Dienstag, 4. Juli 2017

Fast verloren .....

Ich sitze hier in meinem Büro, neben mir duftet eine Zitruspflanze, die gerade zum zweiten Mal in dem Jahr blüht und ich denke nach. Über die letzten Wochen.

So viele Eindrücke. Kann ein Mensch diese Masse je verarbeiten? Hm. Es gilt, sie zu sortieren.



Wobei, die letzten Termine habe ich abgesagt. Ich musste stoppen. Leider.
Als mich letzte Woche zur Wochenmitte während der Nacht eine Attacke von fiesen Spasmen überfiel und mir noch einen MS Hug beschert hat, der mich am nächsten Tag noch begleitete, weil mir wirklich alles weh getan hat und mir dazu noch der Trigemus äußerst schmerzhaft seine Anwesenheit mitteilte, sodass mir der Biss ins Weiche meines Marmeladenbrotes noch weh tat, beschloss ich, dass ich eine Pause brauchte. Und schrieb mich selbst krank. Muss manchmal sein, auch wenn mir das sehr leid getan und mich zum Heulen gebracht hat, aber ab und an ist ein Nein hilfreicher als ein "Ich tu es trotzdem". Und Schmerzmittel. So sie irgendwann wirken.

Gut, das Ding ist einigermaßen ausgestanden und ich bin auf dem Weg zurück, wenngleich ich froh um jeden Moment bin, den ich für mich habe. Muss ich ehrlich zugeben.

Denn ich hätte es fast verloren ....
Doch ich fand es wieder. Es war eingeklemmt zwischen Schmerzen, Eindrücken und Nachdenklichkeit und in einem Anfall von philosophischen Gedanken steckte es und reckte mir seine kleine kalte Hand entgegen.



"Wärm mich", bat es leise und schaute mir treuherzig ins Gesicht. "Wir sind doch Freunde!"

Stimmt, dachte ich und nahm die kleine Hand und drückte sie an mein Herz. Wärmte sie und war unendlich froh, das zu spüren. Denn es kehrte zurück. Leise, ein bisschen schüchtern, sich noch die eingeklemmte Kehrseite reibend und ein wenig steif vom Frieren da draußen trat es wieder ein.

Ich fragte mich selbst, wie ich es verlieren oder zurücklassen konnte. Wie ich so schändlich damit umgehen konnte und versprach, mich von nun an besser um das zu kümmern, was für uns alle wichtig ist. Das kleine Glück, das kleine Gefühl, das uns dann beschleicht, wenn wir uns einfach nur gut fühlen.

Glück ist für mich wichtig, ich habe sogar einen eigenen Glücksfaktor. Der kann mal höher sein, mal kleiner. Und als mich letztens jemand fragte, ob ich trotz MS glücklich sei, fragte ich ganz verblüfft: "Ja warum denn nicht?" Und blickte in ein ungläubiges Gesicht.

So gesehen: Mit MS ist glücklich sein nicht verboten. Auch sind mit der Diagnose die Reihe dieser kleinen Glücksmomente nicht für immer ausverkauft. Wenn ich eines mit der MS gelernt habe, dann das, dass ich sehr wohl noch viel Glück  mit entsprechenden Momenten habe. Etwas, wofür ich dankbar bin. Ich genieße die Momente hemmungslos. Und schaue ich genau auf das, was mich glücklich macht, sind es oft kleine Dinge, die für großes Glücksschauern sorgen.



Herzblatt ist mein größtes Glück. Ohne ihn ginge es manchmal nicht. Er ist der, der das Licht anmacht, mir Essen hinstellt, wenn ich von einer Reise nach Hause komme und der mich ins Bett packt, wenn es mir mal nicht gut geht. Der Kater ist ein Glück. Oder ein Glückskater. Er ist eine olle Schmusebacke und hat uns in den Monaten, in denen er jetzt Familienmitglied ist, gezeigt, was ein wenig Liebe, eine warme Decke und regelmäßiges Futter mit einer Portion Geduld so ausmachen können. Er ist auch glücklich.

Glück für mich sind Tage wie der neulich, als ich mit einer Gruppe Menschen zusammen traf, die allesamt echt voll lieb waren und mit denen ich langsam wanderte. Glück ist auch ein Knäuel Wolle, das ich verarbeiten kann und das Teil, was ich daraus stricke.



Glück ist so vielfältig, so zerbrechlich aber auch mächtig. Es kann uns zu Dauergrinsern machen. Wenn wir es lassen. Auch mit MS.

Ich finde ja auch, wir haben das Glück verdient. Glückliche Momente, kleine kostbare Juwelen, die wir hüten wie kleine Schätze und von denen wir dann lange profitieren, wenn uns Nervensäge MS wieder eingeholt hat. Wir dürfen glücklich sein. Weil Glück gut tut. Und alles das, was uns gut tut, ist ja quasi Medizin. Freundschaft, Liebe, Zuneigung, eine Umarmung, ein gutes Gespräch, ein Gedanke, ein Tag mit tollen Menschen, ein Spaziergang oder auch das Lächeln von anderen. Und viel mehr ....

Seit ich festgestellt habe, dass ich das kleine Glück fast verloren hätte, dort eingeklemmt zwischen Schmerzen, Fräulein Trullas erhobenem mahnendem Zeigefinger, einem kurzen Overload meiner inneren Verarbeitungsstation von Eindrücken und einer Portion Nachdenklichkeit, passe ich besser drauf auf. Weil es zu viele schöne Glücksmomente gibt, die es zu sammeln gilt.



Übrigens, ich habe mir ein kleines Buch gekauft. Dort klebe ich Bilder, Ticketabrisse, Postkarten oder so ein und immer wenn ich wirklich miese Momente habe, hole ich meine Glücksmomente aus dem Fach und blättere. Oder schaue in mein Instagramalbum. Weil dort archiviere ich die Glücksmomente immer noch.

Was ist für Euch Glück?

Nachdenkliche Grüße
Birgit


Bilder:
Pixabay.com (Bild mit den Händen)
Birgit Bauer  (Rest) 
Text:
Birgit Bauer

1 Kommentar:

  1. Glück ist, nicht weinen müssen. Nicht, nicht weinen zu müssen, weil man die Tränen unterdrückt, sondern weil das Bedürfnis, ihnen freien Lauf zu lassen, weg ist. Weil die unvergossenen Tränen getrocknet zu sein scheinen.

    Glück ist bunt und hat viele Gesichter.
    Glück ist wahrhaftig und bleibt es auch.

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