Dienstag, 26. September 2023

Motivation ....

Vor einigen Tagen hat mich jemand gefragt, was mich motiviert. Motiviert durchzuhalten und das zu tun, was ich tue. Meine erste Antwort war: Ich mache das, was mir Spaß macht. Und so gesehen, mir macht verdammt viel Spaß. ;-) 

Und dass ich mich damit in einer sehr luxuriösen Situation befinde ist mir klar. Nicht alle können etwas tun was Spaß macht und damit auch ihre Rechnungen bezahlen. Dafür bin ich dankbar. 

Die Antwort wurde mit einigem Erstaunen quittiert, was mich erstaunte. Erwartet man tatsächlich, dass Menschen mit MS unmotiviert im eigenen Elend sitzen oder im Selbstmitleid versinken? Die, die ich kenne - und das sind nicht wenige - sind ein motivierter, bunter Haufen der lebt. Diese Menschen tun etwas für sich, jede und jeder in seinem Umfang und Rahmen, aber motivationslos habe ich selten jemand erlebt. Es gibt natürlich verschiedene Dinge die Menschen motivieren und jede einzelne Person sucht sich das heraus, was ihr oder ihm wichtig ist. Daher kann man klar vorausschicken, selbst mit MS kann man motiviert sein, weitermachen, das Leben eben auch leben. Es ist kein Gegensatz motiviert zu sein und MS zu haben. Man lebt halt anders, aber eben nicht komplett motivationslos. 

Und zugegeben, mir macht nicht immer alles Spaß. Es gibt durchaus Dinge in meinem Leben, die bräuchte ich jetzt nicht. Ich will euch nicht mit Details langweilen weil die rauben mir die Motivation. :-) Aber gehen wir zurück weil .... 


... die Geschichte hinter meiner Motivation ist eine andere. Es begann mit meinem Schulabschluss. Ich habe mich durchgeboxt. Ich fand es langweilig, stressig, dennoch war ich neugierig. Auf Wissen und heute, so im Rückblick kann ich eines sagen, für dieses damalige Schulsystem war ich nicht gebaut. Bin ich bis heute nicht. Ich bin an vielen Stellen sehr hoch talentiert und begabt, das habe ich über die Jahre hinweg heraus gefunden, aber ich lerne anders. Ich nehme Wissen anders auf und das war in der Denke vieler Menschen, die mich lange begleitet haben, nicht vorgesehen. Nimm das Buch und lern war oft genug die Losung und ich sag euch, das war eine blöde Idee. Ich bin stundenlang vor einem Buch gesessen und habe nicht kapiert, was ich da las. Ich langweilte mich einfach. Da draußen war zuviel zu entdecken und damit quälte ich mich durch das Schulsystem. 

Dabei liebe ich Bücher, aber wenn es um Wissen geht, braucht es ein bisschen mehr. Nur anlesen? Boa langweilig. Frontbespaßung in Lehrgängen? Gähn .... Geht zwei Stunden, dann brauche ich Ablenkung. 

Ich erlese mir Themen nicht, ich erobere sie. Entdecken, sinnieren, wiederholen und eigene Gedanken entwickeln, yeah Baby, da läuft die Frau zur Hochform auf. Es darf dann gerne schwierig werden, kompliziert, solange man mir Zeit gibt, die Dinge zu checken, kriege ich es hin und je mehr ich entdecke, desto besser ist es. Mir war früh klar, dass ich lernen will, aber anders lernen muss um zu verstehen. Das ist ein Prozess, der unheimlich hart ist, weil man merkt, dass man irgendwie anders tickt und damit weder Erwartungen noch gesellschaftlichen Konventionen entspricht. 

Ich habe das während der Arbeit mit meiner Psychologin erst verstanden. Als ich die Diagnose mit der MS bekam, begleitete sie mich ein Stück und wir haben ordentlich aufgearbeitet. Damals habe ich, so aus der heutigen Position betrachtet, mein Leben einmal umgestülpt und teilweise betroffen entdeckt, was nicht gut gelaufen ist. Das war aber auch Motivation, ich hatte damals genug Abstand um Abstand zu nehmen und meinen Weg zu finden, auch wenn der nicht dem entsprach, was man von mir erwartet hat.  

Ich fühlte mich damals wie eine Glühbirne, der jemand per Dimmer die Kraft genommen hatte und ich bemerkte aber, dass da jede Menge Kraft war. Der Dimmer war von jemandem einfach auf eine minimale Leuchtkraft gedrosselt. Eine Tatsache, die mir sehr spät klar wurde und die Erkenntnis, dreh das Ding mal auf und schau was da ist, war im wahrsten Sinne des Wortes sehr erhellend. Und motivierend, weil mir klar wurde, dass ich wesentlich mehr konnte und zu wesentlich mehr fähig war, als ich mir so gedacht habe. Aber wie soll man seinen Weg finden, wenn einem nur ein Dämmerlicht zugestanden ist?

Dass damit andere Menschen in meinem Leben ab und an ein Problem hatten und, solange sie die Möglichkeit hatten, an meinem Lichtschalter schraubten und mein Licht herunter drehten, wurde mir langsam klar. Der Grund? Zum einen wohl Überforderung von meinem Weg zu denken, andere weil es komfortabler für sie war und noch andere, die erklärten sie würden es nur gut meinen. Was immer man darunter versteht. Aber so gesehen, nicht meine Baustelle, denen zu erklären, dass das nicht ok war. Mein Job war es, das Licht aufzudrehen und zu sehen, welche Dinge sich neben dem Fräulein Trulla versteckt haben. 

Das was ich damals entdeckte gefiel mir, es motivierte (schon wieder) mich auf den Weg zu machen. Irgendetwas sagte mir, dass da noch mehr war und dass ich nun freie Bahn haben würde mich selbst zu finden und bei mir anzukommen. 

Das hat auch dazu geführt, dass ich viel aus meiner Vergangenheit ablegen und Menschen verabschieden musste. Menschen, denen bis heute nicht behagt, was aus mir wurde. Selbst Erklärungsversuche scheiterten, aber ich konnte nicht zurück oder stehenbleiben, ich war auf dem Weg und das war gut so. Da eröffnete sich eine Welt voller Chancen, auch mit MS und warum sollte ich mich auf die in diesem Blog schon oft erwähnte "Patientenrolle leidend auf dem Sofa" einlassen, wenn es auch anders ging? 

Zu entdecken, was da war, mein Potenzial zu entdecken und meine Talente zu finden, war, neben dem Herzblatt wohl der größte Schatz, den ich selbst die ganze Zeit mit mir herum getragen hatte. Dieser Schatz hat nur auf mich gewartet. Bis zur Diagnose, die es wohl brauchte, um mich auf den Weg zu machen. Die Vorurteile, Behauptungen und kruden Theorien derer abzuschütteln, die mich über lange Zeit wohl ein Stück weit manipuliert hatten, damit ich schön in deren Fahrwasser plätscherte, für sie einfach, für mich anstrengend und langweilig. Ein Fahrwasser, das nicht immer falsch war, das will ich gar nicht behaupten, aber es war nicht meins und für mich war da kein Raum. Weil man das nicht so macht. 

Heute? Bin ich richtig. Es war eine lange Wanderung durch viele Höhen und Tiefen und Wunschkonzert geht auch anders, es ist bis heute nicht immer einfach und manchmal bin ich genervt und ziehe mich für einen Moment einfach zurück. Dennoch bleibe ich bei mir und auch wenn das bis heute nicht immer allen gefällt, was es nicht muss, es fühlt sich für mich richtig an. Ich bin dort, wo mein Platz ist. Und das motiviert mich. Ich habe die Freiheit so zu lernen, wie ich lernen möchte  und kann die Projekte machen, die mir wichtig sind und die ich machen möchte. Da ist der Gestaltungsfreiraum, den ich habe, der nicht manipulierbar ist und der mir auch die Fähigkeit zurück gebracht hat, mit manchen Dingen einen gewissen Frieden zu machen und dann befreit weiter zu gehen.

Das zu finden und zu tun, was einem Spaß macht, ist ein langer Prozess, weil es einer ist, der oft nicht konform mit dem verläuft, was einem die gesellschaftlichen Regeln aufdrücken wollen. Und wenn mir einer sagt, dass man etwas schon immer so gemacht hat, ist das kein Argument. Weil sich die Zeiten verändern, die Regeln und das alleine ist schon ein Grund die Rahmenbedingungen auch für sich anzupassen, damit man weiter kann. Das ist manchmal nicht einfach und ich gebe zu, auch ich bin manchmal extrem demotiviert. Aber dann habe ich die Freiheit mich für einen Moment aus einer Situation herauszunehmen, etwas für mich zu tun und dann zurück zu kommen und weiter zu machen. 


Was mich sonst noch motiviert? Zu sehen, dass aus meinen Ideen Projekte werden, dass ich kleine Stücke meiner Welt verändern kann und an der einen oder anderen Stelle eine Spur hinterlasse ... das ist doch was? 

Und ja ich gebe zu, ich denke bunt, größer und innovativ. So definiere ich meine Ziele und die verfolge ich dann und wenn es mal nicht klappt? Dann hab ich was gelernt und fange nochmal an.... ist ein bisschen wie stricken, manchmal muss man auftrennen, damit es am Ende passt. 

Was motiviert euch? 

Birgit 


Text: Birgit Bauer 

Bilder: pixabay.com 

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