Montag, 8. Februar 2021

Hinter jedem Patienten steckt ein Mensch! Oder: Wir leben ein Leben!

In den vergangenen Wochen erlebte ich viel Kommunikation. Besonders auf Clubhouse spricht man im Moment gerne über Patienten. Aber auch sonst, auf Kongressen und Veranstaltungen geht es immer um "Patienten" =  Menschen, die mit einer chronischen Erkrankung leben. Täglich. Wie ich mit MS. Was an sich nicht immer einfach ist, es gibt diese Tage, aber wie heißt es so schön: Das Leben geht weiter. 

Und das bringt uns zum Punkt: Man redet gerne über Patienten, aber übersieht zu gerne den Menschen, der hinter den Patienten steckt. Patient wird in Gesprächen oft zu einer Art Zahl, einem Wert. 

Was mich auch immer zur berüchtigten Frage bringt, ob Menschen mit Erkrankungen in einem Panel auftauchen, involviert waren oder mitreden. Eine Frage, die ich berechtigt finde, wenn man über mich spricht, kann man auch mit mir reden, finde ich, auch wenn die Frage an sich nicht immer willkommen ist. Oder scheint. Oder gar nicht in Erwägung gezogen wurde. 

Schon lange Zeit sage ich immer wieder klar: Ich bin hier nicht Patientin. Ich bin hier in einer Diskussion, sei es Clubhouse, ein Chat oder eine Onlinesession, aber nicht im Wartezimmer eines Arztes oder eines Krankenhauses. 

Deshalb ist es mir heute ein Anliegen, das mal zu klären. Vielleicht hilft das ja, ein bisschen zu verstehen, warum es so wichtig ist, den Menschen zu sehen und nicht nur eine Erkrankung. 

Beginnen wir mit den Basics: 

Frau die 16 Jahre mit MS lebt. Ich habe das Herzblatt an meiner Seite und einen frechen Kater. Ich bin ein bunter Vogel, kreativ und ab und an beherrsche ich eher das Chaos als die Ordnung aber das macht nichts, weil einen Plan habe ich immer. 

Und der Job so? 

Ich bin Social Media Expertin, Consultant, Journalistin, Speaker und Patient Expert (Patientenvertreterin) und arbeite meist in Europa und im Moment beherrsche ich mein eigenes Universum vom Home Office aus. Digitale Gesundheitslösungen sind ein wichtiges Thema für mich und ich beteilige mich an vielen Projekten und versuche, das Thema zu treiben, denn an Digitalisierung kommen wir nicht vorbei, das ist nicht mehr zu stoppen, aber es gibt noch viel zu tun. 

Das bisschen Haushalt? 

Den Haushalt schmeiße ich mit dem Herzblatt, ich liebe es zu kochen und zu genießen und kann mich mit einem guten Buch sehr amüsieren. Oder etwas lernen. Meine andere Leidenschaft ist das Stricken. Das ist gut für die Kognition und geht auch als sinnvolle Ergotherapie durch. Wandern im Sommer ist klasse, genauso die Touren mit meinem eBike. 

Und zwischendrin? 

Zwischendrin gehe ich zur Physiotherapie, erkläre meinen Ärzten gerne digitale Gesundheitsanwendungen und warum Digitalisierung wichtig ist und frage nach. Sonst gibts Familienkram wie Einkaufen im Supermarkt, Mahlzeiten kochen, typischer Familienschreibkram. Ich bezahle Rechnungen oder versuche, als Handwerkerassistent zu helfen, wenn etwas im Haus zu reparieren ist. Ich muss ab und an mit dem Auto in die Wäsche, nutze es auch gerne als fahrende Disko und ehrlich, ich mag eine freie Autobahn vor mir. ;-) 

Fast normal! Wie der Blogtitel schon sagt! 


Mein Leben ist so gesehen das, was der Blogtitel hier sagt: Fast normal! Die Katze füttert sich nicht von alleine, das Essen kocht auch sonst keiner und die Rechnungen bezahlen sich nicht von selbst. Na? Wird's klar? 

Ok, der kleine Unterschied ist: manchmal brauche ich mehr Zeit, weil ich erschöpft bin, Schmerzen habe und mehr Pausen brauche. Manchmal sage ich bewusst zu etwas Nein, weil mir gerade die Energie fehlt, aber da muss viel passieren, dass dem so ist. Weil ich mir Gedanken darüber mache, wie ich die Dinge schaffe und ich schaffe sie, egal ob im Job oder privat.

Ja ich lebe anders. Organisierter, bewusster, manchmal ein bisschen kränker, aber nicht viel anders als andere. Ich habe ein Leben wie jeder andere Mensch auch. Ich lebe mit MS. Aber die MS nicht mit mir. Daraus ergibt sich auch, dass ich schlecht in eine Statistik passe. Zahlen sind was Schönes, ohne Frage, aber wenn man über Menschen mit Erkrankungen spricht, sollte man auch mit ihnen sprechen. Nur so erfährt man, was die Menschen bewegt, was sie brauchen oder sich wünschen. Wo mehr Hilfe nötig ist oder wo eine Aktion schlicht überflüssig wurde. 

Eigentlich ist die Formel ganz einfach: Erst kommt der Mensch, dann der Patient, oder die Erkrankung.

Diesen Menschen zu sehen, ist eine wichtige Sache, sprechen wir doch über Individuen.

Individuen, die mit einer Erkrankung leben, aber nicht ausschließlich. Was der Grund ist, warum es so wichtig ist, sich mit den Menschen auseinander zu setzen und mit ihnen zu sprechen, um zu erfahren, was wirklich Priorität hat und gebraucht wird. 

Es ist es wert, das zu tun. 

Ich freue mich auf bessere Dialoge und wirksame Lösungen, die gemeinsam mit Menschen mit Erkrankungen entwickelt wurden! 

Birgit 


Bilder: Pixabay.com, Birgit Bauer

Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG 



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