Sonntag, 9. Dezember 2018

Ein Stück Glück .... 2. Advent



Heute Nacht war ich eine Weile schlaflos. Im Moment beschäftigen mich viele Dinge und ich bin immer noch nachdenklich. Was aber auch sein Gutes hat, denn so arbeitet man auf, schafft Freiräume im Gehirn und ich merke deutlich, dass mir das gut tut.
Als ich heute Nacht eine Dokumentation über "Glück" sah, in der auch die Rede davon war, dass man an einigen Schulen "Glück" als Schulfach einführt, um die gängigen Begriffe, die viele mit Glück verbinden, für Schüler (meist Teenager) begreiflich zu machen, fing auch ich an, über Glück nachzudenken.

Glück, so hörte ich im Beitrag, wird oft mit Familie, Kinder wenn es jüngere Frauen sind, ich bin da schon raus, einem gewissen Wohlstand und auch Gesundheit verbunden. Wäre ein Faktor weg, so eine Meinung in der Sendung, wäre das Glück umperfekt, unvollständig.

Ist also, weil ich MS an der Backe habe, mein Glück reduziert, gar umperfekt? Oder gar ganz weg? Kann Glück jemals perfekt sein? Wo wir Menschen schon nicht perfekt sind? Gut wir streben nach Perfektion, aber ernsthaft: Brauchen wir das? Und dann auch noch in Sachen "Glück"?

Mir ging dabei etwas durch den Kopf, ein Erinnerungsflash der unangenehmen Sorte. Als ich die Diagnose vor fast 14 Jahren bekam, bekam ich - wir hatten das ja schon - jede Menge Mitleid. Man attestierte mir falsche Dinge wie die drohende Entmündigung weil ich es ja an den Nerven hatte, Unfähigkeit fürs Leben und damit oft auch Glücklosigkeit. Man sagte mir auch, meine nähere Umwelt wäre gestraft mit meiner MS. Obwohl sie keine MS hat, sondern ich.

Nicht schön und etwas, das nicht unbedingt glücklich macht oder? Wenn dir Leute, die per se schon eine gewisse Nähe haben und von denen du glaubst, dass sie zu dir halten, auch in Zeiten, in denen es echt dick kommt, sowas gegen den Latz hauen. Es vermittelt einem, man hätte das Glück tatsächlich verloren.

Damals hatte ich lange darüber nachgedacht, was jetzt mit meinem persönlichen Stück Glück wäre. Und wie es wohl sein könnte, trotz der MS ein glücklicher und zufriedener Mensch zu sein. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstand, dass Glück nicht unbedingt immer von der totalen perfekten Gesundheit abhängt. Glück oder die Definition dafür, verändert sich. Passt sich vielleicht auch ein bisschen an. Eben so, wie man sich selbst mit einer neuen Situation arrangiert.
Etwas, das ich gut finde, denn nur weil ich MS habe, bin ich nicht glücklos. Allerdings braucht es einen Moment, bis man das versteht und sich auf die Suche nach dem Stück Glück macht, das zu einem passt.

Es ist ein Prozess des Verstehens und des Sehens. Das bedingt, dass man verweilt, sich Zeit nimmt und beobachtet. Und ich glaube auch, dass eine gesunde Portion Mut, Optimismus und Resilienz dazu gehört, um das eigene Glück zu definieren. Es ist ein Lernprozess. Aber ein guter, wenngleich nicht immer einfach. Hier sortiert sich auch die Umwelt, die man hat, besonders die Menschen. Die, die einem das Glück von Anfang an absprechen, sind nicht selten solche, die innerlich erstarrt sind und denen der Mut fehlt, das unperfekte Stück Glück zu finden und anzunehmen. Weil es oft schon reicht. Sie können nicht anders. Und sind am Ende die, die gehen, weil sie es nicht ertragen, wenn man sich selbst auf die Suche macht, weil man im tiefsten Inneren weiß und daran glaubt, dass da was ist. Etwas Gutes.

Wenn man mich heute fragt, was für mich Glück ist, dann ist es für mich das Leben, das ich habe. Ich lebe mit MS aber ich bin auch zufrieden. Dankbar. Glück ist für mich nicht unbedingt Gesundheit, man kann mir das wünschen, aber letztlich bin ich krank. Das ist Fakt.

Glück ist aber für mich, einen Mann an meiner Seite zu haben, der mich versteht, wenn ich mal nicht so kann oder wenn ich ihm wie gestern, als wir eigentlich ins Kino wollten erkläre, dass es viel besser ist auf dem Sofa zu kuscheln  anstatt zu Fuß durch den Sturm ins Dorfkino zu wandern. Er versteht auch, wenn ich meine Ruhe möchte, eine Runde Stricken und Kitschserien brauche, um mich zu entspannen und hört mir zu, wenn mein Gehirn wieder einmal von Ideen überschwappt wie eine zu volle Regentonne und ich mich nicht sortiert kriege. Passiert mir Chaoten schon mal.
Glück ist für mich, gutes Essen zu haben und kochen zu können, Glück ist der Kater, das Mäxchen, der aus dem Tierheim kam, sein Glück bei uns suchte und fand.
Glück ist einfach wie heute hier zu sitzen und das mal sagen zu können oder später bei Tee und Plätzchen den Nachmittag zu genießen. Glück ist auch, einige wenige Freunde und Menschen zu haben, die mich verstehen und für die das Fräulein Trulla keine Rolle spielt. Solche, die mir einfach so helfen, die mich in Projekten unterstützen oder die einfach als Ratgeber, Erdende da sind oder solche, mit denen ich abblödeln kann.


Das ist mein persönliches Stück Glück und es ist ein kleiner Schatz, es sind Glücksmomente, die ich bewusst sammle und an die ich mich, sei es mit einem Bild, einem Knäuel Wolle oder einem Andenken, erinnere, wenn ich mich schlecht fühle. Glück ist eigentlich klein, oder kann so klein sein, sehen muss man es aber auch, wahrnehmen und annehmen.

Ich gehe davon aus, dass jeder so seine eigene Definition von Glück hat und zugegeben, oft sind es nur kleine Dinge, die glücklich machen und die in diesen Momenten unheimlich groß sind. Mein persönlicher Glücksmoment diese Woche war die Landung am Flughafen München. Denn es war mein letzter Flug für dieses Jahr und das Gefühl war wunderbar. Heimkommen, verweilen, nachdenken und einfach Zuhause leben und für meine kleine Familie sorgen zu können, das war und ist im Moment mein Glück.

Was ist Euer Stück Glück?

Einen schönen 2. Advent wünsche ich Euch!

Birgit


Bilder: Birgit und pixabay.com
Text: Birgit Bauer

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