Dienstag, 24. Februar 2015

Kampf? Nö. Leben.

Ich bin ein bisschen nachdenklich. Nicht schlimm. Aber was mich nachdenklich macht ist immer wieder die Annahme, ich würde einen Kampf kämpfen. Mit der MS. Also, der Trulla.

Verständlich. Wirklich. Ich bin auch keinem böse, der mir sagt, ich würde einen Kampf kämpfen, gegen dat Fräulein Trulla. Wie sollen Menschen, die keine MS haben wissen, wie es sich anfühlt. Sie sehen eine nicht heilbare Erkrankung und gehen davon aus, dass jeder Tag eine mühsame Angelegenheit ist. Und das tut ihnen leid, weil sie nur das Beste für einen wollen. Die meisten zumindest. Da sind ganz liebe Menschen bei und ich möchte heute mal meine Gedanken darüber aufschreiben, warum ich das Leben mit MS nicht als Kampf betrachte.

Als ich die Diagnose bekam wars so: Das Leben wird jetzt zum Kampf zwischen mir und diesem Schatten, den ich heute als Fräulein Trulla bezeichne.

Ich sah mich jeden Tag erschöpft und mit wenig Lebensfreude irgendwie durchstehen und betrachtete meine Zukunft eher grau und düster. Es war ein Gruselfilm in meinem Kopf. Damals sagten mir einige Menschen "Mei, mit MS kannst du aber noch gut leben!". Ja klar. "Ihr Pisser, was wißt Ihr schon", dachte ich wütend und verkroch mich.

Das hielt nicht wirklich lange an. Ich habe das schon oft gesagt, ich habe einen ziemlich guten Überlebenstrieb und ich verstand irgendwann, dass ich für mich entscheiden musste, wie ich leben wollte. Düster, als Zombie meiner selbst auf dem Sofa dahin vegetierend, mit damals 33 Jahren oder doch eher aktiv, mit Spaß und da draußen. Mitten im Leben. Mit Pausen, mir war klar, dass ich die brauchen würde. :-)

Bild: Pixabay.com User efes

Letztlich war mir irgendwann klar, dass ich die bin, die bestimmt, welche Richtung dat Trulla und ich gehen sollten. Und sie war damals ja schon da, ihren Namen und ihre Gestalt bekam sie schnell und wurde so für mich auch zu einer Art Alter Ego, das es aber auch leichter macht, über das eine oder andere Thema nachzudenken.

Ich entschied mich für Leben. Zuerst machte ich mir damals eine Liste. In die schrieb ich alles, was ich ändern wollte. Denn dass mein Leben irgendwie ganz anders sein würde, war mir klar. Also dachte ich mir, ich könnte das, was mich ohnehin schrecklich nervte auch gleich mit loswerden. Es war irgendwie wie das Entkernen eines alten Hauses mit anschließendem neuen Einrichten. Quasi eine Baustelle.

Es hat schon eine ganze Weile gebraucht, bis ich mich wieder komplett fühlte. Das Beste an der Sache war: Das Leben machte wieder Spaß. Es war anders, ab und an langsamer, bedächtiger, ich lernte, dass das Fragen nach Hilfe nicht weh tut, sondern hilft und auch positiv wirkt, weil andere aktiv werden können und sich weniger hilflos fühlen und ich lernte viel über mich.


Es war manchmal irre anstrengend, was es auch heute ab und an ist. Aber ich habe gelernt, mit MS zu leben und nicht dagegen anzukämpfen. Denn es wäre ein sinnloses Vergeuden von Energie, die ich anders besser nutzen kann. Ein Kampf würde MS nicht heilen. Er würde mich kaputt machen. Es wäre ja ein Kampf gegen mich, so wie MS eigentlich ist. Autoimmun. Der Körper geht gegen sich selbst vor. Ich finde, das reicht und hab mich darauf konzentriert, mir selbst etwas Gutes zu tun, indem ich gut lebe.

Ich habe mich mit dem Leben mit MS zum einen ausgesöhnt, zum anderen hab ich mich damit zusammen gerauft. Meine Tage sind meistens gut, lustig, machen Spaß, auch wenn ich manchmal am Abend auf dem Sofa hänge und schlicht durch bin. Habe ich schlechte Tage, bin ich leiser, nehme mir mehr Zeit für mich und halte durch. So wie in den letzten Wochen, wo ich öfter durchgehalten habe, weil der Winter im Ausklang mir immer zusetzt. Aber ich weiß auch, dass es wieder aufwärts geht. Genieße die ersten Sonnenstrahlen und Schneeglöckchen draußen und mache nur eins:

Leben. Weils gut so ist. Und kein ständiger Kampf.

Liebe, nachdenkliche Grüße

Birgit

Copyright 2015 by Birgit Bauer
Bild: http://pixabay.com/de/users/efes-18331/

5 Kommentare:

  1. Sehr beeindruckend! Sich runtermachen zu lassen, würde einen nicht weiter bringen. Finde das toll, dass Du JA zum Leben sagst. :-)
    Ich habe einmal einen Bericht gelesen von einer Frau, die auch MS hat. Sie fing an, alles selbst zu kochen, sogar Getreide mit einer kleinen Mühle selbst zu mahlen. Nach 15 Jahren lief sie immer noch einen Marathon mit und fühlte sich ausgesprochen gut. Jetzt habe ich kürzlich gelesen, dass die Chemie in vielen Lebensmitteln, Pestizide, etc. womöglich dazu beitragen können, dass das Immunsystem den Körper irgendwann selbst angreift, weil der Organismus damit nicht mehr klar kommt. Es sollen dazu wohl schon Studien laufen, ich bin ganz gespannt!
    Desweiteren habe ich auch gelesen, dass es teure Medikamente gibt, die sich Biologicals nennen, die aber auf bestimmte Autoimmunerkrankungen hergestellt wurden, z.B gegen Rheuma, etc. und viel besser helfen sollen als Kortison (das googelte ich, weil ich Magen-Darm-Probleme habe). Vielleicht gibt es das auch irgendwann gegen MS oder vielleicht gibt es das schon!?
    Ich bin mir sicher, dass es auch für MS eine Lösung gibt, vielleicht auch eine Heilung, man kennt sie nur noch nicht. Wichtig aber ist, dass man sich selbst nicht fertig macht, auch wenn das leichter klingt als umgesetzt. Aber die Psyche hat einen riesigen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Ich hoffe, Du wirst noch lange gesund bleiben und bin mir sicher, dass Du ein erfülltes Leben hast. :-)

    Darf ich fragen, wie Du darauf kamst, dich wegen MS testen zu lassen?

    Liebe Grüße und alles Gute!

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    1. Liebe Liliana, vielen Dank für deinen Kommentar.

      Derzeit gibt es diverse Therapiemöglichkeiten für MS von Spritzen bis hin zu Tabletten.

      Biologicals sind Medikamente, deren Herstellung umfangreich und aufwendig ist. Diabetespatienten bekommen Insulin, das ist auch eines davon. Auch für MS gibt es Biologicals.

      Du darfst hier fast alles fragen, die Antwort für dich: Ich hatte eine Entzündung am Sehnerv (Doppelbilder etc.) die typische Schubsymptome aufwies, was mich ins Krankenhaus zur kompletten Diagnoseerstellung brachte. Also MRT, Liquorpunktion usw.. Dazu bekam ich drei Tage Kortison, um den Schub einzudämmen und abklingen zu lassen. Kortison ist übrigens die Behandlung, die man als MS Patient im Schubfall bekommt, nicht als Therapie.
      Falls es dich interessiert, auf der DMSG Seite kann man sich ganz gut erste Infos zu MS abholen: http://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/index.php?w3pid=news&kategorie=aktuelles&kategorie2=uebersicht

      Viele Grüße! :-)
      Birgit

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  2. Liebe Birgit,
    ich bewundere dich für deine Einstellung! Für mich ist das Leben mit MS auch nach 20 Jahren noch ein Kampf. Jetzt vielleicht noch mehr als früher, da ich immer mehr auf fremde Hilfe angewiesen bin und das macht mich oft so wütend! Klar, das hilft mir nicht, schadet mir eher. Aber ich schaffe es nicht, nicht dagegen zu rebellieren. :-(
    Viele Grüße
    Katrin

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  3. Liebe Birgit,

    ich bewundere dich für deine Einstellung!

    Auch nach 20 Jahren MS gelingt es mir nicht, NICHT dagegen zu rebellieren. :-( Vielleicht jetzt noch mehr als früher, da ich immer mehr auf fremde Hilfe angewiesen bin. Das macht mich oft so wütend! Ich weiß, das tut mir nicht gut, eher im Gegenteil. Aber leider schaffe ich es nicht, NICHT dagegen zu rebellieren. :-(

    Liebe Grüße
    Katrin

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    1. Liebe Katrin, ich kann deine Wut schon irgendwie nachvollziehen. Manchmal bin ich auch wütend, und ich sage deshalb irgendwie, weil man die Wut des anderen nie ganz verstehen kann, man steckt nicht drin. :-) Ich weiß nicht, ob kämpfen der richtige Ausdruck ist, vielleicht könnte man auch sagen, dass ich mich nicht dagegen wehre MS zu haben. Ich kanns nicht wegschicken, umtauschen geht auch nicht und wegwünschen hat auch nicht geholfen. Ich kam irgendwann zu dem Schluss, dass ich Wutenergie lieber für mich nutze, als gegen Windmühlen zu kämpfen und nichts zu erreichen. Ich drück dich Rebellin! Ist auch gut so, wie es ist, so sind wir auch mit vielen Ansichten befasst, die für uns alle auch interessant sind. :-) Liebe Grüße, Birgit

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