Mittwoch, 7. Oktober 2020

Ein e-Bike für die Beine ... oder gehen muss man noch selber!

Werbung: Bezahlte Kooperation mit der Firma MyoSwiss! 


Wer mich kennt, der weiß, so einfach ist das bei mir nicht, mit Kooperationen für Entwicklungen oder Produkte. Und das ist eine absolute Premiere und Ausnahme. Weil das, was jetzt kommt, ist etwas, das ich absolut stark finde. 


Probiert habe ich das natürlich auch, aber lest einfach selbst: Es war vor einigen Jahren, da zog mir das Fräulein Trulla mit einem Schub mal gepflegt die Beine unterm Bobbes weg. Ich konnte nur mühsam laufen und brauchte mal das gesamte Arsenal meines Arztes, um mich, sprichwörtlich betrachtet, wieder auf die Beine zurück zu bringen. 

Ich trainierte täglich. Hart und es war ab und an schwer für mich, meinem Schweinehund, der mittlerweile jaulend und jammernd in der Ecke lag, nicht nachzugeben und dran zu bleiben. Eine Erinnerung, die ich bis heute belastend und schwierig finde. Sie hat sich eingebrannt und hält mich gleichzeitig am Laufen. 


Als ich vor einigen Wochen eine Email von Nadine von MyoSwiss aus der Schweiz erhielt, war ich neugierig. Zum einen, weil Nadine witzig schrieb und meine Punkte auf der Kooperationsseite echt ernst genommen hatte und zum anderen, weil das Teil, das sie mir vorstellte, wirklich mein Interesse geweckt hat. Ein E-Bike für die Beine. Wir reden über den Myosuit. 


Der Myosuit ist eine Art Anzug, der einem hilft, die Muskeln in den Beinen zu stärken, zu kräftigen und quasi zurück ins Leben zu gehen. Ich fand das spannend, weil wenn ich mich an diesen einen Schub erinnere: ich hätte das Teil gerne gehabt. Um meine Gehfähigkeit besser trainieren zu können und vielleicht auch wieder schneller zu Fuß zu sein. So hat es echt gedauert und für mich als generell eher zur Ungeduld neigenden Menschen war das nicht so einfach. Eine Challenge in vielerlei Hinsicht also. 

Daher war ich echt interessiert. Ich mag Technik, digitale Gesundheitslösungen in die auch der Myosuit fällt. Er ist, so gesehen ein Stück Robotik. Arbeitet mit sieben Sensoren und unterstützt durch verschiedene Programme den Benutzer ganz individuell. 

Wer mich kennt, der weiß, dass ich sowas immer spannend finde. Vor allem, wenn es helfen soll, Menschen, die mit Bewegungseinschränkungen in den Beinen leben, also auch mit neurologischen Erkrankungen, Muskelschwäche oder nach einem Unfall, die zurück in die Bewegung kommen wollen, dabei zu unterstützen, auf die Beine zu kommen. 


Das Herzblatt und ich sprachen darüber, ich informierte mich und fasste einen Entschluss: Dieses Team will ich besuchen, ich will diesen Anzug testen. Und weil ich grundsätzlich neugierig bin, wurden wir uns einig und wir, ich in Begleitung von Herzblatt, der als mein technisches Zweithirn und Assistent fungiert, reisten zur Zentrale von MyoSwiss nach Zürich, mitten ins Zentrum des Geschehens rund um die Entwickler und Gründer Kai und Jaime inmitten eines kreativen Teams, das immer weiter tüftelt. Es ist ein Spin-off, direkt von der ETH in Zürich hinein in die Welt. 


Um Bewegung und damit auch Lebensqualität für die zu schaffen, die wie wir mit MS aufgrund von neurologischen Erkrankungen oder aus anderen Gründen eben nicht mehr so gut zu Fuß sind. Übrigens, auch ältere Menschen können vom Myosuit profitieren und ihre Gehfähigkeit damit trainieren und auch verbessern, wenn sie das möchten. 


"Wir wollen den Menschen helfen in Bewegung zu bleiben und mit dem Myosuit die
Möglichkeit an die Hand geben, sich mehr bewegen zu können und so die Lebensqualität verbessern",
erklärt mir Nadine, die Sprecherin des Unternehmens, die uns herumführt. 

Von der textilen Werkstätte, in der man quasi das Grundgerüst für den Myosuit konzipiert und mit neuen textilen Werkstoffen experimentiert bis hin zur Werkstatt, wo die Anzüge repariert, konfiguriert und so gesehen, zum Laufen gebracht werden. 


Auf dem Weg läuft uns ein grinsender Nutzer im Anzug über den Weg, er arbeitet an seinem Ziel, 10 km am Stück laufen zu können. Ich kenne den Wunsch. Seit meinem Schub schätze ich es umso mehr, dass meine Beine wieder ganz gut und mit einigen, wenn auch kleineren Einschränkungen funktionieren. Das mit den 10 km am Stück ist zwar nach wie vor problematisch aber mit Pausen krieg ich es hin. Was daran liegt, dass ich wandere und versuche, in Bewegung zu bleiben. 


Wollen muss man es schon ... 


Was mir von Anfang an gut gefällt ist der Vergleich ein "E-Bike" für die Beine. Er sagt das, was nötig ist: Gehen muss man noch selber. "Und wollen muss man es auch", fügt Nadine an, "ein bisschen offen muss man sein, am Anfang ist es ein wenig ungewohnt und wenn man nicht will, klappt das mit der Bewegung nur bedingt", gibt sie zu Bedenken. Es ist wie beim E-Bike, das fährt auch nur, wenn man in die Pedale tritt und es hilft, wenn es mal bergauf schwierig wird oder eine Strecke länger dauert. 

Beim Myosuit muss man eben gehen. Kraft einsetzen. Dass das nicht so einfach ist, ist klar. Es ist anstrengend und mit dem Anzug kommt man schon auch ins Schwitzen, das erklärte mir auch eine Frau mit MS, die regelmäßig in Begleitung einer Physiotherapeutin mit dem Anzug trainiert. "Das ist schon anstrengend", sagte sie mir zwischen zwei Übungen in einer Verschnaufpause, "aber es bringt mir was, ich werde beweglicher und freue mich über den Erfolg!", gibt sie grinsend zu. 


Der Anzug und ich .... 


Der Anzug ist, grob gesagt, eine Art Exoskelett. Und auch wieder nicht, weil er mit einem Gesamtgewicht von 5,5 kg wesentlich leichter. Damit unterstützt er die normalen Bewegungen beim Gehen, Treppensteigen oder beim Aufstehen von einem Stuhl. 
Allerdings nur auf Unterstützung warten ist nicht. Gehen muss man immer noch selbst. Mit sieben Sensoren misst der Anzug die Bewegung und gibt soviel Kraft dazu, dass es für Träger*innen angenehm und machbar ist. 

Und weil ich wissen wollte, was dieser Anzug so macht mit einem, habe ich das mal probiert. Einsteigen? Einfach. Das Teil liegt auf der Hüfte und erzeugt so ein gutes Gefühl der Balance. Am Anfang war es ungewohnt. Das Teil ist erst mal eng, seltsam und dennoch: Man kann damit gut laufen. 

Als Nadine den Anzug auf mich einstellt, ruckelt er zuerst und das hat mich erschreckt, hat aber auch gezeigt, dass viel Kraft hinter der Maschine steckt. 


Wir probieren die verschiedenen Einstellungen durch und siehe da, man kann auch gepflegt abhängen in dem Teil. Er unterstützt so, dass man auch mit wenig Kraft noch ein Ziel finden und erreichen kann. Auch beim Aufstehen oder beim Treppensteigen hilft der Anzug mit, wenn man das braucht.


Viele Menschen, die mit chronischen Erkrankungen wie MS leben, mit Myopathie
(Muskelerkrankung) oder durch Unfälle verursachte "Gehschwierigkeiten" wiederaufbauen müssen, können den Anzug benutzen. Viele machen das mit einem Physiotherapeuten oder in Eigeninitiative. Wichtig ist, dass die Einweisung vom Team vorhanden ist und bekannt ist, wie man den Schwierigkeitsgrad oder auch die zugegebene Kraft einstellen kann.  


Auch von Seite zu Seite kann das unterschiedlich und damit individuell eingestellt werden. Meine linke Seite ist seit einigen Schüben schwächer und als ich mit dem Anzug loslaufe, merke ich schnell, dass links gut mit rechts mitkann, weil der Anzug auf der linken Seite mehr mithilft. Ich kann mir gut vorstellen weiter zu gehen und nach einer Weile ist der Anzug an sich kein Thema mehr. Mit der Zeit vergesse ich ihn und ratsche, latsche und finds gut. 

"Den zum Wandern", sage ich zum Herzblatt, der nur grinst, denn er weiß, es gibt diese Hütte .... 


Umdenken und freie mentale Kapazitäten nutzen


"Der Anzug setzt mentale Kapazitäten frei", erklärt mir Nathalie, eine Physiotherapeutin, die gerade mit einer Patientin trainiert. "Man muss sich nicht darauf konzentrieren, dass man etwas schafft, weil der Anzug einen Teil übernimmt. Das ermöglicht, dass man sich auf Gangkorrekturen konzentrieren kann und so besser und schneller Fortschritte macht." Wichtig ist, dass man mit einem Plan arbeitet. Das empfiehlt auch das Team. 

"Man muss in Etappen arbeiten, immer wieder schauen, ob es so passt oder ob man etwas verändern muss", erklärt mir Nathalie. Es ist ein Vorarbeiten, mit Teilerfolgen, die motivieren und helfen, dem selbst gesteckten Ziel näher zu kommen. 

"Am besten ist es, immer wieder auch mit dem Physio zu sprechen und gemeinsam am Ziel zu arbeiten", höre ich mir an und muss zustimmen. Auf die Frage, wie ich jetzt einen Physio bekomme, der sich auskennt, sagt man mir: "Den können wir schulen und zertifizieren." 


Wer jetzt testen möchte oder Fragen hat ... 


Wer noch ein bisschen mehr erfahren oder einen Test mit dem Myosuit machen möchte, kann sich mit Nadine in Verbindung setzen und nachfragen, welche Möglichkeiten für einen Test auch in Deutschland verfügbar sind. 



Der direkte Kontakt zu Nadine und dem MyoSwiss Team: nadine@myoswiss.com


Ebenso könnt Ihr hier nachlesen: https://myo.swiss/myosuit/ und bei Bedarf Kontakt aufnehmen! 


Viel Spaß


Birgit 



Text: Birgit Bauer, Manufaktur für Antworten UG 

Bilder: Bilder Birgit: Birgit Bauer, Manufaktur für Antworten UG

Bilder: Myosuit und Team, MyoSwiss Zürich



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