Donnerstag, 16. Februar 2023

Arbeiten mit Schub. Geht das? Der Plan B!

Mich hats erwischt. Fräulein Trulla hat sich seit Jahren zu Wort gemeldet. Deftig. Ich schwanke beim Gehen wie ein Seemann auf Deck, der zuviel vom Rum erwischt hat und volle Gefäße sollte man mir dann nicht in die Hand drücken, das wird eine sehr spritzige Angelegenheit. Dabei bin ich völlig nüchtern. Ich latsche daher und bewege mich langsam. Treppen sind eine Herausforderung für mein rechtes Bein weil ich es nicht hochkriege und ich bin genervt. Und alle, die davon wissen raten mir zur Ruhe. Als ob ich das nicht selbst wüßte. Ja, ne is klar! 

Was ja ganz nett ist, aber ich habe Projekte, ich kann nicht einfach mal aufhören. Und ehrlich gesagt, ich will auch nicht. Da bin ich stur. Nicht, dass ich nicht einsähe, dass ein wenig mehr Pausen nötig sind und dass ich am Abend bitte früh ins Bett möchte und dass ich öfter mal meine Ruhe will und mir diese Pausen auch nehme. Aber aufhören zu arbeiten, im laufenden Betrieb eines Unternehmens für das Frau verantwortlich ist? 

So gesehen, die Frage des Titels ist eine, die ich mir gestellt habe, nachdem ich sie nicht wirklich auf Anhieb beantworten konnte. Meine erste Reaktion war: Muss ja irgendwie. 

Am Anfang war "muss ja irgendwie" immer die Devise. Das war ungesund, hab ich gelernt. Also brauchte es andere Strategien, denn das Leben geht weiter und die Projekte auch. Irgendwie. Aber irgendwie reicht nicht immer. Es braucht manchmal einfach die Anwesenheit einer Person und den Input und manchmal ist eben Leadership gefragt. Das war mir immer und ist mir mehr als klar. 

Aber: Frau lernt dazu und hat gelernt zu planen, sich zu organisieren und abzugeben. Das hilft. Und klar ist auch, manchmal geht es nicht anders. Weil Meetings vereinbart sind, weil man wohin muss und weil da einfach auch Abgabetermine sind, die dennoch eingehalten werden wollen. 

Gut, man könnte jetzt dagegen halten, dass MS echt ernst ist. Ja klar! Dass mein Wohlergehen wichtiger ist als meine Unternehmen. Jaaaaaa (Augenroll .. weiß ich!!!) , ich stimme zu, aber meine Unternehmen sind mir genauso wichtig wie ich es mir bin. Mein Job macht mir einen Heidenspaß, ich liebe es. Es gar nicht zu tun ist für mich keine Option. Da wäre ich unzufrieden. Und Unzufriedenheit hilft nicht wenn man einen Schub hat. Weil es auch negativer Stress ist und den sollte man vermeiden. 

Es hat einige Jahre gebraucht, um das richtige Maß zu finden, das Arbeiten von Erholen trennt und zulässt, dass ich meinen Spaß haben kann und entspannt bleibe. Viele Menschen haben mich in den vergangenen Jahren auch immer wieder gefragt, warum ich mir das antue und wie ich das schaffe. Eine Frage, die ich so nicht beantworten kann. Das was ich mache im Job ist keine Last, es ist eher eine Art Spielplatz für mich, ich liebe es wirklich und beschäftige mich auch privat mit diesen Dingen von Zeit zu Zeit. Ich mags halt. 

Und ich habe da tatsächlich einen Plan B im Hintergrund laufen. Zum einen sind da einige, wenige Menschen, die in solchen Fällen da sind, die mich unterstützen und mir auch im Normalbetrieb viel abnehmen, damit ich meinen Job kreativ machen kann. Auf der anderen Seite bin ich gesegnet mit einer tollen Resilienz, die ich immer hatte und über die Jahre gefördert und aufgebaut habe. Sie lässt mich auch in schlimmen Situationen durchhalten. 


Oberste Priorität: 

Reisen absagen. So hart das ist. Und diese Woche war es verdammt hart. Aber das ist wichtig. Man muss dort bleiben wo der Arzt erreichbar ist. Da ich bis heute keine elektronische Patientenakte habe, die wirklich funktioniert und die grenzenlos in Europa übertragbar ist, riskiere ich es nicht, meine Krankengeschichte immer wieder zu erklären, vor allem, wird sie im Ausland immer verstanden? 

Daher; Ich bin da, wo mein Arzt ist. Für den Fall, dass ich was benötige. 

1. Sich den Überblick verschaffen und sich kritisch fragen: Was brauchst du jetzt? Was ist für dich wichtig, dass du weiter kannst? 

2. Zuerst die bittere Essenz: Was kann weg, verschoben oder abgegeben werden. Weg ist doof, das heißt in meinem Fall dieses Mal: wir bleiben am Boden und Zuhause. Bitter. 

Verschieben ist einfacher, meistens kriegt man das hin. Dinge, die nicht verschoben werden können, weil zu wichtig bleiben, abgeben. Ich genieße neuerdings den Luxus, dass ich abgeben kann und das hilft sehr. Mein klitzekleines Team, hilft und ist genial.

3. Hab ein Netzwerk, Menschen, die dein Vertrauen genießen und da sind, wenn du abgibst. 

4. Pausen einbauen: Wenn man, so wie ich, viel kreativ arbeitet, ist es nicht einfach. Dafür gibt es dann einen Alarm auf dem Smartphone und der Smartwatch. Hilft. Meistens. 

5. Nein sagen. Es gibt sie, diese Momente, wo du dir denkst, ich kann es nicht. Doch, kannst du. Mehrfach erprobt. :-) Muss man üben. 

6. Gönn. Dir. Pausen. Man neigt ja gerne dazu, pflichtbewusst weiterzumachen. Weil Frau Verantwortung hat. Und soviel zu tun ist. Hat man einen Schub, arbeitet man mit einer angezogenen Handbremse. Der Körper ist anderweitig beschäftigt und daher muss man Pausen einplanen. Früher Feierabend machen und einfach mal gepflegt abhängen. Ich mache das gerne mit dem Strickzeug. Wirkt! 

7. Zeit für Ärzte oder Therapie muss sein. Das hilft nicht. Und das hat oberste Priorität. Wer das nicht versteht, ist selbst schuld. 

8. Offen kommunizieren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine klare Ansage und eine beigefügte Erklärung in den meisten Fällen für Verständnis sorgt. Man hat sich das nicht ausgesucht und absichtlich macht das keiner. Es gibt sie auch, die Roßnaturen, die gar nicht verstehen, dass man tatsächlich mal krank ist. Bleibt die Frage, ob es diese Roßnaturen unbedingt bedienen muss oder ob man es sich vielleicht auch leisten kann, sich negativen Stress zu ersparen. 

So gesehen, ein Schub ist ein Schub und das ist eine Ausnahmesituation. Für jeden mit MS. Bei mir ist es der erste richtige Schub seit acht Jahren. Ich habe durchaus mal Symptome gehabt, aber das war soweit ok, weil das meistens nur ein kurzes Intermezzo des Fräuleins war. Dieses Mal ist es definitiv kein kurzes Intermezzo, sondern schon ein bisschen ernster. Und ehrlich, ich könnte abkotzen, schreien und toben. Im Sitzen. Auf den Beinen geht das grad nicht. Aber hilfts? Nicht wirklich. Schon wieder dieser negative Stress. Daher versuche ich, so ruhig wie möglich zu bleiben und viel Zeit zu haben und viel von dem zu tun, was ich gerne mache. Knitflix beispielsweise, oder auf dem Sofa schrägen Ideen nachhängen oder mir ein gutes Buch reinzuziehen. 

Nichtsdestotrotz mache ich weiter. Mit Plan und vernünftiger wie individueller Organisation. Wie das geht, liegt natürlich auch an jedem selbst. Während ich mir von der Trulla nicht wirklich was gefallen lasse, weil ich sehr resilient bin, brauchen andere mehr Zeit oder auch Support. 

Was mich zum letzten Punkt bringt: Holt Euch den Support, der nötig ist. Ein Coach, Psychologen, was immer hilft, her damit. Alles was gut tut, ist jetzt richtig. Unabhängig von anderer Leute Meinung. 

Einfach ist anders, zugegeben. Aber mit der Zeit lernt man dazu und aus diesen Erfahrungen kann man das ziehen, was einen am Ende weiter arbeiten lässt. Wenngleich auf eine speziellere Art und Weise. 

Ich gehe jetzt noch ein bisschen arbeiten, weil ich Lust drauf habe, ich ersinne gerade Neues und das ist gerade spannend, dann geht es zum Mittagessen und dann: Sofa, Kater, Kaffee, Strickzeug.

Grüße aus dem Trullaland! 

Birgit 


Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG 

Bilder: Pixabay.de 

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