Donnerstag, 30. Mai 2024

Über Mut, Stärke und das Lernen vom Leben ... Welt MS Tag 2024


Da ist er wieder, der gute, alte Welt MS Tag. 

Er kam rein, mit so einem Motto, über das ich nebenbei seit Wochen nachdenke, weil ich es irgendwie schwierig finde. Aus mehreren Gründen. 

Wenn man es so liest, dieses in Großbuchstaben gebrüllte Motto 

Mit MUT und STÄRKE LEBEN lernen ....,

dann denke ich immer, sag das mal jemand, der gerade aus der Diagnose kommt ... 


Also, ich mein, hätte mir das jemand am 21. Januar 2005 gesagt, hätte ich dem den Vogel gezeigt und wäre einfach gegangen. Wahrscheinlich hätte ich mich gefragt, ob der noch ganz sauber ist, wie soll ich bitte in all diesem Schubelend mutig und stark sein und noch dazu das Leben lernen. Ich war 33 und hatte schon ein Leben und das Fräulein Trulla kam und hats einfach über den Haufen geschoben. WTF? 

Aber ein bisschen anders ist es dann doch. Weil eigentlich haben wir es in uns. Diesen Mut, die Stärke und damit können wir leben. Und lernen. Sie bewegen uns weiter oder können uns helfen, uns weiter zu bewegen. Wenn wir das wollen. Und das ist der Knackpunkt: Wollen. 

Es ist die Gretchenfrage, die wir beantworten müssen: Wollen wir oder Wollen wir nicht? 

Aus heutigem Blickwinkel kann ich sagen, ich wußte nicht ob ich wollte. Aber ich wußte, dass ich aus dem Krankenhaus raus wollte. Denn das hat mich unsagbar gestresst. Krankenhäuser und Kliniken sind wie Gift für meine Seele, sie machen mit aggressiv und verwirren mich, ich kann mich dort nicht erholen und fühle mich noch kränker. 

Also, ich wollte erst mal raus. Nachdenken wollte ich auch. Und ich war auch mutig, weil ich die Broschüren, die mir dieser rüde Kerl, der sich als Neurologe bezeichnet hat, ohne jegliche Erklärung in die Hand drückte, sofort im Müll versenkt habe. 

Da war er also, der Mut, der zur Gegenwehr blies und mir klar den Wind in die Segel blies, um meine eigene Route zu finden. Die Stärke war da eher erst zurückhalten, aber sie wurde mein Kumpel, ich hatte sie nämlich in mir. Man nennt das auch Resilienz, die innere Widerstandskraft und sie trieb mich langsam aber beständig vorwärts. Flüsterte mir liebevoll ins Ohr, dass ich das kann und zusammen mit meinem Bauchgefühl war und ist sie an meiner Seite. 

Habt Ihr gewusst, dass man Resilienz tatsächlich auch trainieren kann? 

Bei den Krankenkassen gibt es oft Kurse oder auch Vorträge, die man oft günstig oder gar als Mitglied kostenfrei mitmachen kann. Und es hilft, sich damit auseinander zu setzen. Auch ein Coach oder ein Psychologe können helfen, an der eigenen Resilienz zu arbeiten. 

Meine erste Übung war übrigens das "Nein" zu sagen. Laut und deutlich. Kam bei einigen Menschen in meinem Leben nicht gut an. :-) Während sie selbstverständlich nein sagten, konnten sie mein Nein nicht akzeptieren. Nun, wir haben uns getrennt. Auch so eine Sache, sich darüber klar werden was oder wer einen Stress oder gar toxisch für einen selbst ist und entsprechend Abhilfe schaffen. Eine nicht ganz so einfache Sache, aber unheimlich wohltuend für das eigene stabile Seelenleben und das ist wichtig bei MS.

Das ist übrigens eine der Kraftquellen, die ich mir immer wieder vor Augen halte: Menschen, die mich nicht als "krankes Gehirn" auf zwei Beinen betrachten oder noch schlimmer als "Patientin" fast schon diskriminieren, sondern die mich sehen wie ich bin. Die schräge Chaotin, die vor Kreativität manchmal überläuft und liebend gerne die Stricknadel schwingt. So eine, die sich nicht scheut, sich mal zum Affen zu machen oder zu coolen Songs begeistert hopst, wenn das Fräulein nicht hinschaut. :-) Aber auch eine, die man manchmal in den Arm nehmen muss, die sich festhält und auffangen lässt, weil auch das dazu gehört. Der Mut zuzugeben, dass es gerade einfach mies ist.  

Und da ist er wieder, der Mut. :-) Ein Geselle von dem immer viele behaupten, sie hätten ihn nicht. Glaubt mir eins, in solchen Situationen ist er da, er ist einer, der macht nicht viel Aufhebens um sich, aber er greift ein, wenn es nötig ist und bringt uns dazu zu uns zu bewegen, etwas zu unternehmen, für oder gegen etwas. 

Generell bin ich ja eher schon mutig, ich springe in kaltes Wasser und versuche zu schwimmen, ich bin auch spontan und ich glaube, manchmal übermütig neugierig, was ab und an auch stressig wird aber durchaus hilfreich ist, wenn es mal schnell gehen muss. 

Was ich viel spannender finde ist es, mutig und informiert Entscheidungen zu treffen und die Stärke zu zeigen, dahinter zu stehen und gut damit leben zu können. Das ist verbunden mit lebenslangem Lernen, was durchaus Sinn macht, trainiert es doch auch unser Gehirn. 

Und da macht das Motto Sinn, weshalb ich es jetzt mal stark und mutig erweitere: 

Mutig und stark leben, informiert entscheiden und vorwärts gehen anstatt im Vergangenen zu verweilen. 

Das bringt einen nämlich auch nicht vorwärts. Genauso wenig wie der Konjunktiv 2, als hätt ich, wäre ich oder täte ich. Besser ist ich habe den Mut und bin stark und mache das, was ich kann, damit ich gut lebe. 

So gesehen, bleibt mutig und stark, habt Spaß und vor allem: lernt, seid offen und schaut in die Welt. Da ist Vieles, das wichtig ist, Menschen, die tollen, die an unserer Seite sind, Tage, die man nicht missen möchte und die Erinnerungen hinterlassen, die gut tun und das Leben an sich, das vorwärts strebt und sich nicht wirklich in den Stillstand zwingen lässt.

Ich wünsche Euch einen guten MS Tag. 

Birgit 


Bild: Birgit Bauer / Marion Stein 

Text: Birgit Bauer c/o Manufaktur für Antworten UG 

2 Kommentare:

  1. So habe ich meinen Blogartikel auch begonnen, dass ich demjenigen damals mit der Aussage den Vogel gezeigt hätte. Liebe Grüße Caro

    AntwortenLöschen