücklich zu machen. Ich habe meine persönliche Balance gefunden und verstanden, dass ich immer eine Wahl habe. Die Wahl Dinge von allen Seiten zu betrachten und dann eine Entscheidung zu treffen, die für mich ok ist aber auch zu den Menschen passt, die sie brauchen.

Auf der anderen Seite reden wir von Genuss. Genießen zu können, gehört dazu. Einen Sonntagnachmittag faul zu genießen, ein gutes Essen aus tollen regionalen Lebensmitteln zu kochen oder anzufangen, kleine Rituale der Freude in den Tag einzubauen, nur so für einen selbst, ist Genuss. Und vieles mehr. Genuss ist individuell.

Ich bin ein Lebenskünstler und stolz drauf. Weil es mir die Kunst des Lebens ermöglicht, Dinge ab und an anders zu betrachten, die Perspektive zu wechseln, das Gute zu sehen, auch wenn es mal kriselt. Sich das zu gönnen, was einem selbst gut tut. Zumindest ab und an. Das muss man lernen und annehmen. Das Gute ist: man kann das zumindest ein Stück weit.

Damit der verbissenen Krampfhaltung kein Vorschub geleistet wird, sondern das eigene Leben stattfinden kann. Lebenskunst tut also gut und auch in Sachen MS hilft sie. Entspannt zu bleiben, weniger gestresst zu sein und somit auch weniger MS zu spüren. Sondern sich selbst.

Und das ist es doch. Oder?

Birgit


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