Dienstag, 15. April 2025

Zwischen Verantwortung und Versorgung: Warum wir mehr Lösungen statt Empörung brauchen - über Wartezeiten und Mehrfachbuchungen

Vor einigen Tagen hat die Debatte um mögliche Ausfallgebühren für versäumte Arzttermine hat in den Medien kurz für Wirbel gesorgt – aber mehr war es dann auch nicht. Kein breiter Diskurs, keine neuen Zahlen, keine wirklichen Konsequenzen. Der vielzitierte „Sturm“ war eher ein kurzes Lüftchen. Heute, nur wenige Tage später, ist kaum noch etwas davon zu hören. Und das ist fast bezeichnender als der Aufreger selbst.

Denn was bleibt, ist ein strukturelles Problem, das längst bekannt ist – und das bislang weder durch Forderungen noch durch Schlagzeilen ernsthaft angegangen wurde.

Versorgung mit Wartezeit – die altbekannte Schieflage

Es ist unbestritten, dass unser Gesundheitssystem in Sachen Terminvergabe seit Jahren große strukturelle Schwächen aufweist. Facharzttermine sind derzeit nur schwer zu bekommen, Wartezeiten lang, das Terminmanagement nicht selten intransparent oder schlicht überfordert. Das alles ist nicht neu – und doch ist kaum etwas geschehen. Und selbst bei der aktuellen Recherche zur Thematik fällt auf: Es gibt kaum konkrete Daten, wenig belastbare Zahlen, und überraschend wenig substanzielle Reaktionen.

Umso seltsamer wirkt es, wenn dann doch einzelne Akteure lautstark im Namen anderer Empörung einfordern. Ob es wirklich Sinn macht, im Namen von anderen für andere ein paternalistisches Fass aufzumachen – eines, das vielleicht kurz stürmt, dann aber so schnell abflaut, dass es letztlich niemanden interessiert hat – darf bezweifelt werden.

Verantwortung ist kein Angriff – sondern Teil des Miteinanders

Trotz aller struktureller Schwierigkeiten: Wir sind erwachsene Menschen. Wir gelten als geschäftsfähig – und genau so sollten wir uns auch selbst behandeln. Wer einen Termin vereinbart – insbesondere, wenn man sich vorsorglich auf mehrere Wartelisten setzen lässt –, sollte auch die Verantwortung übernehmen, nicht benötigte Termine rechtzeitig abzusagen.

Das ist keine Schikane. Es ist schlicht ein Zeichen von Respekt gegenüber anderen, die dringend einen Platz brauchen. Und es ist, ehrlich gesagt, in vielen Lebensbereichen längst normal: Wer einen Tisch im Restaurant reserviert und nicht erscheint, zahlt unter Umständen eine Gebühr. Wer eine Reise nicht antritt, muss mit Stornokosten rechnen. Warum sollte das ausgerechnet in einem der sensibelsten Bereiche – der Gesundheitsversorgung – grundsätzlich anders gehandhabt werden?

Eine Erfahrung aus der Praxis – im wörtlichen Sinne

Ich bin selbst Dauerpatientin in der Physiotherapie. Und ich erlebe dort, dass ein fairer, menschlicher und respektvoller Umgang mit Terminen absolut möglich ist. Wenn jemand ausfällt, sagt man rechtzeitig ab – nicht, weil man muss, sondern weil es selbstverständlich ist. Weil andere den Platz brauchen. Weil das System sonst hakt.

Wir alle wissen von Anfang an: Wenn wir unentschuldigt fehlen, wird die Sitzung berechnet. Das wurde offen kommuniziert. Und das ist in Ordnung. Denn so bleibt das Angebot für alle nutzbar. Ob privat oder gesetzlich versichert, spielt dabei keine Rolle. Alle werden gleich behandelt – und das funktioniert erstaunlich gut.

Oft wird pauschal behauptet, privat Krankenversicherte würden grundsätzlich bevorzugt. Und ja, es mag solche Fälle geben. Aber ebenso gibt es viele Ärzt:innen, die alle Patient:innen gleich behandeln – auch Privatversicherte ganz selbstverständlich nicht bevorzugen, wenn es nicht gerechtfertigt ist. Verallgemeinerungen helfen hier nicht weiter. Der Unterschied liegt weniger im Status als im individuellen Umgang – und in der Haltung der Praxis.

Diese Erfahrung zeigt: Es geht. Mit Klarheit, mit Haltung und mit einem Mindestmaß an gegenseitiger Rücksichtnahme.

Was fehlt, ist nicht Wut – sondern Wille zur Veränderung

Selbst wenn man eine Ausfallgebühr einführen wollte – wer soll sie eigentlich einfordern? Wie viel zusätzlicher Aufwand entsteht dadurch in der Praxisorganisation? Was passiert, wenn Patient:innen nicht zahlen? Mahnverfahren, Streitfälle – all das bringt ebenfalls Kosten, Zeitverlust und Frust. Auch diese Fragen wurden bisher kaum diskutiert – was die Sache nicht gerade praktikabler macht.

Statt reflexhaft der Entrüstung freien Lauf zu lassen und ein Fass aufzumachen, das weitreichende Folgen nach sich ziehen würde, sollten wir uns lieber darauf konzentrieren, was wirklich hilfreich sein könnte.

Mein Vorschlag:
Lass uns gemeinsam einen Weg finden, der Menschen mit Erkrankungen nicht ihrer Rolle als verantwortungsvolle und bewusste Menschen beraubt, sondern sie befähigt, proaktiv zu handeln – für ihre Gesundheit und für das gemeinsame System. Gib ihnen die Kompetenz, die ihnen zusteht, und fördere das mit echten Angeboten, klarer Kommunikation und Vertrauen.

Und dass wir nun endlich auch das System selbst reformieren müssen, ist ohnehin klar. Aber auch hier gilt: Wir alle müssen mit diesem System leben – ob es um Hindernisse oder um gute Wege geht. Wir sollten nicht nur Betroffene sein, sondern Beteiligte.

Fazit: Weniger Fässer, mehr Haltung

Ob Patient:innen, Ärzt:innen, Verbände oder Politik: Es bringt uns nicht weiter, ständig neue Gräben aufzumachen. Statt im Namen anderer moralische Empörung zu simulieren oder pauschal zu urteilen, braucht es ehrlichen Dialog. Die Probleme sind real – aber sie lassen sich nicht durch Aufregung lösen. Was es braucht, ist Haltung, Vernunft – und den Mut, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und innovative wie pragmatische Ideen, die helfen, die Situation zu lösen.

Was denkst du? 


Birgit 

Die Geschichte zum Kommentar: https://www.tagesschau.de/inland/arzttermin-versaeumnisgebuehr-100.html

Bild: AI entwickelt mit ChatGPT und Sora

Text: Birgit Bauer 


Montag, 24. März 2025

„Wir sind doch alle Patienten …“ – Warum mich dieser Satz jedes Mal irritiert! - English Version: ‘We're all patients, after all...’ – Why this sentence irritates me every time

Please scroll down for the English Version!




Manchmal sind es nicht die großen Diskussionen, die einen beschäftigen – sondern ein einziger Satz. Einer, der scheinbar beiläufig fällt, aber hängen bleibt. 

Einer, der mehr verdeckt als erklärt. 

Vergangene Woche war es wieder so weit. Ich habe mich in einer Runde für die Einbindung von Menschen mit Erkrankungen ausgesprochen, dafür, dass ihre Perspektive gehört werden muss – und dann kam er wieder: „Wir sind doch alle Patienten.“

Ein Satz, der vieles sagen will – und dabei so vieles übersieht.

Montag, 10. Februar 2025

Ersthelfer in ungewissen Zeiten: Warum Selbstfürsorge zwischen Symptom und Diagnose so wichtig ist!

 Wenn sich erste Symptome einer bis dahin noch unbekannten Erkrankung zeigen, passiert oft erst einmal – nichts. 

Man hofft, dass sie wieder verschwinden, ignoriert die Zeichen oder wartet einfach ab. Wird schon wieder werden. Wenn dann schließlich doch ein Arztbesuch erfolgt, verlässt man sich darauf, dass alles seinen Lauf nimmt. Motto: Das System wird's schon richten.

Donnerstag, 23. Januar 2025

Ist das Fräulein in Vergessenheit geraten - oder wie man das 20jährige schlicht vergisst ...


Ups, Fräulein Trulla, ich hab deinen Geburtstag vergessen. Und nein, ich schäme mich nicht mal. Warum? Weil du schon lange nicht mehr das Zentrum meines Universums bist, und das ist auch gut so.

Früher, als du frisch bei mir eingezogen bist, hab ich dich am Anfang jeden Tag hofiert und über jede deiner Kapriolen gesprochen, als wären sie der Mittelpunkt der Welt. Aber weißt du was? Ich hab nach einiger Zeit gemerkt: Das Leben mit dir ist nicht mein ganzes Leben. Und da hab ich dich mal ordentlich zurechtgestutzt.