Weder das schubförmige "all inclusive" Angebot, noch die unsichtbaren Symptome wie das Schmerzpaket oder das für depressive Momente.
Aber irgendwer hat es mir auf den Latz geklebt. Mir erklärt, dass ich jetzt mit MS, also dem Fräulein Trulla leben müsste und dass ich den Trip zu machen habe. Weil es weder ein Umtauschrecht, noch eine Reiserücktrittsversicherung gibt. Oder gab. Stornieren ist nicht und die AGB geben kein Schlupfloch her, um sich abzusetzen.
Deshalb befinde ich mich, in der Fachsprache auf Kongressen oder auch in der Forschung und bei Ärzten auf der so genannten "Patient Journey". Also der Reise, die ein Patient im Laufe seines Lebens mit einer Erkrankung macht. Oder besser gesagt, die Erfahrungen, die man eben macht, wenn man lebenslänglich mit einem Fräulein Trulla lebt. Packen wir also den Koffer ...
Und in den Koffer kommt alles, was keinen Spaß macht. Angefangen bei doofen Diagnosen, die dein Leben über den Haufen schmeißen bis hin zu Therapieoptionen und fiesen Untersuchungen, Stigmatisierung und dummen Sprüchen und anderen Dingen, die wenig Spaß machen. Aber so muss Reise oder? Spaß ist nicht erlaubt. Zumindest nicht auf diesem Trip.
So gesehen, wenn wir schon über Reisen reden, dann über Horrortrips. Über solche Reisen, die anstrengend sind, Kraft brauchen und Energie absaugen. Reisen, die man in Leben nie buchen würde oder wäre eine Reise so, würde man wahrscheinlich entrüstet an der Rezeption oder beim Reiseleiter aufschlagen und dem eigenen Ärger Luft machen.
Darüber, wie beschwerlich die Wege sind, wenn die Beine schwer werden, wie scheiße sich Spastiken anfühlen und wie eklig der Nebel im Hirn ist und man die Worte kennt und nicht aussprechen kann. Darüber, wie es sich anfühlt, wenn einem auf einmal das Gesicht quasi einschläft und die Fatigue einem nicht mehr erlaubt, aufs Klo zu gehen. Darüber, wie es ist, wenn einem ein Arzt sagt, dass man quasi das nächste Level erreicht hat.
Das gehört zu dieser so genannten "Patient Journey". Eine Reise, die weit weg vom Vergnügen und Spaß stattfindet. Die den Begriff der Lebensqualität nicht kennt und die am Ende des Tages nur eines ist: anstrengend.
So sehen Reisen nicht aus. Reisen sind für mich Ferien, Spaß, Sonne, Wandern und Berge oder Meer und Sandburg. Wenn ich reise, schaue ich mir Städte an, erobere neue Landschaften, genieße gutes Essen, den Flirt mit dem Herzblatt und den Umstand, dass ich bedient werde. Es ist eine Sammlung wunderbarer Momente die das Reisen ausmacht. Momente, die man für den Augenblick bewahrt, in dem es einem schlecht geht.
Das ist Reisen. Nichts anderes. Ich fände es schön, wenn wir die Patientenreise nicht mehr als solche bezeichnen, weil sie anstrengend und gruselig ist. Eben das Gegenteil von dem, was eine gute Reise ausmacht.
Dieser Weg, den wir alle gehen ist einer, der teilweise hart ist und uns viel abverlangt. Übrigens auch denen, die mit uns unterwegs sind. Durch das Leben mit MS. Klar gibt es gute Tage, das ist keine Frage, aber sie überwiegen nicht, wie es bei einer guten Reise üblich ist. Und es gibt kein richtiges Ankommen, kein Ziel ausser dem, dass man sich das Leben so gut es geht gut macht. Bei einer Reise hat man ein Ziel, man kommt an und kann zurück. Ich kann nicht zurück. Das verbietet die MS. Ich kann nur vorwärts und es ist keine Reise, es ist ein Leben, das man lebt.
Und so sollte man es nennen. Leben mit MS. Gerne auch einen Weg den man geht, aber mit MS ist man auf keiner Reise und keinem coolen Trip. Es gibt übrigens auch kein Urlaubsgeld, das ich aber für die Reise dann bräuchte, zu einer guten Reise gehört nämlich auch, dass man Souvenirs einkauft oder in den Metropolen der Welt mal bummeln gehen kann. Kann ich aber nicht. MS erlaubt das nicht, ich muss damit leben, fertig.Wir sollten also aufhören, positiv besetzte Begriffe für das zu benutzen, was alles andere als schön ist und die Fräulein Trullas dieser Welt beim Namen nennen: MS und wir müssen damit unser Leben leben und unseren Weg gehen.
Und wenn wir verreisen, wollen wir Spaß. Auf der Journey. Ok?
Birgit
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