Montag, 8. Juli 2019

Freiheit mit Rückenwind ...

So gesehen, ich fuhr schon immer gerne Rad. Als Kind waren sie feuerrot und hatten eine laute Klingel.

Später wurden sie größer und zuletzt fuhr ich ein Damenrad mit 7 Gängen, Rücktrittbremse und ich mochte es lange. Allerdings stellte ich auch fest, dass mir die MS so ein bisschen die Power in den Beinen verloren gegangen war.
Trotz Crosstrainer und vielem Laufen kam ich den Berg nur unter Schmerzen hoch. Dort, wo der Lieblingsbiergarten liegt.

Unter Kastanien plaudern und genießen war immer mit Schmerzen verbunden. Und langen Pausen.

Gefiel mir nicht und dem Herzblatt auch nicht. Ihm entging das Vergnügen ja auch.

Deshalb kam Paula zu uns. Paula ist ein Fahrrad mit eingebautem Rückenwind. Ehrlich, ich hab mich gewehrt. Ein E-Bike. Ich!!! Als dann die nächste Fahrt anstand und mich jemand lässig tretend überholte und Herzblatt mich nur wissend ansah war klar: Es braucht auch so ein Rad.

Und ehrlich, es hat mich zuerst ein bisschen Überwindung gekostet. Hatte ich doch noch den Spruch
einer Bekannten, die etwas älter ist als ich im Ohr. "Solange ich laufen kann, kann ich treten und ich fahre ohne Motor! Ein E-Bike ist was für sehr alte Menschen!"


So, ich und alt. Das saß ehrlich gesagt. Auf der anderen Seite, die Situation ist unterschiedlich. Es ist eine Sache, einfach aus Bequemlichkeit ein E-Bike zu fahren oder eben ganz anders weil man sonst etwas aufgeben muss, weil man MS oder eine andere Erkrankung hat und die es im Prinzip nicht mehr gestattet.

Und so ein Biergartenbesuch oder eine schöne Radtour an der Donau ohne total erschöpft zu sein waren zu verlockend. Also ab ins Geschäft und schauen. Was gar nicht so einfach ist. Vor allem, wenn man erst mal über Rücktrittbremsen und derlei nachdenkt und feststellt, dass das, was es dann gibt, nicht so wirklich das ist, was gefällt. Mein Rad sollte nicht nur den Rückenwind im Motor haben, sondern auch ein bisschen schön sein.

Ich fand dann eines, das weder eine Rücktrittbremse hat noch die gewohnten 7 Gänge, es ist anders, aber wie ich nach mehreren Probefahrten herausfand, genau das, was ich wollte. Die neue Paula kam also zu uns, mit ihr der Kollege für das Herzblatt, denn der wollte auch Rückenwind.

Paula ist echt großartig. Neuerdings verschafft sie mir auf Bergen die Power, die nötig ist, damit ich nicht total erschöpft ankomme, sondern mich bewege und die Ausflüge nicht als Quälerei, sondern wirklich als Spaß empfinde. Ich kann die Touren wieder genießen und bin mir sicher, dass ich sicher und gut ankomme.

Sie verschafft mir Unabhängigkeit und eine neue Freiheit, denn mit dem Motor im Rad kommt man gut herum und die verschiedenen Stufen der Unterstützung helfen, den Körper gut zu bewegen und etwas für mich zu tun.

Was ich gelernt hab: Es ist nicht falsch, sich dort Unterstützung in welcher Form auch immer, ins Leben zu holen, um nicht die Lebensqualität zu reduzieren oder auf Dinge zu verzichten, die man eigentlich mag. Auch wenn andere dumme Sprüche abliefern oder derlei, ignorieren und machen. Denn es geht um die eigene Lebensqualität und den Genuss, den man sich verwehrt, wenn man verzichtet. Egal was es ist.

Ich genieße meine neue Freiheit und die gewonnene Reichweite und die Brotzeit unter Kastanien. Und ich kann auch wieder mit anderen mitfahren, denn mein Rückenwind schiebt einfach mit an, wenn mir die Kraft fehlt.

Radelnde Grüße!

Birgit


Text: Birgit Bauer
Bilder: Birgit Bauer

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