Dienstag, 7. Februar 2017

Eigenverantwortung, Wünsche und was tun!

Hat man eine chronische Erkrankung ist das Leben mit einem Mal viel schwieriger. So gesehen ist das Leben mit einer chronischen Erkrankung ein Vollzeitjob.
Man muss seine Rechte kennen, wissen, was die Erkrankung überhaupt bedeutet, wissen, wie man sie behandeln kann und welche Alternativen es gibt und welche sozialen Aspekte zu beachten sind. Zugleich soll man informiert bleiben und neben irgendwie leben.

Nicht einfach. Verstehe ich und ab und an bin ich deshalb auch leicht frustriert, vor allem, wenn ich den Ärzten oder auch den Apothekern mehr oder weniger den Job erklären muss. Passiert und macht nicht immer Spaß.

Ich erlebe immer wieder, dass Betroffene nach der Diagnose in eine Art Schockstarre verfallen und dort verharren. Nicht, dass ich das nicht verstehe, Leben mit einer chronischen Erkrankung ist oft nahe an der Überforderung, man muss viele Dinge neu erlernen. Wieder auf die Beine kommen.

Ist man in diesem Schockzustand geraten, ist es schwierig, wieder in Bewegung zu kommen. Auch verständlich, so ein Schock kann wie eine Kuschelzone sein. Bequem.

Aber: irgendwann wird man aus der Kuschelzone gerissen. Fies. Nämlich dann, wenn etwas nicht mehr klappt. Eine Gesetzesänderung erschwert zum Beispiel den Zugang zu diversen Therapien oder Medikamenten, der Arzt erzählt einem seltsame Dinge, die man nicht versteht und die Krankenkasse sagt auch was ganz anderes. Das frustriert, verleitet zum Schimpfen, zum Verharren, weil Beklagen und Jammern halt auch am einfachsten ist. Aber nichts bringt. Weil sich dadurch nichts verändert.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach:



Jan Geißler, ein von mir geschätzter Patient Advocat, EUPATI Vorbild und Direktor,  hat dieses Bild in seinem Facebookaccount platziert und ich freue mich, es verwenden zu dürfen. Denn es geht um Eigenverantwortung. Jan sagt dazu:


"Es ist für Patienten wichtig, dass sie ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen. Ebenso wichtig ist aber gesellschaftspolitisches Engagement, z.B. in der Selbsthilfe und in der Forschung, denn Wünsche sind wichtig, aber nur Taten ändern die Wirklichkeit"

Nur Taten ändern die Wirklichkeit. Richtig. Wer nur meckert, wird nichts bewegen.

Eine Tatsache, die ich sehr früh lernen musste. Ich hatte nach meiner Diagnose weder Unterstützung noch Ratgeber oder einfach mal jemand, der mir erklärt hätte, wie Leben mit MS geht. Ich musste mir die wichtigen Punkte selbst erarbeiten, war gezwungen unbequem zu werden, nachzuhaken und eben nicht beim ersten Mal aufzugeben, wenn etwas nicht klappte. 
Mit der Zeit begriff ich, dass ich etwas bewegen konnte wenn ich mich nicht der Schockstarre, sondern meiner eigenen Verantwortung mir gegenüber, der eigenen Fürsorge für mich selbst stelle. 

Ich lernte, informierte mich und beobachtete andere, wenn sie sich um sich selbst kümmerten. Und so ganz wie von selbst, rutschte ich in dieses Fahrwasser und sprach irgendwann nicht nur immer von mir, sondern von uns. Der Patientengemeinschaft. Je mehr ich lernte, umso mehr hörte ich auch von anderen und übernahm von ihnen auch den Ton, das "Wir". Wir sind immer viele. :-) Im Fall MS sind wir in Deutschland 200 000. Im Prinzip eine Gruppe, die ab und an in sachlichen Diskussionen eine Stimme haben könnte. Wo wir doch immer beklagen, dass das Verständnis für MS so gering ist und ja durchaus da. Nä? ;-) 

Ich weiß, dass das nicht einfach ist. Auch ich habe mir fast in die Hose gemacht, als ich die ersten Male mit den "großen Tieren" dieser Welt in Kontakt kam. Aber: Ich verschaffe mir Gehör respektvoll und mit klaren Aussagen, neutral und ohne Vorwurf. Oft genug betreffen unsere eigenen Probleme auch andere, was den Kreis zu Jan wieder schließt, der auch die gesellschaftspolitische Verantwortung anspricht. 

Bevor ihr also nächstes Mal an die Wunschliste geht und ihr ein wütendes Update verpasst, weil eine Äußerung im Netz doof, die Krankenkasse gemein, der Doktor nicht besonders freundlich und das Amt irgendwie chaotisch ist, schlaft nochmal drüber und überlegt Euch, wie ihr den Wunsch formuliert und was ihr dafür tun könnt, ihn umzusetzen. Sammelt Argumente und sucht euch die Stelle, an der sie bestens platziert sind, auch mit dem Risiko, dass es ab und an etwas länger dauert. 

Am 13. Februar habe ich ein Gespräch mit einem Bundestagsabgeordneten. Telefonkonferenz mit Berlin. ;-) Es geht mir darum, endlich in Erfahrung zu bringen, was mit der elektronischen Patientenakte ist und wieso man das Thema bis heute nicht vernünftig und verständlich kommuniziert. Woher ich den Termin habe? Nun, statt zu wünschen, wurde ich tätig und habe sie mir besorgt. Denn die gewählten Volksvertreter haben auch die Aufgabe, uns Bürgern zuzuhören und in dem Fall habe ich zumindest schon einmal offene Ohren. Der Rest wird sich finden. Oder auch hier zu lesen sein. 

Also, bewegt was Leute. Wünscht nicht. Tut es. 

In diesem Sinne! Bewegte Grüße
Birgit 


Bildquelle: Jan Geißler
Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG 2017

2 Kommentare:

  1. Liebe Birgit! HUT ab! - Und viel Erfolg bei Deiner Telefonkonferenz!! Freue mich schon auf Deinen Bericht! Liebe Grüße Nicole

    AntwortenLöschen
  2. Liebe Birgit!
    Genau meine Meinung und zwar auf den Punkt!
    DANKE! Und ganz viel Erfolg auch weiterhin! Ich habe dir schon bei unserem Treffen gesagt, wie toll du das alles machst und wie sehr ich dich dafür bewundere! Hut ab und weiterhin viel Erfolg!
    Kussi, Katarina

    AntwortenLöschen