Montag, 8. August 2022

Fast. Urlaub. Und ein Krisenplan.

Um es so zu sagen, ich war eigentlich in Urlaub. 

Es war ein Urlaub, den ich echt nötig hatte. Alles hätte so schön sein können. 

Zum einen weil ich kurz davor einen Schub hatte, nicht so tragisch, meine rechte Hand war taub, aber trotzdem hat das Kraft gekostet. Weil jeder Schub unheimlich Energie abzieht. Und ich hatte ein bisschen Virus. Alles schön verpackt, quasi zwei zum Preis von einem. 

Ich habe trotzdem weiter gemacht, habe einfach funktioniert. Und ich kann funktionieren, weitermachen. Ich bin da bis zu einem bestimmten Punkt ziemlich resilient und gut im Ignorieren. Aber: Jeder hat so seine Grenzen. Sogar ich. Am Ende war ich echt reif für die Insel. Ich wollte nur weg. Koffer ins Auto und ab durch die Mitte. Was auch passierte. Aber ..... 

Was soll ich sagen, ich bekam Berge und brauchte einen Moment um runter zu kommen. Um genießen zu können. Ich sprang fast jeden Morgen ins Schwimmbecken und schwamm, arbeitete an meiner Fitness und konnte endlich ab einem Punkt genießen. Nachdem auch der letzte kapiert hatte, dass bei mir erst mal nur ein Responder antwortete und ich nicht wirklich reagiert habe. ;-) Es gibt Menschen, denen ist der Begriff "Urlaub" offenbar fremd, die arbeiten immer. Ich nicht. :-) Ich meine "Urlaub" echt ernst. 

Wir waren also endlich angekommen. Und schon mussten wir wieder weg. Ein Notfall zwang uns zum Abbruch. Gerade in dem Moment, als ich anfing, endlich loslassen zu können, der Moment in dem ich einfach nur noch genießen konnte und der Zeitpunkt, wo mir die Ideen quasi zufliegen. 

Aber: Aus und vorbei. Am Ende waren es 5 Tage. Und das war schlicht zu wenig. 

Dann fing alles sich zu drehen, meine schlimmste Befürchtung bewahrheitete sich und ich fühlte mich irgendwie mitten in einer der Achterbahnen, bei denen man beim Hinschauen schon kotzen könnte. Man hat mich aber da einfach rein geschubst. Mich angeschnallt und seitdem muss ich da mit. 

Es ist eine Gefühlsachterbahn, die echt gruselig war und immer noch ein bisschen ist. Belastend. Solche Situationen zeigen einem die wahren Gesichter der Menschen und die sind nicht immer das, was man gewohnt ist. Auch, weil es keine oder nur wenig Kommunikation gab und gibt. In mancherlei Hinsicht habe ich mich von einigen wenigen Krümeln ernährt, was nicht half, einen Überblick zu bekommen, geschweige denn einen Plan zu machen, wie man mit diesem Fall umgehen könnte. Wie man helfen kann. Ich konnte nicht. Ich war außen vor. Obwohl ich mit meinem Wissen hätte wirklich helfen können. 

Auch etwas, das weh getan hat, was bis heute etwas ist, was ich nicht verstehe. So stirbt nicht nur einer, sondern es sterben auch Wege in der Kommunikation, in der Verständigung und im Verständnis. Etwas, das in solchen Situationen so wichtig und hilfreich wäre. Wenn mann es zulässt. Sag ich euch so aus der Erfahrung heraus. Klar, jeder reagiert anders in Krisenfällen, das ist klar. Aber man muss Wege zueinander finden um miteinander gehen zu können. Jemand außen vor zu lassen ist nicht gut. Das ist schmerzhaft und hilft keinem und schon gar nicht der Atmosphäre. 

Die Frage war: Was mach ich jetzt? 

Zuerst habe ich mich zurück gezogen. Bin bewusst auf Abstand gegangen, weil ich nicht das Gefühl hatte, etwas ausrichten zu können und Abstand kann in solchen Fällen hilfreich sein. Denn: Wer nicht redet, dem kann nicht geholfen werden. Der will halt vielleicht auch nicht oder kann nicht. Dann ist es besser, das einfach sein zu lassen, aber die Türe nicht zuzuschlagen, sondern offen zu halten und es anderen zu überlassen, ob und wann sie durch die Türe gehen.  

So gesehen, das half. Ich kam zurück in ein Tempo, das mich für den Moment nicht überfordert hat, sondern mir den Raum ließ, den ich brauchte, um diese Achterbahn wenigstens zu bremsen, wenngleich sie nicht zu stoppen war und ist, aber es wird stetig langsamer. Das half, um einen gewissen Überblick zu bekommen. 

Allerdings: Ich bin immer noch gestresst, meine Nerven liegen teilweise im wahrsten Sinne des Wortes blank. Wie das mit MS so ist. Und es ist nicht nur der körperliche Effekt der durch die Hitzewellen verstärkt wird, sondern auch meine mentale Grundstimmung. Ich bin dünnhäutig und die Situation ist kniffelig: Den Urlaub verlängern kann ich nicht, weil es echt viel zu tun gibt. 


Was ich entwickelt habe, war ein Krisenplan zur Überbrückung: 

1. Abstand, um die negative Stimmung aus der Luft zu kriegen und durchzuatmen 

2. Mir selbst gut tun und mich sortieren um in Balance zu kommen, seelisch wie körperlich

3. Arbeitszeit limitieren (geht überraschend gut weil ich versuche so effizient wie möglich zu sein) Stichwort: 4 Tage Woche. Oft diskutiert, in manchen Unternehmen eingeführt und oft erfolgreich. So auch hier. Kann ich echt empfehlen. 

4. Unterstützung suchen und annehmen, um das Gefühl des ausgelutscht sein wegzukriegen und sich weniger einsam zu fühlen. 

5. Da ich im Moment scheinbar nur wenigen Menschen etwas recht machen kann, leise werden und nur dort sein, wo das klappt. Der Rest bleibt erst mal draußen. 

6. Alles Gute, das kommt, genießen. 

7. Hobbies pflegen also: Stricken, wenn auch langsam und zögerlich und Romane lesen, die entführen. In sowas wie schönere Welten oder andere. 

8. Eine Woche Zusatzurlaub buchen. Im Herbst. Berge. Und das habe ich schon getan und kann mich schon mal freuen. Vorfreude hilft ungemein. 

Was mir jetzt wichtig ist: 

Dass ich die Möglichkeit habe, mich selbst zu sortieren, das hatte ich in den letzten beiden Wochen und ich mache noch weiter damit. Wieder dorthin zu kommen, wo ich normalerweise nach dem Urlaub bin. Mit Schwung und gut gelaunt. Projekte entwickeln und den Herbst vorbereiten. So gesehen, ich nähere mich an. 

Was ich schon gemacht habe und immer noch tue ist bei gutem Wetter zu schwimmen. Das kühlt ab und ich baue durch die Bewegung jede Menge Energie ab, kann meine Gedanken fließen lassen und besser entscheiden. Zudem hilft es mir, meinen Körper positiv zu fühlen, ein Bewusstsein zu schaffen, dass es klappt. Jede Bahn zählt und hilft. 

Was das Fräulein betrifft, sie zickt noch immer. Wenngleich sie sich zurück gezogen hat und sich meine Symptome fast zurück gebildet haben. Aber die Hitze und Herr Uhthoff sind gefährlich im Moment. Also bleibe ich in den heißen Stunden des Tages drin und das hilft. 

Grobe Richtung: Vorwärts! 

Das ist meine Losung im Moment. Wenngleich ich noch ab und an das Gefühl habe, auf der Stelle zu treten. Mir ist klar, dass ich aber vorwärts muss, weil das Leben nicht stillsteht. Und weil es manchmal nötig ist, neue Wege zu finden, um das zu erreichen, was man braucht. In meinem Fall eine innere Ausgeglichenheit, die mich trägt bis ich meinen Herbsturlaub erreiche. 

Es ist ein nicht ganz einfacher Prozess, aber einer, den ich glaube, schaffen zu können. Ich habe - Thank God - von meiner Psychologin nach der Diagnose viel gelernt und mitgenommen, das ich jetzt ausgrabe und anwende. Vieles davon hilft. Und das ist gut so. 

Auf dem Weg .... vorwärts. 

Birgit 


Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG 

Bilder: Pixabay.com 

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