Montag, 7. September 2020

So leidend - wenn eine Einladung aber voll in die Hose geht!


Bähhmmm, da war es wieder. Das Leiden. Mit der MS. Aufgedröselt und zusammen gedrechselt in eine schmissigen Text von einer Agentur, die offenbar Quote machen und für Verbreitung sorgen soll. 

Und das am Montagmorgen. Der Teaser war ungefähr so, wie wir sie alle kennen, lesen wir sie doch seit Jahren genau in der schleimig leidigen Form und ärgern uns darüber: 

....... die Person leidet unter Multiple Sklerose ... 

Da war es wieder. Das Leiden. Leiden zieht an, das ist mir klar. Aber: Worte wirken immer. Und in dem Fall verärgern sie mich. Denn es ist zu pauschal zu sagen, dass jemand leidet, weil er mit einer Erkrankung lebt. Woher wissen solche Leute das? Haben sie mit den Menschen mit MS nur einmal gesprochen? Einmal? 

Um herauszufinden, ob Leben mit MS leiden ist oder trotzdem Leben? 

Warum haben viele diesen Automatismus immer noch, wenn es heißt, sie oder er hat MS, zu behaupten, dass das Leiden wäre. Was definiert Leiden überhaupt? 

Sicherlich wird es Menschen geben, die mit der Diagnose leiden, aber das, was da beworben wurde, sollte informieren, nicht das Leiden beschreiben. Wäre es also nicht besser aus einem Leiden ein Leben zu machen? Um das zu sehen was stattfindet? Ein Leben eben? 

Worte wirken. Oft bösartig, sie machen aus dem, was man wohl meint eine böse Fratze, die anderen das Gruseln lehrt. Die abschreckt und nicht für das sorgt, für was wir Patientenvertreter*innen immer wieder kämpfen: Für ein Bewusstsein für MS, aber eines, das nicht leidet, sondern dafür sorgt, dass andere das verstehen, was wir in unserem Leben erleben. Nicht erleiden by the way. Und das, was da stand, hilft keinem. Nur denen, die voller Vorurteile sind, die uns auf eine unangenehme Art begegnen, die wir dann irgendwie ausräumen, erklären müssen, um das Leben wieder in Balance zu kriegen. Und ist euch eigentlich klar, wie fies dann Gerüchte resultierend aus dem "Leiden" sein können? 

Wir haben ein Leben mit Höhen und Tiefen. Wie jeder andere auch. Der Unterschied ist, es ist ein Leben mit MS, einer chronischen Erkrankung des Gehirns und des zentralen Nervensystems. Und ja, einfach ist manchmal echt anders. Manchmal könnte auch ich nur in die Ecke kotzen und wieder ins Bett kriechen. Es gibt sie, diese Tage. Aber im Leben nicht, könnte man dies als pauschalen Grund dafür nutzen und behaupten, ich würde leiden. Leiden geht echt anders.  

Gerade wenn man über Menschen spricht, die mit Erkrankungen leben, wäre eine gewisse Sensibilität in Sachen Wortwahl angebracht. Gerade dann, wenn man diese Gruppe für sich begeistern möchte. Vor allem dann, wenn man die Gruppe über die man spricht, nicht gut kennt oder nur mit einigen wenigen Vertretern gesprochen hat. Leiden fördert Mitleid und das braucht hier keiner. Auch wenn es Quote bringt. Aber es geht in die Hose und am Ende bleibt ein bitterer Nachgeschmack. 

Aber dann muss man sich die Frage stellen: Quote oder vielleicht auch etwas Empathie und Mitdenken für die, die täglich mit dem pauschalen Leiden leben müssen, damit klar kommen müssen, mit Vorurteilen und Falschannahmen, die "Leiden" hervor ruft, umgehen sollen. 

Wißt Ihr eigentlich wie heftig solche Worte sein können? Und wie viel Kraft es kostet, das zu relativieren? Dinge, die kein Mensch mit MS braucht. Wie wäre es, wenn man sich seinen Werbetext anders konzipiert? In dem man sagt, hey, die leben mit MS und sie machen alle das Beste daraus. Wie das gehen kann erklärt XY. 

Das wäre hilfreich. Gut für uns, und gut gegen blöde Vorurteile und Missannahmen. 

Ich finde, wir müssen weg von der Masche des Leids und hinein in das Leben der Menschen, die mit MS leben. 

Nicht jeder ist fit wie der sprichwörtliche Turnschuh. So wie ich. Ein bisschen ausgelatscht und an der einen oder anderen Stelle vielleicht geflickt, aber immer noch lebendig. Im Einsatz und froh darüber. Grundsätzlich:  mir ist Leben lieber. 

Weil Leiden nur Grusel bringt und die anzieht, die kein Mensch braucht. Weil Leiden nur sagt, dass der Mensch, der damit betitelt wird, ohnehin nicht mehr lebt. Eine undankbare und unschöne Assoziation. Und ehrlich, die will sich doch keiner an den Latz heften lassen oder? 


Und wer noch ein bisschen Beratung diesbezüglich braucht, Ihr wißt ja, wo ich bin. Also Kommunikationsexpertin für Patientenkommunikation kann ich da weiterhelfen. Für Eure Werbung findet Ihr mich ja auch! 

Birgit 



Bild von Annalise Batista auf Pixabay 
Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen