Dienstag, 28. September 2021

Denk positiv! Oder warum das auch manchmal nervt!

Kennt Ihr das? Es ist Fasching. Du bist schlecht drauf, kannst nicht so wie du möchtest und am Ende des Tages wäre dir mehr nach Ruhe, nach ein bisschen heulen vielleicht oder nachdenklich sein. 

Dann kommt jemand um die Ecke, zerrt dich zum Faschingszug und weil ja Fasching ist, müssen alle Helau schreien, kreischen und lachen und fröhlich sein. Ob einem danach ist, ist für viele dann zweitrangig. Sie sind fröhlich. Ob sie wollen oder nicht.

Ehrlich gesagt, habe ich das als Kind schon nicht verstanden. "Du musst mitlachen!" oder "schön schauen" ist mir immer erklärt worden und ich habe mich oft gefragt, was das soll, wenn ich doch überhaupt gar keine Lust habe. 

Ich habe diese befohlene Fröhlichkeit immer als toxisch empfunden, denn sie ist ein Vortäuschen von falschen Tatsachen. Chronisch fröhlich gibt es nicht. Weil es nicht nur ein Gefühl gibt.  Und es geht mir bis heute so.


Als ich die Diagnose bekam, kamen sie alle, die vermeintlich immer fröhlichen Menschen. 

"Denk positiv" "sei dankbar" oder auch "Du hast noch soviel Schönes" oder auch "Hey, jetzt wo du krank bist, kannst du es doch genießen, Zuhause zu sein!"

Das waren ihre Phrasen, ihre Tipps, vermeintlich gut gemeint, aber schlecht gesagt. Und es hat mich angekotzt. Die beste Phrase war: "Schau, die hat das auch und die fährt sogar noch mit dem Auto!" wurde mir gesagt, mit großen runden Augen. Dass ich vorher mit dem Auto vorgefahren war, schien der Person entgangen zu sein. 

Wenn man in einem schwarzen Loch sitzt, kann man nicht immer nur das Schöne sehen. Und das sage ich, die wirklich resilient ist und eher den Nutzen als den Schaden zu sehen vermag. Aber auch ich habe diese Tage, grau und neblig und lästig. Da kann ich nicht lachen oder fröhlich sein und ehrlich gesagt, ich will es dann auch nicht. Dann ziehe ich es vor, ein bisschen rum zu granteln oder ein bisschen knatschig zu sein. Ich finde, ich darf das. Weil neben der guten Laune auch die andere Laune ist und viele dazwischen. Weil es eben nicht nur schwarz oder weiß gibt. Sondern viele Facetten. 

Prinzipiell weiß ich es zu schätzen, wenn man versucht, mich aufzuheitern. Es ist nicht böse gemeint. Dabei übersehen diese Menschen aber eines ganz gewaltig: sie müssen mich nicht mit positiven Floskeln beschäftigen oder motivieren um mir quasi ein neues Bild meiner Realität zu verschaffen und alles super positiv zu sehen. Fakt ist: Ich habe MS und das ist eine chronische Erkrankung, die ab und an eben nicht nett zu einem ist, sondern weh tut. 

Wenn jemand stirbt und wir trauern, ist das auch so. Und wenn man trauert, schlecht gelaunt ist, gehört das zum Leben. Weil es eben mehr als nur gute Tage gibt. In diesen Momenten finde ich dieses positive, schleimige und oft süßlich klebrige Gedöns echt belastend. Es hilft mir nicht. Denn es ist ein falsches Bild vom Leben. Diese ewig währende Positivität ist giftig, ja ungesund. Vor allem, wenn man damit quasi überschüttet wird. 

Das, was man in traurigen Situationen braucht, ist nicht endlose Positivphrasen. Man braucht Unterstützung, eine Schulter zum Ausheulen und Anlehnen. Jemand, der einem Tee hinstellt, sich daneben setzt und wartet oder das kalte Schweigen, das traurige Momente mit sich bringen, in ein warmes, verständiges verwandelt. In solchen Situationen tut es gut zu wissen, dass einem keiner irgendwelche positiven Dinge aufs Auge drücken wird, die man nicht erträgt und die eben eher schaden. Auch für Trauer, Wut und Ärger muss im Leben Platz sein. 

Mir ist sehr wohl bewusst, was eine positive Grundhaltung bewirken kann, wie sie hilft, auch über Dinge hinweg zu kommen. Es ist mir klar, dass man nicht ewig in den schwarzen Löchern sitzen sollte, sondern irgendwann aufstehen muss, um vorwärts zu gehen. Aber am Ende, muss man selbst entscheiden wenn man soweit ist. Mit befohlener Fröhlichkeit aber klappt das nicht. Dann wird aus einem mühsamen Prozess ein noch heftigerer Prozess und der schmerzt.

Man kann nicht alles heilen. Der Verlust von geliebten Menschen, Diagnosen oder andere schlimme Vorfälle passieren und sie hinterlassen Spuren. Narben. Das Leben ist nicht immer schön und fröhlich, es ist auch mal schwarz oder grau und das gehört genauso dazu wie das Quirlige, Farbige.

Ich habe gelernt meine Gefühle offen auszusprechen. Das hat am Anfang besonders die umgehauen, die mir immer auf der Positiven kamen. Aber es klar zu machen, dass das Reiten auf positiven Floskeln jetzt überhaupt gar nicht hilft, sondern schadet, ist wichtig, um die Dosis der Positivität zu senken und zwar so, dass wir sie vertragen. Weil eben die Dosis das Gift macht, so frei nach Paracelsus. 

Wie geht es dir damit? 

Birgit 



Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG

Bilder: Pixabay.com 


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