Montag, 6. Mai 2024

Es reicht. Ich höre auf.

Na? Schockiert? 

Ich gehe davon aus, dass sich viele schon nach dieser Überschrift fragen könnten, was jetzt kommt. Vielleicht fragen sich viele von euch, ob ich wirklich aufhöre. Weil es mir reicht. Weil ich einfach keinen Bock mehr habe. Vielleicht weil es mir zu viel wird und möglicherweise ist. Weil mich der "work load", der mir von anderen immer klagend vorgehalten wird, die ihn so verspüren eingeholt hat und ich mich überfordert fühle.

Klar könnte ich jetzt alles mit einer Vollbremsung beenden. Von heute auf morgen. Schluss, Ende, Aus. Es reicht. 

Um ehrlich zu sein, vor einigen Wochen hatte ich diesen Moment. Es war ein Moment, da war meine Geduldsgrenze so überschritten, ich dachte darüber nach, warum ich mich täglich mit voller Kraft für etwas einsetze und immer wieder im Hamsterrad meine Runden drehte. Zumindest fühlte es sich so an. Und es war klar, ich schmeiße hin.


Aber so einfach ist es nicht. 

Weil eigentlich will ich weder aufhören, noch aufgeben noch alles stoppen. 

Ich mache es nämlich gern. Habe Spaß bei dem was ich tue. Ich liebe meinen Job wirklich. 

Jedoch ist auch klar, so ging und geht es nicht weiter. 

Irgendwo zwischen den letzten, ziemlich stressigen Monaten, in denen ich mir quasi den Arsch für mein Lieblingsprojekt aufgerissen habe und für meinen Job und meine Sachen für die ich stehe, habe ich mich irgendwo am Straßenrand stehen gelassen. Und dann habe ich mich eingeholt. Oder besser gesagt, ich wurde dazu gezwungen, einen Gang runter zu schalten. Ihr wißt, wovon ich rede, das gute alte Fräulein Trulla hat sich bemerkbar gemacht und ich muss sagen, wenigstens mein Gefühl dafür, wann sie zum Angriff ansetzt, hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch und das hat mich in gewisser Weise gerettet. 

Aber was will man machen, wenn man schwankt wie im Vollrausch, Schmerzen hat und sich extrem MSsig fühlt? Stoppen. Absagen verteilen, nicht zu Events fahren und auf der Bühne stehen und etwas Schlaues von sich geben und sofort langsamer werden. SOFORT. Nicht später. 

Es war kein knallharter Schub, wir, also mein Team und ich, haben eingegriffen und es rechtzeitig erwischt, bevor ich den totalen Absturz erlebt hätte. Aber es war eine deutliche Warnung. Ich kam ins Nachdenken. Das kann gut sein oder, wie in diesem Fall, auch ein bisschen unangenehm. Aber was muss, das muss und es war gut so. Im Nachhinein. 

Mir wurde schnell klar, dass ich so nicht weiter kann. Dass der Marathon der vergangenen Monate durchaus Spuren hinterlassen und mir eine Rechnung stellen würde, war klar. Es war also soweit, Zustellung! 

Wenn etwas Spaß macht oder wenn man etwas vorantreibt, neigt man ja gerne dazu zu vergessen, dass da noch das eigene Leben ist, dass Ressourcen ab und an aufgefüllt werden müssen und ein Perspektivenwechsel an sich eine verdammt gute Sache ist. Man neigt dazu nur noch über das, was man tut nachzudenken und gerät mal eben in eine Art Hamsterrad, aus dem es schwierig ist, wieder rauszukommen. Es braucht einen Bremsklotz. Bei mir ist das das Fräulein Trulla. 

Mir war klar, ich muss echt auf das Sofa. Dass mein Zeitrahmen ein wenig limitiert ist und war, war auch klar, uns allen, dem gesamten Team, aber die Strategie und der Hintergrund, den ich mir für solche Fälle geschaffen habe, funktioniert wirklich gut. Für Sie erprobt, sag ich nur. Schafft Euch im Hintergrund Szenarien, die greifen und schnell wirken. Sorgt dafür, dass ihr ein Team habt, nicht nur Ärzte, sondern auch Menschen, die eingreifen können und euch unterstützen und nein, für das Annehmen von Hilfsangeboten muss man sich nicht schämen. Ganz im Gegenteil. 

So gesehen, es hat jetzt niemand so richtig gemerkt, ausser einigen aus der Community, die mich sehr gut kennen, dass ich eigentlich nicht wirklich da war. Wenn ich nämlich auch eines kann, dann dass ich zu gewissen Punkten funktioniere. Ich habe Pokerface und kann Reserven auf den Punkt aktivieren, bevor ich dann wieder aufs Sofa plumpse. Das war sozusagen ein Stresstest und was soll ich sagen: Funktioniert auch. 

Dazu kamen einige zarte Erinnerungen von einigen wenigen Mitmenschen, die mich da so gesehen haben. Sie ließen mich wissen, dass das, was ich in den letzten Monaten geleistet habe, wertvoll und wichtig war und ist. Aber eben auch, dass ich wichtig bin. 

Da waren auch einige moralische Zeigefinger im Spiel, die ich echt zum Kotzen fand, aber hey, was solls, ich habe in den letzten Jahren auch gehört, dass ich auch darauf hören sollte. Nicht auf alle, es gibt Menschen, die können nur moralisieren, aber sie tun es nur als Erziehungsmaßnahme und weniger konstruktiv. Und für Erziehungsmaßnahmen bin ich definitiv zu alt. Ich bin nämlich schon groß. ;-) Diese Menschen helfen nicht. Sie liefern keine Alternative oder eine Idee, wie man etwas ändern kann. Also rechts rein und links raus. Fertig. Der eingebaute Spamfilter hilft und funktioniert. 

Aber da sind die, die wirklich konstruktiv sind, sie werden einen Moment ein bisschen moralisch, kommen dann aber wohlmeinend und wertschätzend um die Ecke und schlagen etwas vor. Dinge, mit denen man arbeiten kann, die helfen, eine andere Perspektive einzunehmen und damit auch einen Schritt nach vorne zu machen. Das hilft.

Wie dem auch sei, es waren nicht so schöne Wochen, körperlich wie auch psychisch, aber ich musste mir gegenüber zugeben, ich habe so ein bisschen Raubbau betrieben. Nicht. Gut. Und ja, ich müsste es besser wissen. 

Es geht eine Zeit sehr gut, aber wenn es um das Durchhalten geht, muss man sich die eigene Power anders einteilen. An sich weiß ich das, ich lebe mit MS. MS heißt auch einen Marathon laufen. Weil es eine Erkrankung ist, die gut beherrschbar, aber eben nicht heilbar ist. Und seit ich auch noch mit den Freuden der Perimenopause zu tun habe, ist alles manchmal doppelt schwierig. Ich bin sozusagen auf "Hormon", ob das gut ist, wage ich zu bezweifeln und ich bin dran, aber es ist auch nicht einfach, die Verbindung zwischen Gynäkologie und Neurologie zu schaffen, denn die wissen ja gefühlt gleich gar nix voneinander.  Über das Thema müssen wir nochmal reden, aber nicht hier. Also auch noch so eine Aufgabe, die neben all dem Berufsgedöns hier noch anfällt und wenn du auf "Hormon" drehst, weißt du ja selbst nicht wer du eigentlich bist. 

Es sind also nicht einfache Zeiten und auch Herausforderungen, die es derzeit zu lösen und zu managen gilt. Und es ist schlicht eine Menge. Und manchmal ist es einen Moment einfach zu viel. 

Und dann muss man stoppen. Sich der Aufgabe des Runterkommens stellen, was auch nicht so einfach ist, weil man so hoch in die andere Richtung gedreht hat, dass es schwierig ist, die Achterbahn ebenfalls zu stoppen. Dann übersieht man noch, dass man nicht alles machen muss und wenngleich Perfekt schon lange nicht mehr mein zweiter Vorname ist, so schlägt sie zu, sobald man einen Moment nicht hinsieht. 

Was ich gelernt habe: Dreh nicht zu hoch, hohe Drehzahlen lassen einen heiß laufen und die Sache wird extrem unübersichtlich. Wieder mehr "Nein" sagen. Prioritäten wieder besser setzen und dafür sorgen, dass ich wichtiger bin als der Rest. Hört sich egoistisch an? Ist es aber nicht. Alles andere lenkt einen dauerhaft in die Selbstzerstörung. Wer will das schon. 

Wichtig ist im Hinterkopf zu haben, dass der Anspruch, den viele in unserer Welt immer stellen, an uns und oft an sich selbst, nämlich Prinzip Höher, Schneller, Weiter, nicht der Anspruch ist, den wir immer haben können, sollten oder dürfen und auch müssen. Manchmal geht es auch langsamer oder einfach indem man nicht dabei ist oder teilnimmt. Du kannst nicht überall sein, du kannst nicht alles machen und wenn andere so aussehen, als wäre es so, ist immer noch die Frage: Kennst du dich noch selbst? 

Das macht nachdenklich. Weil es die Drehzahl in ungesunder Weise nach oben schraubt und einen mitreißt, ob man will oder nicht. Man geht zwischen Deadlines, Druck und Terminen unter, verliert sich im schlimmsten Fall und kommt als zerbröseltes Etwas in Grau irgendwann dort an, wo es weh tut. In meinem Fall wäre es ein heftiger Schub oder derlei. Braucht auch keiner, wenn wir ehrlich sind und stellt die Frage, wie hoch wir uns schrauben wollen und wie perfekt diese unsere Welt wirklich werden oder sein muss, damit wir gut versorgt und zufrieden leben können. Hochleistungsgesellschaft vs. Mensch sein?

Wie auch immer, für den Moment bin ich wieder dort, wo ich eigentlich sehr gerne bin. Bei mir. Und ich habe nichts versäumt und werde nichts versäumen, wenn ich mal nicht da bin. Ich habe das wieder gefunden, was ich die Monate vermisst habe, die Expertin, die Frau, die ihren Job kann und nicht nur das brave Arbeitsbienchen ist. Ich kann verdammt gut abarbeiten und schnell produzieren und Ideen umsetzen. Druck kann ich ab, er verschafft mir oft die Ideen, die richtig gut sind. Aber dafür brauche ich auch Zeit für mich. Damit ich das sein kann, was ich bin: ein kreativer Kopf, jemand der erfahren ist, lernt, entwickelt, innovativ groß denkt und umsetzen kann. 

Eine Chaotin vor dem Herrn, eine, die im Büro die Stereoanlage aufdreht und eine Runde hopst, eine, die Projekte schiebt, weil sie x Ideen hat, eine Rampensau, die eine Stimme hat und die dem Fräulein Trulla gepflegt die Türe weist, wenn sie nervt. 

Ich habe damit angefangen, meine ein bisschen angeraute Welt wieder farbig werden zu lassen. Dinge zu klären und ich miste aus. Schaffe dort Klarheit, wo die Ecken müffeln oder angestaubt sind. Das verschafft neue Wege und öffnet neue Türen. 





Was ich ja noch sagen wollte: 

Es reicht nicht. 

Ich höre natürlich nicht auf. 







Was hättet Ihr jetzt gedacht? 

Birgit 


Bilder: 

pixabay.com 

Canva.com by Manufaktur für Antworten UG 


Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG 


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