Mittwoch, 27. Oktober 2021

Lass das Vergangene hinter dir und schau nach vorn!

Diesen einen Satz, den ich für heute als Überschrift gewählt habe, ist einer, der mich seit einer Weile begleitet. Er kam auf, als ich erneut gefragt wurde, etwas über meine Diagnose zu erzählen und wie ich mit der MS umging. Und ich warne euch, das hier wird ehrlich und nachdenklich. Und ein bisschen Widerstand. 

Und ich bin ehrlich, solche Fragen betrachte ich manchmal als arg überflüssig. Denn die Antworten darauf sind aus der Vergangenheit. Aus einer Zeit, die nicht dem Heute entspricht. Weil die Situation 2005 eine andere war, die Gegebenheiten nicht dem entsprechen, was damals war und weil ich heute jemand anders bin. 

Hier an dieser Stelle habe ich in den letzten Jahren immer wieder drüber philosophiert, was war. Aber gebracht hat es wenig, weil die Zeit voranschreitet. Genauso wie ich älter werde. Das ist der Lauf des Lebens. Es ist ein Fortschreiten, alles entwickelt sich.


Wir, die MS, die Forschung schreiten voran, wenngleich wir keine Glaskugel haben um zu sehen, was passieren wird. Daher sind Wünsche, was in Sachen MS passieren kann ziemlich überflüssig und meist nicht besonders realistisch.  Wir kennen die Details nicht. Die derzeitige Situation jedes einzelnen Projektes ist für uns nicht einsehbar und damit haben nicht genügend Wissen, um einzuschätzen, was ein realistischer Wunsch wäre. Daher lasse ich das. Und lebe diesbezüglich im Jetzt. Das erscheint mir mehr sinnvoll als das Stöbern im Ungewissen. 

Das ist genauso wenig sinnvoll wie das Stochern in der Vergangenheit eines Menschen, das genau mit der Frage "wie hast du dich gefühlt als ..."passiert. Oft machen sich die, die fragen keine oder nur wenige Gedanken drüber, ob es ok ist und ob jemand das möchte. Schaut man auf den weiteren Hintergrund dieser Frage, könnte man sich auch Gedanken darüber machen, ob das nicht vielleicht auch ein Grund für die oft nicht so gute Reputation der MS ist und damit Menschen auch schnell zum Opfer erklärt werden, denn immer wenn man diese traurigen Geschichten hört, entsteht ein negatives Geschmäckle und ob wir das immer so brauchen, wenn wir über MS aufklären wollen, lasse ich jetzt mal dahin gestellt.

Auf der anderen Seite hilft dieses Stochern nicht wirklich einen Mehrwert für die zu generieren, die Antworten präsentiert bekommen. Diese Erlebnisse haben uns persönlich etwas beigebracht, Dinge, die uns helfen konnten, vorwärts zu gehen, aber auch abzuschließen. Das Vergangene hinter uns zu lassen und dafür zu sorgen, dass wir vorwärts kommen. 

Und damit sind wir beim Kern: Wenn ich eins gelernt habe, dann das, dass es nichts bringt, in der Vergangenheit zu kleben und darüber zu klagen oder nachzudenken, was passiert ist. Ich kann es nicht mehr ändern. Genauso wenig denke ich über das nach, was ich mir selbst gesagt hätte, hätte ich die Möglichkeit dazu gehabt, mir eine Botschaft in die Vergangenheit zu schicken. Denn am Ende ist es schon passiert. Vergangen. Vorbei. Unveränderlich.

Es gibt Situationen, in denen ich mich zurück katapultiert fühle, ein Deja vu erlebe und sofort zurück in die Zukunft, also meine Zeit will. Es war ein harter Prozess, mit allem abzuschließen. Denn der Tipp, der eben in der Überschrift zu diesem Beitrag steckt, ist das, was ich getan habe. Ich folgte der Botschaft und habe viel Gepäck abgeworfen. Ballast, den ich nicht mehr aufgreife, Dinge, die ich abgeschlossen habe. 

Ich wälze keine Probleme mehr, die zurück liegen. Ich suche nach Lösungen im Jetzt. Und da sind einige, die man durchaus gut nutzen kann. Wenn man sie sehen will und sieht. 

Klar könnte ich die Geschichte von Fräulein Trulla, wie sie zu mir kam (per Diagnose nachdem ich beim Arzt war) und was sie so tut oder tat, immer wieder schön vor mir her tragen. 

Ich könnte sie wiederkäuen bis St. Nimmerlein. Aber was bringt das? Euch und mir? Nichts. 

Weil es vergangen ist und weil das, was zu lernen war, längst gelernt ist.  Es ist wie es ist. Das Buffet ist längst abgeräumt und es kommt etwas Neues auf den Tisch. Ob uns das passt oder nicht, darauf haben wir keinen Einfluss. 

Was wir aber tun können ist klar: Wir können versuchen, das Beste draus zu machen. Wir können erneut lernen, ein bisschen mitnehmen und zur Weisheit oder Erfahrung erklären. Und wir können nächste Schritte machen, wie immer sie aussehen mögen. Wir können nach vorne schauen und uns darüber klar werden, dass das, was vergangen ist, eben um die Ecke huscht und damit den Raum für etwas Neues schafft. Wenn wir es lassen. 

Ich habe es gelassen. Zugelassen. Weil irgendwann klar war, dass das Hadern mit dem Vergangenen nichts bringt. Es versteinert. Hält fest. Auf eine unangenehme Art und Weise, die nicht wirklich gesund ist oder gut tut. Das ganze Ding ist dermaßen klebrig, dass man sich sofort die Hände waschen will um es los zu werden. Es ist eine unangenehme Art, die uns daran hindert vorwärts zu gehen, unser Leben in die Hand zu nehmen und es zu nutzen, zu gestalten trotz oder gar wegen der MS, es wertvoll zu machen und zu leben. 

Die Vergangenheit vergessen kann man nicht. Aber man kann sie hinter sich lassen, die Essenz daraus ziehen und dann Platz für das Neue machen, das als nächstes kommt und beachtet werden sollte. Um irgendwann wieder vergangen zu sein, eine kleine Botschaft hinterlassend um die Ecke huscht und wieder Platz für Neues macht. Aber darin stochern sollte keiner. Wir nicht und auch andere nicht. Das ist die Form des Respekts, den wir diesen Dingen, uns und anderen entgegen bringen können. 

Das ist der Lauf des Lebens und dessen sollten wir uns bewusst sein. Und dessen, dass Stochern in der Vergangenheit die man selbst hat oder die andere haben, nicht wirklich viel bringt. Außer oft eine Rolle, die am Ende nicht die ist, die man für sich möchte. Die Opferrolle. Wer will die schon. 

Nachdenkliche Grüße 

Birgit 



Text: Birgit Bauer, Manufaktur für Antworten UG 

Bilder: Pixabay.com 

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