Dienstag, 19. Oktober 2021

37. ECTRIMS Congress - eine Zusammenfassung!


Wer mich kennt weiß, dass ich einen Kongress besonders mag. ECTRIMS - European Committee for Treatment and Research in MS. Meinen ersten ECTRIMS besuchte ich 2013 in Kopenhagen und am Anfang hat mich der Kongress echt überfordert. 

Es geht um: MS und alles ist sehr wissenschaftlich von neuen Daten getrieben und ehrlich gesagt, ist nicht immer alles verständlich und ab und an muss man weiter recherchieren, um alles so zu verstehen, dass man es am Ende anderen erklären kann. Das ist nicht so einfach, aber über die Jahre kriegt man Übung. 

ECTRIMS2021 in Zahlen: 


Beeindruckend oder? Sich da durch zu arbeiten geht nicht ohne dass man sich vorher mal hinsetzt und die Rosinen aus dem Kuchen pickt und das sind echt viele Rosinen wenn man nicht aufpasst. 

Daher gibt es heute einen sehr groben Überblick über einige Hot Topics und Eindrücke.

Hinweis: Die hier geschilderten Eindrücke spiegeln nicht meine Meinung wieder. 

Immer noch wichtig: Impfung generell und gegen Corona

In einigen Sessions ging es um die Impfung. In einem Meet the Expert an dem ich teilgenommen habe, wurde klar: Impfungen generell sind wichtig und richtig. Dabei ist zu beachten, dass jeder eine eigene Impfstrategie haben muss, auch im Hinblick auf die Therapien. Mittlerweile gibt es auch in Sachen Coronaimpfung ganz gute Daten in Verbindung mit den üblichen MS Therapien, auch was CB-20 betrifft, die es ermöglichen, Impfungen so zu legen, dass sie nicht mit der Therapie kollidieren. Daher klare Empfehlung, wenn es ums Impfen geht, ist es wichtig und hilfreich, das mit den Ärzten abzuklären und zu planen. Übrigens sprachen sich die Experten auch für die Grippeimpfung aus. 

Progression: immer noch heiß diskutiert

Auch das Thema Progression wurde in einigen Sessions heiß diskutiert. Noch immer sammeln die Forscher jede Menge Wissen und Daten dazu, denn Progression zu stoppen oder auch vorherzusagen oder deren Entwicklung einzugrenzen, ist gar nicht so einfach. Wie aus Studien bekannt ist, beginnt die Progression sehr früh und daher ist es wichtig, neue Messwerkzeuge und weitere Studien zu entwickeln, die es ermöglichen, progressive Aktivitäten so zügig wie möglich zu identifizieren. Wichtigstes Instrument ist nach wie vor die Aufnahme im MRT. Hier wurde klar, dass wenn eine Person mit MS stabil ist und regelmäßige Scans erhält, nicht immer eine Aufnahme der Wirbelsäule nötig ist, sondern oft eine Aufnahme des Gehirns reicht. Weiterhin wurde auch die Gabe von Gadolinium als Kontrastmittel diskutiert, die, so eine amerikanische Wissenschaftlerin und Ärztin, bei stabilen Patienten, die regelmäßig überwacht werden, nicht immer nötig ist. Nur wenn jemand nicht regelmäßig ein MRT erhält oder zur Diagnoseabklärung zum MRT antreten muss, ist es superwichtig, das mit Kontrast zu machen. 

Patient Reported Outcomes - PROs

Manche von Euch kennen das vielleicht: wenn man an einer klinischen Studie teilnimmt, muss man unterschiedliche Fragebögen ausfüllen. Oder wenn man eine Therapie macht, kann es passieren, dass ein Fragebogen ausgefüllt werden soll. Das wird vom Patienten selbst übernommen und damit unabhängig zur Ärztin oder dem Arzt wird die Erfahrung quasi aus einer anderen Perspektive geschildert. PROs werden, wie gesagt oft als Fragebögen zum Ausfüllen, aber auch immer häufiger in elektronischer Form zur Verfügung gestellt. 

Man fragt deshalb, weil die Anwendung einer Medikation, die Nutzung einer App zum Erkrankungsmanagement oder eine Therapie wie Physio etc., einen Einfluss auf uns haben und man möchte damit herausfinden, welchen Einfluss eine Therapie hat und wie sie sich auswirkt. Und da wir immer häufiger über Lebensqualität diskutieren auch, welche Auswirkungen die Maßnahme auf die Lebensqualität haben kann. 

Allerdings ist auch klar: PRO's wurden bisher ohne uns entwickelt. Die Fragen kamen also von den Experten, die verständlicherweise ein ganz anderes Bild haben als wir, die wir mit MS leben. Die Experten in dieser Session kamen zum Ergebnis, dass Patientinnen und Patienten besser in die Entwicklung von PRO's eingebunden werden müssen, um möglichst realistische Daten zu erhalten und davon lernen zu können, um bessere Möglichkeiten, Therapien etc. zu entwickeln. 


Neu im Fokus NMOSD - Neuromyelitis - Optima - Spektrum Erkrankungen  (Devic disease)

NMOSD ist eine so genannte seltene Erkrankung und tritt mit ca. 1 bis 3 Fällen pro 100.000 Einwohner auf. 

Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, wie MS auch eine ist und betrifft das Rückenmark, den Hirnstamm aber vor allem den Sehnerv. 
Zu den Differentialdiagnosen gehört die MS, denn viele Patienten mit NMOSD werden zunächst mit MS diagnostiziert, weil NMOSD auch in Schüben verläuft. 

Der Unterschied ist, dass sich bei der Erkrankung ein Antikörper nachweisen lässt, den man bei MS nicht findet. So gesehen viel gemeinsam, aber eben doch nicht. Deshalb haben die Experten auch damit angefangen, darüber zu diskutieren, wie man NMOSD und MS besser ein- und voneinander abgrenzen kann, um Menschen, die mit den Erkrankungen leben, besser und zielgerichteter behandeln zu können. 

Wer sich einlesen möchte kann das hier: https://flexikon.doccheck.com/de/Neuromyelitis_optica

Und sonst:

Für SPMS werden immer mehr Daten benötigt, daher macht es Sinn, Datenregister aufzusetzen und für uns macht es Sinn, unsere Daten verfügbar zu machen, um mehr über SPMS herauszufinden. 

Sport hilft, so fanden Forscher heraus, die Progression und Kognition besser im Griff zu behalten. Neurorehabilitation ist, oder soll keine Maßnahme nur nach Schüben sein, sondern frühzeitig als präventive Maßnahme für Patienten zur Verfügung gestellt werden. 

Biosensoren, also FitBits, Smartwatches oder wie wir sie von Diabetes kennen, können helfen, mehr über einen Erkrankungsverlauf und Symptome zu erfahren, auch über Aktivitäten und das hilft den Ärzten auch, bessere Empfehlungen abzugeben. Generell sind digitale Gesundheitslösungen und deren Anwendungen ein heißes Thema. 

In den Poster Sessions war zum Beispiel Schlaf ein wichtiges Thema. Eine Sache, die viele von uns betrifft, auch mich. Kleinere Studien befassen sich damit, wie sich Schlafmangel auf uns auswirkt, im Gesamten gesagt: Schlecht, und was zu tun ist. Melatonin kann eine Option sein. Fest steht, wer schlecht schläft, gewährt der MS quasi Vorschub und das sorgt oft für eine Verschlechterung der Symptome. Daher ist es wichtig, das Thema auch mit den Ärzten zu besprechen, wenn es aufkommt und dafür zu sorgen, dass man am Abend entspannt, für gute Schlafhygiene sorgt und was haben wir gelernt: Keine Smartphones im Schlafzimmer oder so. ;-) 

Was mir in diesem Jahr, erneut, fehlte, waren Menschen mit MS in den verschiedenen Diskussionen und panels, was ich auch in einem Tweet ausdrückte: 
Auch das Thema "Frauen und MS" fehlte mir in dem Jahr. Auch das Thema Menopause ist eines, das noch immer noch nicht ordentlich bespielt wird. Ich fände das wichtig. Zum einen ist MS und Menopause eine sehr offene Sache, es gibt wenig Informationen und ich dachte, es gäbe mehr dazu, nachdem ich zu Beginn des Jahres eine erste Studie dazu gelesen habe. Daher hoffe ich, dass sich eine Forscherin des Themas annimmt. 

Wer mehr wissen will, hier gibt es einen Rundblick von EMSP in Englisch: 


Es gäbe noch viel zu berichten und ich werde meinen Zugang nutzen und noch weiter Sessions und Poster nachschauen so oft es geht und darüber berichten. 

Herzliche, müde und erschöpfte Grüße

Birgit 


Bilder: BB, screenshots
Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG 


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