Dienstag, 13. Januar 2015

Menschen, die wie ein Anker sind ...

Hat man MS und spricht darüber, passiert oft etwas, was man schlecht verarbeiten kann.

Hallo! Ich hatte ja versprochen, diesen Monat ein bisschen über das zu erzählen, was mir mit MS am Anfang, so kurz nach der Diagnose so passiert ist.

Zum einen, weil es gut ist, sich manchmal zu erinnern, damit man feststellen kann, wie weit man mit einer Erkrankung mit MS doch noch im Fluss des Lebens schwimmen kann und dafür auch dankbar ist und zum anderen, weil hier auch viele sind, die nicht alles von Anfang an mitbekommen haben. :-)


Sprechen wir heute über Menschen im Umfeld und MS. Oder Ankermenschen ...


Als ich meine Diagnose bekam, was nach drei Tagen Krankenhaus, unzähligen doofen Untersuchungen, dem Verschleiß einer Studiengruppe, die mich x mal fragte, wie groß ich bin, bis ich antwortete "Mit Absatz oder ohne?" und einem Diagnosegespräch, das fünf Minuten dauerte, weil der Arzt Feierabend hatte, war ich paralysiert.

Kann man verstehen oder? Nun, um es kurz zu machen: Ich habe lange erst mal nichts gesagt. Herzblatt und ich brauchten einen Moment, um das mit der Trulla zu verstehen. Dann entschloss ich mich, sehr wohl darüber zu reden. Zum einen, weil ich finde, dass MS kein Verbrechen ist, sondern ein neuer Umstand, der in mein Leben kam und der zu mir gehört und zum anderen, weil ich es dem einen oder anderen ohnehin hätte nicht verschweigen können.

Ich erzählte es also. Nicht allen, aber vielen.

Was dann passierte, das war seltsam und ich verstand es nicht. Damals. Heute schon.

Und jetzt werde ich deutlich: MS ist bis heute ein Stigma. Nicht bei allen. Aber bei einigen Zeitgenossen. Sie verstehen nicht, dass MS weder ansteckend, noch wirklich ein Hindernis für gute menschliche Beziehungen ist.

Aber sobald du diesen Menschen erzählst, was los ist, sind sie weg. Man wird in die Schublade der Kranken gesteckt. Und die, so bitter es sein mag, steht auf dem Abstellgleis. Man ist kein wertvoller Mensch mehr für sie, man ist eine Belastung. Weil man MS hat. Was man nie wollte. Und könnte man, würde man umtauschen. Kann man aber nicht. Es bleibt. Die Menschen gehen. Die Menschen, von denen man bis zu diesem Zeitpunkt gesagt hat, dass sie Freunde wären.

Das hat echt weh getan. Ich war quasi eine Person geworden, die man ausschließt. Nur weil sie krank ist. Ich habs nicht verstanden und tus bis heute eigentlich nicht. Ist doch idiotisch. Herzblatt meinte: Schau in die Vergangenheit, da wars normal, dass Kranke im Verborgenen lebten und man nicht über sie sprach. Glaubst du, dass die Evolution das in einer Generation aufholt und dafür offene Denke installiert? Nein. Recht hat er ja, aber weh tuts doch.

Damals trennten sich viele Menschen von mir. Verschwanden im geschäftigen Leben und kamen nie wieder. Manch einer verpflasterte mir noch eine "nette" Bemerkung und andere poppen ab und an auf, allerdings sind sie dann die, die auf die Frage "Wie gehts dir?" nur ein "Danke, gut" zu hören bekommen.


Was aber auch passierte, war eins, es kamen Menschen hinzu, denen es bis heute egal ist, ob ich MS habe oder nicht und die damit leben können, wenn ich mal nicht so mit kann, weil ich gerade einen Fight mit Fräulein Trulla habe. Andere blieben. Bei ihnen kann ich meinen Anker werfen und sie halten mich fest. Weil sie mich mögen. Sie sind meine Ankermenschen. Ruheplätze an denen MS ein Randthema ist und wo ich Spaß habe, Schultern finde, halt Menschen, die gut tun. Richtige Freunde. Solche, die dich festhalten, wenns dir schlecht geht und die, die du festhälst wenn es ihnen schlecht geht. Es sind wenige geworden, aber die hab ich umso lieber.

Dieser Prozess war am Anfang echt schmerzhaft. aber es brachte auch etwas Gutes. Ich lernte in dieser Zeit, Menschen einzuschätzen. Meine Menschenkenntnis wuchs und mein Bauch sagt mir bis heute, wem ich mehr von mir erzähle und wem nicht.

Dennoch verschweige ich die MS nicht, sie ist  ein Teil von mir und damit müssen auch die Menschen um mich herum irgendwie zurecht kommen. Das ist einfach so. Allerdings habe auch ich damit begonnen ein wenig zu unterscheiden. Zwischen "Danke gut" Menschen und meinen Ankern und das hilft. Und reduziert, nur so am Rande, wird so auch die Quote der Mitleider, die dann getröstet werden wollen, weil ich MS habe. :-) Das fällt unter Dinge, die wir nicht brauchen.

In den letzten Tagen habe ich oft davon gelesen, wie schwierig es teilweise für MS Patienten ist, zu kommunizieren, dass sie MS haben und dass sie Angst davor haben, Menschen zu verlieren. Kann ich verstehen. Total. Aber auch wenn man verliert, gewinnt man. Das habe ich auch gelernt. Denn die, die gehen, würden dich niemals länger ankern lassen. Die, die bleiben, die sind für dich da, solange du sie brauchst. Und das ist wichtig.

Deshalb, lasst euch nicht unterkriegen. In solchen Fällen sortieren sich die Menschen, so heftig es auch oft ist. Am Ende jedoch weiß man, auf wen man wirklich zählen kann und auf wen eher nicht.

Nachdenkliche Grüße heute,
Birgit



Bildquelle: Pixabay, Fotografin: Frauke!

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