Montag, 27. Dezember 2021

Konstruktiv - Lösung statt Problem, was wir von konstruktivem Journalismus lernen können!

Heute komme ich mal aus der beruflichen Perspektive. Ihr wißt, ich bin Journalistin. Das geschriebene Wort ist meins und wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ich mich in der Vergangenheit über so manche Schlagzeile oder auch Berichterstattung in Sachen MS mehr als aufgeregt habe. Für andere zu berichten hat etwas mit Verantwortung zu tun, auch mit ethischen Grundsätzen. Auch wenn ich hier schreibe. Ich bin der Wahrheit verpflichtet und das, was ich schreibe, muss alle Seiten oder Perspektiven beleuchten. Es geht nicht darum, mich zu beklagen oder fiese wie dramatische Schlagzeilen zu nutzen, um euch aufmerksam zu machen. Weil diese "Drama Baby" Schlagzeilen oft genug Gedanken in eine völlig falsche, oft gefährliche Richtung lenken. 

Vor einiger Zeit habe ich begonnen, mit mit dem konstruktiven Journalismus auseinander zu setzen. Konstruktiver Journalismus findet dann statt, wenn man nicht nur ein Problem schildert und beleuchtet, sondern, eben konstruktiv gedacht, auch Lösungen und Möglichkeiten anbietet. Das jetzt mal ganz grob gesagt. 

Mehr sagt uns Wikipedia: "Konstruktiver Journalismus ist ein seit den 2010er Jahren verwendeter Begriff für eine Strömung im Journalismus, die auf der Berichterstattung lösungsorientierter statt negativer und konfliktbasierter Nachrichten basiert. Konstruktiver Journalismus grenzt sich von Meinungsjournalismus oder Aktivismus ab."

Nachlesen kann man das hier: Wikipedia

Ich bin ein großer Fan und kam über Maren Urner drauf, deren Vortrag ich vor einer Weile in einer Fernsehsendung folgte und begeistert war. Konstruktiver Journalismus ist mehr als nur auf "Krisen" herumzutrampeln, mehr als nur Klagen und zu sagen, was falsch lief. 

Es ist eine lösungsorientierte Art der Berichterstattung. Sie benennt nicht nur ,das Problem, sondern beleuchtet alle Aspekte und fragt nach der Ursache. Dazu liefert konstruktiver Journalismus mögliche  Lösungsvorschläge, um die Menschen, in eine unvoreingenommene Position zu bringen, damit sie über Lösungen nachdenken und vielleicht selbst Wege finden, wie man als Mitglied der Gesellschaft selbst etwas tun kann, um etwas für sich und für andere zu verändern. So gesehen, es verändert die Denkperspektive und nicht selten reißt es Mitmenschen auch aus der "Nur Konsumier- und Meckerschleife". 

Maren Urner bemüht in ihren Vorträgen oder auch in ihrem Buch "Schluss mit dem täglichen Weltuntergang" auch ein Zitat des Autors Steve de Shazer, das da heißt: 

"Das Reden über Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen."

Dem kann ich nur zustimmen, ich mag diesen Ausspruch, denn er bestätigt das, was ich schon oft gemacht habe. Was mich zum Leben mit einer chronischen Erkrankung wie MS bringt. Ein Leben, das oft schwierig ist, belastend und voller Stolpersteine und Herausforderungen. Man hat, so gesehen, jede Menge Probleme. Schmerzen, Symptome, Nebenwirkungen, höhere Risiken, dumme Fragen von anderen (#butyoudontlooksick) und derlei. Oft ist die Lebensqualität reduziert, man hängt öfter bei Ärzten ab oder hat ab und an auch einfach Probleme mit dem Job, anderen Menschen oder mit sich selbst. 

Die Gefahr, dass man in eine Art negative Problemhaltung rutscht, die einen weg vom konstruktiven Denken und der Frage: "Was kann ich tun oder was muss als Nächstes passieren?", ist groß. 

Viele von euch werden vielleicht jetzt denken, dass ich jetzt spinne. Vielleicht fragen sich einige von euch, ob ich mich jetzt in grenzenlosem Optimismus wälze oder meine Tabletten gewechselt habe oder so. Nö, ist nicht der Fall. Ich gestehe jedem, auch mir, der eine Diagnose wie MS oder derlei erhält, sein Selbstmitleid und auch die Trauer, die Wut und die Frage "warum ich?" zu. Nach meiner Diagnose habe ich mich auch drei Tage im Selbstmitleid gewälzt. Es gehört dazu, zu trauern oder sich zu fragen, warum einen so eine Diagnose trifft. 

Aber in diesem Elend zu verharren und nur das Problem zu sehen, bringt einen nicht weiter. Es bewegt nichts ausser einen Wust von Negativität, von Selbstmitleid. Die Folge davon ist, dass nichts Konstruktives mehr Platz findet. Lösungsansätze müssen dann quasi draußen bleiben und das ist schade. In dem Moment betreibt man nichts anderes als das einseitige Herumtrampeln auf der Krise, wie es eben im Journalismus auch häufig gescheit: Man schaut nur auf das Problem. 

Aber nicht über den Tellerrand hinaus. Damit vergibt man sich den Blick auf mögliche Lösungen. Menschen konsumieren und meckern. Sie machen es aber, noch setzen sie sich aktiv für etwas ein. Aber hey, Motzen ist ja auch echt einfach, man kann da so schön respektlos sein. Wo wir doch mehr als 80 Mio. Experten in Deutschland sind, die hinterher immer alles besser wissen. Unbelesen, versteht sich. Fakten werden ja generell gerne überbewertet oder? ;-) 

Das macht auch was mit uns. In unserem Gehirn, es macht sich nicht selten mehr Negativität breit als nötig. 

Schaut man also auf eine Diagnose ist die schlimm. Sie kann ein Leben komplett zerstören, durcheinander wirbeln. Auf einmal ist man Patient statt Mensch und nicht selten hört man den Wortlaut "unheilbar". Da fällt es schwer, konstruktiv zu denken, sich alle Seiten anzusehen und mögliche Lösungsideen zu betrachten. Ging mir nicht anders. 

Damals, 2005, nach der Diagnose wurde mir auch schnell klar, dass ich zu jung war, um auf dem Sofa zu versauern. Wenngleich mir das viele empfohlen haben. Ruhig sollte ich mich halten. Bei manchen fühlte sich das an, als würde sie mir eine neue Stellenbeschreibung herunter beten: die der Patientin. Eine, die ich nicht wollte. Daher fing ich an, Lösungen zu suchen. Ich versuchte auf eine gewisse Art und Weise konstruktiv zu bleiben und Wege zu finden, wie sich mein Leben mit MS trotzdem wertvoll und gut gestalten ließe. Und es hat geklappt. Gut, nicht ohne, dass ich mir ab und an eine blutige Nase geholt hätte, aber mit der Zeit wurde auch das weniger und die Situation besser. Das lösungsorientierte Denken hat mir gut getan, ich konnte mir einen positiven Status waren, eine Grundhaltung, die dabei half, nie ganz ins Finstere zu rutschen, das mich ab und an auch einholt. 

Klar, ist auch, es klappt nicht immer. Kann es nicht, es wäre zu schön um wahr zu sein. Und es ist schade. ,Mir ist schon klar, dass es Herausforderungen gibt, die mit einer konstruktiven, einfachen Lösung nicht machtbar sind. Aber alleine das Nachdenken über mögliche Lösungen und neue Wege verändert die Perspektive und öffnet das Denken in eine andere Richtung. Es verleitet zum aktiv werden. Und das ist es wert, über Konstruktivität nachzudenken und darüber was man tun kann oder könnte. Es ist das berühmte "über den Tellerrand spucken" und sich nicht mit der erstbesten, einfach zu konsumierenden Lösung zufrieden zu geben. Es ist das neugierige Weiterdenken, das auch neue Perspektiven schafft. 


Wir können uns einige Scheibchen vom konstruktiven Journalismus abschneiden und in unsere Leben holen. Gerade oder generell um die Sichtweise zu verändern und dafür zu sorgen, dass wir unser Leben aktiv gestalten und so, dass wir gut damit klar kommen. Diese Sichtweise eröffnet neue Perspektiven, Ansichten und die braucht es manchmal. Egal ob man mit Ärzten spricht, mit Kassen verhandelt oder einen Schub zu bewältigen hat. Oder wenn man sich als "Patient Advocate" (Patientenvertreter:in) für eine ganze Gruppe einsetzt, so wie ich und viele andere es über Jahre hinweg tun. Dort mitreden, wo man gehört wird, wo man etwas verändern kann. Aktiv und manchmal sehr proaktiv. Aber immer konstruktiv, respektvoll, informiert und mit einem Lösungsvorschlag auf der Liste. 

Ich glaube, wer sich die kontruktive Offenheit zulegt oder bewahrt, kann an der einen oder anderen Stelle im Leben einen anderen, positiveren oder zumindest besseren Weg gehen. 

Grüße von zwischen den Jahren und weil mir das am Herzen liegt. Und weil ich es einen guten Vorsatz fände, für das neue Jahr: konstruktiv zu bleiben.

Birgit 


Text: Birgit Bauer, Manufaktur für Antworten UG 

Bilder: pixabay.com 

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