Dienstag, 14. Mai 2019

Die unsichtbare Superpower .... oder pflegende Angehörige! / The invisible superpower –a few thoughts on carers

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Es gibt Menschen im Leben, die sind schier unersetzlich für uns, die wir mit MS leben. Sie sind da, wenn man sie braucht, fangen einen auf, wenn man fällt und helfen einem, wieder aufzustehen.
Einer dieser Menschen ist das Herzblatt, der bis heute nicht sieht, was er für mich tut. Auch wenn das Fräulein Trulla mir viele Freiräume lässt und sich oft, nicht immer, in dezenter Zurückhaltung übt, passiert es selbst mir, dass ich ab und an alleine nicht weiter kann.

Herzblatt muss mich jetzt weniger mit Medikamenten versorgen oder derlei.  Er ist eher der Carer 2.0, der mich mit Nachrichten oder Zuspruch via Messenger versorgt, wenn ich unterwegs bin oder dem ich mal eben eine Einkaufsliste schicken kann, wenn es mal nicht so läuft. Er übernimmt im Haushalt Aufgaben, die schwierig für mich sind, wie zum Beispiel schwere Gegenstände über den Kopf zu heben oder Aufgaben, für die man auf eine Leiter steigen muss. Da steigt immer mein Gleichgewicht aus. Ab und an brauche ich aber auch Tee ans Bett und ne Wärmflasche.

Egal wie man es dreht und wendet, was sie tun, die pflegenden Angehörigen sind immer für uns da. Sie sind die unsichtbare Superpower, die uns ab und an antreibt, auffängt oder unterstützt. Wir können auf sie zählen.


Doch habt Ihr Euch mal überlegt, was mit diesen Menschen ist, wie sie es sehen, wenn sie uns helfen weil wir einen Schub haben beispielsweise?

Wenn ich mir Herzblatt ansehe, der übrigens, einer der 36% der männlichen Pflegenden ist, der ja immer so tut als wäre alles nix, weiß ich sehr wohl, dass er sich Sorgen macht. Und dass er oft nicht versteht was los ist und warum ich dann ab und an seltsam reagiere. So wie gestern, als ich sagte, Kino und Abendessen im Restaurant sind mir aufgrund des Schubs zu viel. Er so: Ist ja easy, bequem, die bedienen dich doch! Ich so: Ja aber ich hab diesen Schub im Gesicht und der ist, auch wenn man ihn nicht sieht (bestes Beispiel für #butyoudontlooksick) ist er da und ich spüre ihn und er kostet mich Birgitpower. Und so kam es auch. Wir marschierten mit den Kinokarten in der Tasche vom Abendessen nach Hause. Weil es eben nicht ging. Das nennt man dann eine Lektion von Fräulein Trulla.

Aber ich verstehe, wie es ihm geht: Er versteht es nicht immer. MS ist komplex und ich bin überzeugt davon, dass sich Angehörige oft echt schwer tun, alles das zu verstehen, was wirklich mit uns passiert. Wir können es zwar erklären, aber man muss das selbst wissen und ab und an praktische Beispiele bringen wie: Stell dir vor der Zahnarzt hat dir eine zu starke Spritze in den Kiefer gerammt und alles ist halb taub, um annähernd zu beschreiben, was passiert.

Fest steht aber - und das trotz aller Diskussionen, die ab und an stattfinden - ohne Angehörige, die wirklich zu einem halten, geht es nicht. Es sind die Menschen, die auch mit MS leben. Selbst wenn sie nicht direkt erkrankt sind.
Schaut man sich das genauer an, kommen die pflegenden Angehörigen oft zu kurz. Das sagt auch eine Studie, die Merck gemeinsam mit Euro Carers, der International Alliance of Carer Organizations und embracing carers durchgeführt hat. Das ausführliche Werk findet Ihr hier zum Nachlesen: https://www.merckgroup.com/content/dam/web/corporate/non-images/country-specifics/spain/informes/Living-with-MS-Carers-Perspective.pdf 

Pflegende Angehörige, dazu zählen auch Freunde, werden mit der Diagnose genauso ins kalte Wasser geschmissen und müssen schwimmen wie wir. Während wir spüren, wo die Erkrankung zuschlägt, stehen sie daneben und können nur wenig tun. Sie müssen genauso lernen wie man mit MS lebt wie wir. Wir werden Patienten, sie werden Pflegende. Nur wie das geht? Wird einem eher selten erklärt.


Besonders in Deutschland schaut es, so die Studie, nicht gut aus: 67% der deutschen Befragten gaben an, dass es signifikante Lücken in der Information und Aufklärung gibt, was die Phase der Diagnose und der ersten Zeit im Leben mit einer Person mit MS betrifft. (Studie Seite 4) Das kann ich auch bestätigen, ich kenne - neben Herzblatt - viele Angehörige von Menschen mit MS, die nie einen Neurologen gesehen haben, geschweige denn wirklich Informationen bekamen, wie es denn weitergehen könne.

Pflege, egal wie groß und aufwendig sie ist, kostet. Zeit, Kraft und Geld. Und Angehörige tun das für uns. Ohne dass man ihnen Beachtung schenkt, dass man sie dafür irgendwie entlohnt oder unterstützt. Gerade bei den Menschen mit MS, bei denen die Erkrankung deftige Spuren hinterlassen hat, ist es nötig, dass sie da sind. Und oft verzichten sie auf etwas, auf Freizeit, Urlaubstage, auch Einkommen, wenn sie nur noch Teilzeit arbeiten gehen, weil sie jemanden pflegen.

So gesehen, pflegende Angehörige leben oft in Unsicherheit, so die Studie. 44% sagten beispielsweise, dass die Aktivitäten rund um die Person mit MS, die sie betreuen, einen negativen Einfluss auf ihre eigenen Pläne hat, was die Zukunft oder Ziele betrifft, die sie sich gesetzt haben.



MS kann bis heute nicht vorher gesagt werden und so leben alle, die davon direkt oder eben indirekt betroffen sind, in Unsicherheit. Andere, nämlich 93% der Pflegenden sagten aber auch, dass diese Aufgabe sie stärker und widerstandsfähiger gemacht hat. Man könnte sagen, krisenfester.
Ein positiver Effekt, der aber auch nicht aufwiegt, dass sich diese Menschen oft uninformiert fühlen und daher auf die eigene Recherche angewiesen sind. 54% der Befragten sagten klar, dass Ärzte ihnen nie wirklich die MS, die Progression und mögliche Bedürfnisse erklärt haben.

20% der Befragten sagten zum Beispiel auch, dass die emotionale Belastung sehr hoch für sie sei, andere befürchten, dass sich der Mensch mit MS nicht wieder erholen würde. Etwas, das ich von Herzblatt auch kenne. Oft genug habe ich den Eindruck, dass er sich am meisten davor ängstigt, dass so ein Schub nicht wieder abklingt und etwas zurückbleibt. Und was dann? Braucht das Haus einen Umbau, was wird so generell und überhaupt. Dinge, die ich jetzt auch nicht beantworten kann. So lebt man mit einer eher ungewissen Zukunft.



Leben mit MS betrifft nicht nur die, die mit MS unterwegs sind, sondern auch die Menschen drumherum. MS betrifft jeden. Deshalb brauchen wir bessere Aufklärung und zwar für alle. Verständlich muss sie sein und so einfach zu bekommen, dass es eben keine ewige Recherche oder aber das Leben mit dem Unwissen braucht, sondern von Anfang an hilft, MS zu verstehen.

Für uns als Menschen mit MS ist es vielleicht ein Stück einfacher mit MS zurecht zu kommen. Wir leben damit, aber die, die oft nichts sehen sondern nur das Signal bekommen, dass da ein Schub ist und wir nur sagen können, was uns weh tut oder was kribbelt oder taub ist oder was auch immer.

Wir wissen, was dann los ist, die anderen nicht. Sind da aber die Informationen, die jeder findet und die jeder versteht, sind auch Angehörige eher in der Lage, die Geschehnisse ein Stück weit besser zu verdauen und einzuordnen. Und auch, um Ärzte zu verstehen, wenn sie uns begleiten. Übrigens etwas, was ich immer empfehle, denn zwei Köpfe verstehen mehr.

Was macht Ihr mit Euren Angehörigen und wie helft Ihr diesen Menschen, damit sie ein bisschen besser verstehen, was los ist?

Liebe Grüße


Birgit


Bilder:
Merck KgaA Darmstadt
Pixabay.com

Text:
Birgit Bauer

Quelle:
Studie über pflegende Angehörige - Merck

English Version : 


The invisible superpower –a few thoughts on carers

There are people in our lives who are irreplaceable for us who live with MS. They are there for us when we need support and they give us a helping hand when we fall and have to stand up.

One of these amazing people is my Sweetheart, who doesn’t understand till this very day what he really means to me and how thankful I am to have him at my side. Although Miss Trulla gives me a lot of space and although she tries to be not too intrusive it happens that I am not able to continue on my own. I need help in these moments. 

Sweetheart is not always there to give me my medication or something like that. He is more like a Carer 2.0, who keeps me updated with my schedule, news or motivational messages via phone or e-mail. I send him the list for the grocery store, he helps to do the household when is becomes difficult for me, e.g. when there is something heavy to transport or when a ladder is needed. And sometimes I need a cup of tea and my bed. And he is there to give me tea and blankets. 

No matter how we try to see from which angle we look at it, what these people do for us is amazing. They are always there to help. They are an invisible superpower that helps us to stay motivated, to feel good and supported. We can count on them. 

But have you ever thought about, how our carers feel and how they see us when we are in a relapse. Have you ever thought about what they would need sometimes? 

When I look at Sweetheart – who is one of only 36% of male carers, by the way – when I see him  smile and look funny, trying to give me the feeling that everything is ok, I know that he is worrying about me. 
Sometimes he can’t understand what’s going on in my body and why I react weirdly. Like some weeks ago: I did not feel very good, I had a relapse in my face, invisible and not too difficult, but I was overwhelmed by his idea to have a nice dinner and then a movie in the cinema. It was too much for me. 
He said: ”Come on, this is easy, you only have to eat your favourite meal and watch. And I am with you.”
I said: ”It is too much, I feel overwhelmed. Can we do just one?”
I noticed that it was his wish and followed it. The result? We stopped the evening after dinner. I was tired and it was one of this typical things of #butyoudontlooksick. You can’t see it, but stops you dramatically. This is a lesson from Miss Trulla. 

But I can understand how he feels. He can’t understand every single MS thing. The disease is complex and often we do not understand it either.. I am convinced that family members and friends find it difficult to understand what happens with us. We can explain what we feel and what is going on, but we always need examples they know to enable them to understand what happens at that moment. 
On of these examples is when you go to your dentist and he gives you an anaesthesia in your jaw, that you don’t feel the pain and he forgets to stop it. Everything is almost numb and you always have to take care that you can eat or drink. You don’t see it, but you feel it. 

Anyway, it is important that you have people in your life to support you and to be there when you need a shoulder to cry on. These people live with MS, too. And when we take a deeper look at this group of people we can see that they need care and support too. And they don’t have that in a good way. This is also the result of a study, which the company Merck did together with Euro Carers, International Alliance of Carer Organizations and embracing carers https://www.merckgroup.com/content/dam/web/corporate/non-images/country-specifics/spain/informes/Living-with-MS-Carers-Perspective.pdf 

Carers, and I mean also friends, have to live with the diagnosis in a similar way as we do, the PwMS. But while we can feel the negative symptoms and experience the life of ms, they have to stand beside us and can’t do that much. They have to learn to live with MS. Like we as Patients have to learn. We become patients. They become carers. But how does this work? This is not explained. We all have to find out the best ways by ourselves. 

Especially in Germany the situation is not the best: 67% Germans who were asked said, that there are significant gaps in information and explanation regarding the phase of diagnosis and the start of your life with MS. (Page 4) I can confirm this. I know many carers who never met a neurologist or another HCP in order to be involved and to be informed about details and facts. 

Care, not matter how much effort is needed, costs time, power and money. Our loved ones do that for us. Without being noticed or asked if they need anything. They don’t receive support or money for the things they do for us. 
Especially in cases with PwMS who are struggling a lot with disability or the disease itself, it is necessary for carers to have time to rest, to recover and to have time for themselves. Very often, they give up vacation time and a part of their income, because they decide to work part-time, and many other things. They lose retirement claims and also quality of life. 
Very often, they live in a rather insecure situation, so the study says. 44% said that the activity around a person with MS who they take care for, has a negative impact on their own future plans or goals. 

We can never say what happens next, when we live with MS. And so everyone who is affected directly or indirectly is in an uncertain situation. But there is also a positive thing: 93% of the carers said that the „job“ as carer made them stronger and more resilient. They are able to stay calm in a crisis situation and are able to do something right. 
Now, this is of course positive. But on the other side, this doesn’t counterbalance the fact that these people don’t feel very well informed and that they have to do their own research to understand everything. 54% of the people in the survey said that Doctors haven’t ever explained MS, progression or needs or challenges to them. 

20% of the carers mentioned that the emotional pressure is very high and they worry that the person they take care for will not recover anymore. 
I know that from Sweetheart. Sometimes he shows me that and mentions it, when we talk about things like that. Very often, I have the impression, that he is totally scared of a relapse and worries that I will never be the same person I was before. And then he starts to think about our future, or if our house needs a reconstruction to be barrier free. 

Living with MS is not only affecting those who have it, it has an impact on all the people around the PwMS. MS affects everyone. That is why we need more information and explanation about MS. For everyone. It must be understandable, easy to access and it must be there from the first moment of the diagnose onwards. So that misconceptions, depression or frustration do not have a chance to become stronger and stronger.
For us as PwMS it is easier to life with MS because we have it. But those who can see it and don’t know anything about it and have to live with the information about upcoming symptoms etc. it is hard. 
We know what’s going on. They don’t. But when there is information available that carers are able to understand, they can make decisions which are valuable and helpful. They are able to properly sort the information, and they can come with us to the neurologist. By the way, I recommend this to everyone, because two brains can remember more than one. And as a PwMS you are always nervous. 

What are you doing with your carers und how do you help those lovely people, so that they understand better what is going on with you? 

And: Are you the superpower or do you have a superpower behind you? 


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