Montag, 16. Dezember 2013

Wenn einer eine Diagnose bekommt ...

Es ist so, wenn einer eine Diagnose bekommt, dann steht die Welt für einen Moment still. Meistens, wenn es um chronische Erkrankungen oder derlei üble Gesellen geht.

Man selbst ist irgendwie aufgelöst. Wohin mit sich selbst, weiß man oft nicht wirklich und meistens weiß man noch nicht mal richtig, was los ist. Man kanns gar nicht verstehen, wie auch, wenn man gefühlstechnisch am unteren Limit sitzt und zum ersten Mal von etwas hört ...

Dann braucht man Unterstützung ...
Ich habs schon oft geschrieben, wie diese Unterstützung aussehen könnte. Da sein, zuhören, mitfühlen, aber nicht mit leiden, geduldig sein und ein wenig achtsam, damit man merkt, wenn etwas benötigt wird.

Oft sind es ganz kleine Dinge, die helfen, dass man sich wohler fühlt. Mir half immer, wenn jemand mit mir lachte, tut es auch heute noch. Einfach blödeln. Entspannt extrem gut.

Oder wenn mir jemand eine Tasse Tee hinstellte und mit mir schwieg. Was aber nur dann geht, wenn man sich miteinander wohlfühlt. Dann fühlt man sich auch im gemeinsamen Schweigen geborgen und das ist oft mehr, als man erwartet. Ist man in Gesellschaft eines Menschen, mit dem man sich nicht wohlfühlt, wird das auch nichts, dann wird man immer reden, um dem Unangenehmen aus dem Weg zu gehen.

Was man nicht braucht, sind schlaue Sprüche oder, wie kürzlich erlebt, hyperaktives Verhalten. Gehetzt wirkte eine Bekannte beim Einkauf. Sie müsse etwas tun und sie wisse nicht was und ich müsse helfen und andere müssen helfen überhaupt: Die Welt müsse helfen.

Der Freund vom Freund einer Freundin ihres Mannes hat eine Diagnose bekommen. Weiß Gott, nicht die schönste Diagnose und eine Belastung für die ganze Familie und für meine Bekannte irgendwie ein Drama. Sie müsse alles wissen und denen übergeben. Sie müssen doch alles wissen, man müsse etwas tun.

Sie müsse etwas tun.

Etwas tun, finde ich gut. Aber hektisch und panisch wie ein oller Hamster im Laufrad alle zu aktivieren ohne zu wissen, ob das für den Erkrankten ok ist, ist die große Preisfrage.

Das war bei mir auch so und am Ende saß ich in Mitleid, Brottrunk, der angeblich heilen sollte, in Informationen, die ich damals noch gar nicht verstehen konnte und dem eigenen Elend, das ich auch nicht kapierte.

Ich habe mir angewöhnt, immer zuerst die Lage zu sondieren, mich vorsichtig vorzufragen, bevor ich überhaupt irgendwen um Unterstützung ersuche. Ein Patient in dieser Situation braucht weder hyperaktives Hamsterverhalten, noch schlaue Weisheiten. Er braucht Menschen. Solche, die da sind. Meistens ist auch ein Arzt nicht schlecht, oder eine erfahrene Pflegekraft, die mehr weiß und erstes Grundwissen vermitteln kann. So, dass man sich zurecht findet. Wissen in Häppchen, verdaulich und einnehmbar im eigenen Zeitrahmen. Denn, das weiß ich aus eigener Erfahrung, je mehr man sich im eigenen Tempo vortasten kann, desto mehr Fragen wird man stellen und desto mehr Informationen wird man sich holen. Und wenn man dann soweit ist, dass man wieder mehr verträgt, dürfen auch alle Hamsterhyperaktiven los und sich betätigen. Nicht eher.

Es ist eine Geduldssache, dieses Helfen. Dieses Unterstützen. Und ich war damals allen denen dankbar, die mich erst einen Moment in Ruhe gelassen haben, bevor sie mich mit Dingen konfrontieren, die mir Mühe machten, sie zu verstehen.

Ich hatte einen Arzt, das Internet, ganz wenige liebe Menschen und das war genug. Als ich Kraft hatte, suchte ich mir Therapeuten, Fachleute und mehr Wissen. Rückblickend ein Weg, der nicht der schlechteste aller Wege war und den ich vielen schon empfohlen habe, alles andere hätte mich damals überfordert.

Und als ich erfuhr, dass schon (oh Entrüstung!!) Ablehung auf die Unterstützungsangebote gekommen war, erzählte ich genau das. Manchmal muss man Dinge ein wenig aussitzen, sie ruhen lassen, bevor man sich annähern kann. Tut mans, versteht jeder den anderen und man kann gemeinsam versuchen, mehr zu erfahren. Weil dann noch Platz für wirkliches Fachwissen, ordentliche Recherche und das Sortieren aller eingehenden Informationen ist. Und genau das ist wichtig, nicht alles, was man erfährt, stimmt immer oder ist gut für einen ....

Nachdenklich,
Birgit

2 Kommentare:

  1. Liebe Birgit,

    ich möchte dir danken. Für all die Worte die Du schreibst, die Situationen, die du mit uns teilst und den Einblick, den du uns gibst. Ich selbst habe kein Fräulein Trulla, das mich besucht. Doch meinem Mann wurde ein paar Tage vor Weihnachten die Diagnose mitgeteilt. Zusammen mit den Worten "bitte informieren Sie sich im Internet, ich habe für ein so weitreichendes Beratungsgespräch gerade keine Zeit". Das haben wir (leider) getan. Mit dem Ergebnis, dass die Hoffnung noch geringer wurde und die Befürchtungen noch größer. Das schwarze Loch in das wir fielen wurde immer größer, stülpte sich um uns und nahm uns jegliche Hoffnung. Und dann fand ich deinen Blog. Und hatte endlich die Bestätigung: es gibt Menschen, die sich nicht darauf reduzieren lassen, was ihr Körper mit ihnen macht. Ein anderer Arzt wurde gefunden, der sich zwei Stunden lang alle Fragen angehört hat und geduldig beantwortet hat. Der lachend fragte, wie sich denn mein Mann vorstelle, den Stress aus seinem Leben fernzuhalten und wenn er das wisse, solle er ihm bitte Bescheid sagen. Der die Situation einfach realistisch gesehen hat.
    Nun ist mein Mann kein Mensch, der ständig über seine Gefühle spricht, der sich keine Schwäche erlauben möchte, weil er sich von dieser Diagnose nicht runterziehen lassen möchte. Leider teilt er mir auch nicht mit, wenn er die ersten Anzeichen eines erneuten Besuchs spürt und somit werden wir immer wieder aufs Neue davon überrascht. In solchen Situationen suche ich nach deinem Blog. Und hole mir Kraft. Kraft von dir, die ich hoffentlich ihm und auch seiner Familie geben kann. Ich lese, wie man sich fühlt, da er es mir nicht immer gleich sagt. Deshalb: Danke! Danke, dass du all das mit uns allen (vermutlich auch stillen Lesern) teilst und uns Kraft gibst. Ein Beispiel für einen positiven Umgang mit der Diagnose MS gibst. Danke.

    Liebe Grüße
    Alex

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    1. Liebe Alex,
      ganz lieben Dank für deinen Kommentar, der mich sehr gerührt hat. Das Verhalten Eures ersten Arztes ist schlicht eine Frechheit. So lässt man seine Patienten nicht zurück und schon gar nicht vor Weihnachten. Das ist unsensibel und unverschämt aber gut, ich freue mich, dass ein realistisch denkender Kollege von diesem Menschen sich Zeit genommen hat.
      Mit der Diagnose zurecht zu kommen, die eigenen Grenzen neu zu ergründen und daraus etwas zu machen, das dauert etwas, aber das kommt. Da bin ich mir sicher. Nach einem halben Jahr konnte ich auch nicht sagen, ob oder welche Beschwerden ich habe und in welche Schublade ich sie zuordnen sollte. Das dauert ein bisschen, man muss sich ander einfühlen in den Körper. Im ersten Jahr waren wir auch immer wieder überrascht, wenn Trulla sich zeigte. Nehmt Euch Zeit. MS lernt man nicht von heute auf morgen kennen, aber, das kann ich dir jetzt so sagen, man kann trotz MS Spaß haben und ein gutes Leben leben. Ich bin heute auf dem Weg nach Dublin zu einem Kongress von der European Multiple Sclerosis Plattform und bringe bestimmt das eine oder andere Gedankenstück mit. Weil wir uns da auch über Ärzte und Verbesserungen für Patienten unterhalten werden. Dat Fräulein fährt also wieder mal im Laderaum mit. :-) Alles Liebe und ich drück die Daumen, dass alles gut wird. Birgit

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