Vor dem Urlaub sagte ich, an meinem letzten Arbeitstag, zu einem Gesprächspartner: "Ich gehe jetzt in den Winterschlaf!"
Der wiederum lachte sich eins und fand das witzig, während mir das ziemlich ernst war.
In erster Linie wollte ich schlafen. Mich ausruhen. Mir die Decke über den Kopf ziehen und famos abhängen.
Mir gekonnt die Ohren zuhalten und einfach nur einige friedliche Tage haben.
Das war auch so ein Wunsch aus dem vergangenen Jahr, wo ich zwischen den Feiertagen mutterseelenallein für ein Projekt einen Pitch zum Thema Patienten und Zusammenarbeit mit Patienten produzierte. (Man könnte jetzt die geneigten Leser dazu anregen, den Fehler zu finden, der im Folgenden Absatz steckt! ;-) )
Der Rest des Teams war in den Urlaub verschwunden. Helfen wollte mir keiner und so saß ich alleine und hatte Stress. Ich fand das nicht gut oder hilfreich. Oder gar fair. Im Gegenteil, ich war die einzige, die mit MS lebt, ich war ohnehin erschöpft und durfte die Sonderschicht machen. Der Rest des Teams war wegen wichtiger familiärer Verpflichtungen in Urlaub. Also musste in Urlaub. Danke auch. Dachte ich mir damals. Ich habe auch Familie, ich brauche eine Auszeit und sie war mir nur zeitweise vergönnt und ehrlich: Gereicht hat diese kurze Auszeit hinten und vorne nicht um mich zu erholen und Kraft zu schöpfen. Im März war ich schon wieder reif für eine Pause.
Ich schwor mir, dass ich das in diesem Jahr anders machen würde. So richtig erholen. Entspannen und die Tage genießen. Es reicht mir, dass ich Kochen und den Haushalt machen sollte, das ist ok, aber ich würde definitiv keine Pitches produzieren, schon gar nicht alleine, ich würde keine Apps testen, Texte schreiben (außer ich hab Bock drauf) und sonst keinen Finger rühren, wenn der etwas mit der Arbeit zu tun hat.
Es würde einen Winterschlaf geben, so einen, der hilft, der Energie schafft, Gedanken frei sausen lässt und mir den Freiraum gibt, den ich brauche. Weil wir alle eine Pause brauchen. Das Jahr war anstrengend genug. Obwohl ich zugeben muss, dass das Fräulein Trulla sich ausnahmsweise mal, entgegen ihrer Ausbildung und Ziele, vornehm zurück gehalten hat. Dafür meint sie jetzt, ihre Revolution starten zu können, was wir aber zu verhindern wissen. Wir sprechen über den Effekt auf die unsichtbaren Symptome wie Fatigue, Depressionen, Kognitionsschwäche oder derlei. Über Erschöpfung und Konzentrationsschwäche. Wir haben das alle alles, aber oft genug machen wir einfach weiter. Weil andere es erwarten, nicht besser wissen oder weil wir einfach weitermachen, weil wir vielleicht keine Extraregel möchten oder zeigen wollen, was wir können.
Alles schön und gut, aber die Rechnung bezahlt immer nur eine Person, wir. Die Personen, die mit MS leben.
So gesehen, ich bin ein Marathonmensch. Gerade was meinen Job betrifft, ich kann viel und lang und jede Menge, ich bin belastbar und habe mir über die Jahre ein sehr gutes Durchhaltevermögen aufgebaut, das ich je nach Zeitfenster mit Pausen fülle. Aber was ich in den letzten Tagen nach:
- miesen und durchwachten Nächten in denen mein Unterbewusstsein Schluckauf hatte
- einem Problem im Bein, das eindeutig neurologisch und schmerzhaft ist
- nach einer depressiven Verstimmung und
- so einigem mehr
weiß ist: Ich habe Grenzen. Diese berühmte rote Linie. Die, die mir zeigt, dass es jetzt gut ist. Die Linie, die mich quasi in den Winterschlaf oder in den Sommerurlaub schickt.
Denn ich erhole mich gerade sehr. Nach eben diesen ersten Anfangsschwierigkeiten, die immer dann aufkommen, wenn ich mich selbst bremse, kommt dieser Moment, in dem ich entspannt bin, in dem die Ideen in meinem Kopf prächtige Feuerwerke veranstalten, farbig, kreativ und weit voraus eilend mit spannenden Gedanken ganze Konzerte geben. Ich mein, wer braucht schon Böller und Feuerwerk zum Abschießen wenn es im Kopf so bunt wird? ;-)
Ich koche im Moment, das Christkind brachte mir eine neue, sehr gute Pfanne (ich liebe gutes Küchenequipment!) und viele andere nette Dinge wie Bücher und Wolle gebracht. Mir Musik unter den Baum gelegt und dafür gesorgt, dass ich mich sehr entspanne. Es mir gut gehen lasse.
Meine Seele hängt wie ein olles Faultier in einer Hängematte, seufzt ab und an vor Wohlbefinden und der Rest von mir ist abgetaucht. Und genießt das Feuerwerk im Kopf. Lässt es laufen.
Bewusst habe ich keine Vorsätze. Auch dieses Jahr nicht. Und ich war erleichtert, dass ich feststellen konnte, dass auch keiner ankam mit der Frage: Was sind deine Neujahrsvorsätze?
Ich glaube, es hat gefruchtet, dass ich die vergangenen Jahre immer schön wiederholte, dass ich keine hätte. Sondern nehme was kommt und mich danach ausrichte und entsprechend handle. Klar habe ich Pläne, aber das ist meine Sache und die verrate ich auch nicht. Denn immer wenn ich Pläne verrate, klappen sie nicht. Auch so ein Lerneffekt. Deshalb spreche ich nicht mehr, ich mache.
Was auch seinen Vorteil hat, ich kann meinen Weg gehen und begegne erst einmal nur wenig Zweiflern und derlei. Erst mal kann ich es so machen, wie ich mir das denke und wenn ich fertig bin, kann ich offen mit anderen darüber reden, es weiter entwickeln.
Jedenfalls, es ist schön, so leer und doch so voll zu sein. Gedanken wie in einem Glas Sekt sprudeln zu lassen und ihnen zu folgen oder sie einfach laufen zu lassen. Es tut gut, einfach nicht nachdenken zu müssen, was der nächste Schritt ist, sondern ihn einfach nicht zu tun, wenn es gerade nicht passt. So ist Erholung und so bringt sie neue Ideen.
Und das liebe ich im Moment sehr. ich genieße unverschämt viel und schwelge in meiner eigenen Welt, in der es gar nicht so viel braucht, um glücklich zu sein.
Übrigens, mein Gesprächspartner fühlte sich am Ende inspiriert. Ich habe das Gefühl, diese Person ist auch in den Winterschlaf gegangen und lässt es einfach laufen. Ich bin gespannt und freue mich schon auf den Winterschlafbericht, wenn ich wir wieder sprechen. Aber zuerst, noch ein bisschen Feuerwerk im Kopf, gutes Essen, mehr Erholung und volle Batterien.
Und Ihr so? Gehts Euch gut?
Winterverschlafene Grüße
Birgit
Bilder: Pixabay.com
Text: Birgit Bauer / Manufaktur für Antworten UG
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