Donnerstag, 6. Oktober 2022

Über das Leben, ein Karussell, das Reflektieren, Motivation und inneren Frieden!

Das Leben ist wie ein Karussell. Letzte Woche war cool, diese Woche ist es nicht. Und eine ganz andere Woche ist so glorios, dass man nicht mehr aufhören kann, sie zu genießen. Auf und ab eben. 

In einer Diskussion neulich ging es um den Satz "Gesundheit beginnt im Kopf" und um Motivation. Es war für Menschen mit Erkrankungen und schon die Vorgespräche waren spannend. 

Was ist Motivation? Ein Motor? Der innere Antrieb oder entspringt Motivation einem Wunsch oder einem Ziel, das wir zu erreichen versuchen? Geht es im Zusammenhang Erkrankung und Motivation nur um das ständige Umsichselbstkreiseln und die Erkrankung oder geht es vielleicht um mehr? 

Und ist Gesundheit nicht auch die Summe aller Gedanken, die wir haben? Was mich zur nächsten Frage bringt: Kann Selbstreflexion krank machen? Also zu viel davon? 

Und kann das dann vielleicht auch nicht für eine ordentlich demotivierte Haltung sorgen, weil man anfängt sich nur noch in die Fragen rund um was hätte ich besser machen können zu kreisen um was hätte anders laufen müssen oder was wäre wenn zu verstricken und damit auch auf der negativen Seite des Konjunktiv 2 zu leben? Also auch auf der dunklen Seite der Macht? 

Mit der Zeit habe ich bemerkt, dass ich irgendwann aufgehört habe, auf meinen Kanälen nur über MS und in einer selbst reflektierten Art zu kommunizieren. Auf der einen Seite wurde es mir langweilig, wenngleich das auch so eine Sache ist in Sachen Kommunikation, weil man ja auch immer fokussiert bleiben soll. Auf der anderen Seite ist aber mein Leben nicht MS. Nicht ausschließlich. Es ist ein Teil davon. 

Ein anderer Teil ist Unternehmerin, Gründerin einer gemeinnützigen Organisation, Anschieberin, Rampensau und bunter Vogel, Strickverrückte und Modeverliebte. Ich bin Genießerin, manchmal eine Nervensäge, ab und an eine Zicke und zwischendrin auch jemand, dem die MS gerade weh tut. Aber in Summe bin ich ein Mensch mit vielen Facetten und ich mag Vielfalt. 

Weil Leben mit MS nicht nur Erkrankungsgedöns ist. Sondern eben das, was es auch ist, ein Leben. Vielfalt. Mal mehr, mal weniger, aber nur über MS zu reflektieren und darüber, was im Leben falsch lief? was für ein Bild vermittelt das? Wie motiviert sind Menschen dann noch? Oder wie können wir andere motivieren? 

Ich glaube wirklich, dass der Satz "Gesundheit beginnt im Kopf" schon viel hat. 

Ich kann mich krank denken und glaubt mir eins, ich weiß wie das geht. Gerade nach der Diagnose habe ich das lange gemacht. Das lag einerseits an mir, andererseits auch an meiner Umgebung und den Menschen da. Die haben mich krank gemacht mit ihrer Art, ihrem Mitleid und ihrem Umgang mit MS, der aus Hörensagen, falschen Vorstellungen und Vorurteilen bestand. Als jemand, der damals echt ahnungslos war und der keine Community hatte, auf die er hätte zurückgreifen können, hab ich natürlich drauf gehört. Woher sie das hatten? Von denen, die sich voll auf MS in der miesen Art fokussiert hatten. Aufklärung und vernünftige Info war damals nicht angesagt, man unterhielt und in vielen Fällen ist das bis heute so, lieber mitleidig über das Elend. 

Irgendwann habe ich kapiert, dass ich voll auf der falschen Spur war. Das geschah mit Hilfe einer Psychologin, die mir half, dieses seltsame Konstrukt zu entrümpeln und das rauszuwerfen, was keiner brauchte. Ich brachte meinen seelischen Sperrmüll auf die Straße und ließ ihn abholen. Das schuf Raum und Leere, die ich als sehr angenehm empfand und die mir ermöglichte, mich mit der Situation anzufreunden. Mit MS zu leben und nicht davon oder darauf fokussiert zu leben. Ich wollte mein Leben zurück und das motivierte mich. 

Es trieb und treibt mich vorwärts, motiviert mich auch oft, weiter zu machen, auch wenn es gerade schwer ist. Bis heute reflektiere ich durchaus, aber ich dosiere das auch vorsichtig, weil Selbstreflexion auch ungesund werden kann, wenn man sich in diesen Strudel begibt. Das ist mir auch schon passiert, aber mittlerweile habe ich genügend Menschen um mich herum, die mich entweder rausziehen, mich darauf hinweisen oder aber auch mal krass rausreißen. Wenn es ganz schlimm wird, hole ich mir Unterstützung, was aber in den letzten Jahren selten passiert ist, weil ich gelernt habe, wie ich diese Überdosis Selbstreflexion früh erkenne und mich davon distanziere, bis die Dosis wieder stimmt. 


Ein anderer Punkt ist der innere Frieden. Der motiviert auch. Leise und liebevoll. Es gab viele Klopper in meinem Leben, die ich mir wahrlich gerne erspart hätte. Menschen, die mir überhaupt nicht gut taten und mich ins Elend trieben. Fehlschläge und Verluste haben mich lange verärgert. Innerlich. Was ich aber verstanden habe ist, dass es in manchen Fällen nicht hilft, dauerwütend zu sein, sich als Kämpfer zu bezeichnen und immer zu meinen, man müsse mit äußersten Kraftaufwand etwas aufarbeiten. Keine Frage, aufarbeiten und klären gehören dazu, aber immer volle Pulle? Ungesund. 

Vor einigen Jahren war ich so weit, meinen Frieden mit Menschen oder Dingen zu machen. Mit der MS zum Beispiel. Ich distanzierte mich schon früh davon mit als MS Kämpferin zu bezeichnen. Das bin ich nicht. Ich habe weder Waffen, noch mag ich Kämpfe. Was ich mag ist leben. Mein Leben. Und ich will es so leben, wie ich mir das vorstelle. Ob es anderen passt oder nicht, ist mir da eher egal. Ich muss meinen Weg gehen, nicht den, den sich andere für mich vorstellen. Aber das kann ich sehr ruhig. Gelassen und mit dem Ziel, das zu erreichen, was gerade für mich wichtig ist. Das motiviert mich mehr als alles andere. 

Der Frieden spielt dabei eine wichtige Rolle. Solange ich mit diversen Dingen oder Menschen nicht meinen inneren Frieden machen konnte, kam ich nur schwer vorwärts oder erreichte das, was mir wichtig war. Es gab Menschen, die habe ich still und leise aus meinem Leben verabschiedet, Abstand geschaffen und damit gehts. Ich lasse mich auch nicht mehr auf irgendwelche so genannte klärende Gespräche ein, denn sie sind belastend und enden meist extrem verdrießlich und mit Vorwürfen und dem Versuch, mich mit pauschalen wie traditionellen Aussagen zu manipulieren und mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Es ist keine Klärung, es ist ein Urteil gegen mich, das andere längst gefällt haben und dem sie Ausdruck verleihen wollen. Weil man etwas eben so nicht macht. 

Ich habe auch Frieden damit gemacht, dass ich herbe Verluste erleben musste, die einschneidend waren. Damit hätte ich auch zur verbissenen und verbitterten Alten werden können, ehrlich, aber musste ich das? Ist es nicht besser, sich mit dem Miesen einen Moment auseinander zu setzen und es am Ende zu verabschieden, weil es sich nicht mehr ändern lässt? Es in Frieden gehen zu lassen, die Narbe im Herzen zu pflegen und gesunden zu lassen? 

Das ist wahrlich auch kein einfacher Prozess, aber einer der lohnt. Weil er Ruhe schenkt, stille Momente gewährt und das Laute in einem selbst, das einem so viel einreden will, auch mal zum Schweigen bringt. 


Diese Woche habe ich einen weiteren Befreiungsschlag dieser Art geschafft. Es hat 14 Jahre gedauert, das hinzukriegen und es war ein weiter Weg. Aber ich hatte dieses Ziel vor Augen und auf dem Weg dort hin galt es viele Friedensaktionen durchzuführen. Und jede einzelne war es so wert zu machen, weil ich über die Zeit gelassener wurde, bunter, manchmal auch lauter und, das mag jetzt provokant sein, auch ein Stück gesünder. 

Diese innere Gesundheit wirkt sich auf meine MS aus. Ich gehe auch hier gelassener damit um, ich kämpfe nicht. Ich lebe. Egal wie es ist, manchmal mit mehr Möglichkeiten, manchmal limitierter. Ich bin zufrieden mit dem was da ist und ich stehe mit Demut und Dankbarkeit vor dem, was ich bis jetzt hingekriegt hab. Es ist gut so wie es ist. Sagt der innere Frieden und freut sich leise. Weil er immer leise ist, aber klar und deutlich. 

Gesundheit beginnt im Kopf. Und ein erster Schritt ist wohl, dass man seinen Frieden mit Dingen macht, die belasten, damit man sie zum Sperrmüllhaufen auf die Straße stellen kann, wo sie abgeholt werden. 

Und by the way, wenn es mir mal schlecht geht hilft Knitflix. Stricken, Kater auf den Schoß, Strickzeug in der Hand und abtauchen in welche Welt auch immer. Einige Stunden können helfen, sich selbst aufzurichten, zu motivieren und wieder loszulaufen. Das kann auch ein Buch, ein Spaziergang oder eine gute Freundin sein, die zuhört ohne zu verurteilen, die keine guten Ratschläge gibt, sondern neutral bleibt und sagt, dass sie sich über die Freundschaft freut. Es sind die Rituale, die uns gut tun, die uns die Motivation verschaffen, uns zu bewegen. Egal wie und warum. 

Was motiviert euch? 

Liebe Grüße 

Birgit 


Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG

Bilder: pixabay.com 



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