Dienstag, 17. Juni 2014

Drüber reden ....

Was soll ich jetzt? Drüber reden oder nicht?
Du redest ja drüber.

Ja ich, weil ich ich bin. Hätte ich sagen können. Hab ich aber nicht.
Aber es ist schon so eine Frage. Spricht man über MS und teilt der Welt mit, dass man Patient ist oder nicht?

Was passiert wenn und wenn nicht? Offen oder durch die Blume? Hä?

Schwierig ist das, das kann ich Euch sagen. Vor allem, wenn man das gefragt wird.
Das ist mir letztens passiert und ganz ehrlich, ich wußte nicht wirklich eine Antwort.

Für mich war es von Anfang an klar, dass ich irgendwann sehr offen kommunizieren werde, dass ich MS habe. Ich ging von Anfang an davon aus, dass ich es auf Dauer nicht würde verschweigen können und daher war meine Idee, lieber mit offenen Karten zu spielen als mit verdecktem Blatt vor mich hin zu wursteln.

Ich habe mir damals einige Wochen Zeit genommen, um mir selbst klar darüber zu werden, was da gerade passiert, aber ich bin so, ich sage irgendwann, was los ist und ich habe das meistens ;-) wohldosiert gemacht. Gut, es gab zwei oder drei Genies, denen hätte ich vielleicht gar nichts sagen sollen, weils schlicht besser gewesen wäre, aber im Gesamten war es schon gut so. Für mich.

Mir war auch klar, dass es kein Muss ist, es überhaupt irgendwem zu sagen. Nirgendwo steht geschrieben, dass es meine Pflicht ist, die MS zu offenbaren. Noch nicht mal im Gespräch mit Arbeitgebern. Aber wollte ich das? Ich entschied mich damals anders. Für mich. Und zwar mit allen Konsequenzen. Die muss man sich ebenfalls bewusst machen, um richtig zu entscheiden. Denn geht man offen damit um, kann es von Zeit zu Zeit auch ein wenig unangenehm werden. Nichts, das man nicht überleben würde, aber man muss das im Gedächtnis behalten. Und aushalten.

Meine Lösung passt sicherlich nicht für alle. Ich kenne auch Patienten, die bis heute verschweigen, dass sie MS haben. Wie sie das machen, weiß ich nicht. Ich frage mich manchmal schon, wie man Fatigue oder auch einfach Schmerzen oder eben auch typische Symptome oder auch Schübe so verheimlichen oder verschweigen kann, dass es nicht auffällt. Aber gut, das ist nicht das Problem. Vielleicht sind diese Patienten von der Betroffenheit der anderen so betroffen, dass sie es einfacher empfinden, schlicht nicht zu kommunizieren, dass sie MS haben. Vielleicht ist es zu schwierig für sie, mit den oben erwähnten unangenehmen Begegnungen zurecht zu kommen, das ist absolut verständlich. Und bevor man sich quält ....

Eine echt kniffelige Frage. Was passiert wenn du offen bist? Hm, bei mir trennten sich schnell die Geister. Viele gingen, einige, sehr liebe und mir wertvolle Menschen blieben andere kamen. Einfach war und ist es nicht immer und trotzdem, ich habs überlebt. Und werde das auch weiter überleben.

Auf der anderen Seite, was passiert, wenn ich schweige? Verpasse ich mir selbst ein Stigma, einen Stempel, der mir das Leben vielleicht sogar schwerer macht als die Offenheit?

Letztlich, so glaube ich, ist es immer so eine Frage des eigenen Geistes, der eigenen Gesinnung. Der Einstellung zum eigenen Leben, da ja nicht stehenbleibt.

Ich glaube, die Frage an sich kann nur jeder für sich entscheiden. Helfen kann nur der Erfahrungswert von anderen. Vielleicht. Oder die stille Entscheidung, die man ganz für sich alleine trifft und die unbeeinflusst passiert.

Meine Entscheidung fiel tatsächlich ohne weitere Einflüsse. Ich begann darüber zu reden und mir hat es gut getan. Ich habe so meine Erfahrungen gemacht. Nicht immer waren sie nett oder gut. Aber ich habe auch daraus gelernt. Habe Gespür entwickelt für die Menschen, die mir gegenüber stehen. Mittlerweile kann ich auch besser abschätzen, was ich wem wann wo sage und in welcher Form. Ich kann quasi die Entscheidung dosieren. :-)

Aber entscheiden, das muss jeder selbst. Und für sich. Nach dem, was ihm gut tut. Denn drüber reden kann man immer. Die einen tun es eben sofort, die anderen später. Und das ist gut so.

Wie kommuniziert Ihr Eure MS?

Birgit

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Birgit,

    ich weiß jetzt gar nicht ob du meinen Kommentar siehst oder eine Benachrichtigung bekommst weil ich hier auf einen bereits älteren Eintrag reagiere. Ich bin erst kürzlich auf deinen Blog gestoßen und hole gerade die älteren Beitrage quasi nach ;)

    Jedenfalls... gerade jetzt beschäftigt mich das Thema "Wie sag ich's...?" mehr als sonst. Ich bin 33 Jahre alt und hab meine Diagnose letztes Jahr im Mai bekommen. Grundsätzlich gehe ich sehr offen mit dem Thema um, is mir auch lieber so als Heimlichtuerei. Fatigue und Co sind so schon anstrengend genug. ;)

    Aber ... ABER. Nun hab ich vor ein paar Wochen jemanden kennengelernt. Dieser Jemand scheint einer zu sein auf den ich schon lange gewartet hab. Und plötzlich fällt es unglaublich schwer es auszusprechen was es da noch über mich zu wissen gibt. Ich weiß schon, den richtigen Zeitpunkt wird's wohl nie geben. Und ich weiß auch, dass, wenn er auf die Info hin das Handtuch wirft, ohnehin nicht der Richtige war. Aber aber aber ... Tja. Bleibt spannend. Werd's dann wohl irgendwann in nächster Zeit aus dem Bauch heraus entscheiden und spontan aussprechen.

    Viele liebe Grüße aus Österreich und ein großes Kompliment für deinen Blog!
    Sprichst mir ganz oft aus der Seele!
    Claudia

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    1. Liebe Claudia, ich sehe fast alles. :-) Vielen Dank für dein Kompliment, ich freue mich drüber. Drüber reden, bei besonderen Menschen, ist immer schwierig. Ich glaube auch, dass dir dein Gefühl sagt, wenn der Zeitpunkt stimmt. Und dann sehen. Ich wünsch dir alles Liebe! Viele Grüße! Birgit

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