Dienstag, 30. März 2021

Brain Awareness Week Spezial: Tipps in Sachen Stressmanagement mit Dr. Nadja Feddermann!

Die Situation ist klar, wir alle stecken quasi im virtuellen Tunnel fest.
 
Für viele heißt es am Morgen schon einchecken in der virtuellen Welt und dann geht’s von einem Meeting zum anderen, Kongresse laufen online parallel und on top hört man auf Clubhouse zu oder diskutiert mit. 

Die Tage sind voll und oft genug scheint man zu vergessen, dass man selbst noch da ist. Ein Mensch mit einem realen Leben. 

Ein Leben, das scheinbar nur noch virtuell stattfindet und man kreist irgendwie nur noch um den Job. „Nein“ zu sagen, ist oft nicht drin. Sag man „Nein“ überfällt einen die Angst, man könnte etwas vermissen und versäumen und am Ende steht man draußen vor der Tür. 

Die Frage ist ob dem wirklich so ist? Denn genau das verursacht Stress. Nicht nur für den Körper und die Psyche, sondern auch für das Gehirn. In meiner Miniserie zum Gehirn, schrieb ich darüber, dass man das Gehirn als Muskel betrachten sollte, der regelmäßiges Training braucht. Andererseits braucht das Gehirn Pflege. Chillen, Emotionen, Genuss mit allen Sinnen und hier und da ein totaler Perspektivenwechsel, damit die Sache nicht kippt. Einseitig mag das Gehirn nicht wirklich. 

Die Miniserie könnt Ihr hier lesen: 
Teil 1: https://leben-arbeiten-mit-multiple-sklerose.blogspot.com/2021/03/brain-awarness-week-warum-unser-gehirn.html
Teil 2:  https://leben-arbeiten-mit-multiple-sklerose.blogspot.com/2021/03/brain-awareness-week-pflege-dein-gehirn.html
 
Nachdem Teil 2 veröffentlicht war, kam die Frage auf, wie man das mit dem Abhängen jetzt machen soll. Wie kann Stress minimieren? 
 
Meine Antwort ist da relativ klar, es liegt an einem selbst, wie viel man sich antut und was man zulässt. Aber ich habe das auf die harte Tour gelernt. Mit MS. 
Ich kenne mein Limit und weiß auch was passiert, wenn ich es überschreite. Daher gibt es Strategien bei mir, wie ich dem Stress ein Stück weit einfach davonlaufe. Wie zum Beispiel verlängerte Mittagspausen, die Einsicht, dass ich nicht immer überall sein muss und dass 90% oft ausreichen. Auch ein guter Plan, der dem Tag Struktur verleiht hilft.

Ich habe Tipps versprochen und habe mir Hilfe geholt von einer von mir sehr geschätzten Expertin: Dr. Nadja Feddermann. 

Wir haben einige Tipps zusammengetragen, die nicht nur Menschen mit Erkrankungen helfen, sondern auch denen, die einfach „nur“ gestresst sind. 
 
Nadja, die Frage brennt mir auf den Nägeln: Viele Menschen sind eigentlich ausgelaugt und machen dennoch weiter. Sind wir der Denke verfallen, dass nur die mitkommen können, die immer da sind? Ist immerwährende Präsenz eine Bedingung für beruflichen Erfolg und dem „ganz oben“ mitspielen Faktor? 
 
Ja, auf die eine oder andere Weise ist das leider so. Allerdings ist es aber die Tatsache, dass wir uns das oft einbilden und uns selber wichtiger nehmen als nötig. Das führt dazu, dass wir unserem Umfeld signalisieren, dass wir uns niemals wehren. Das wird ausgenutzt, wir geraten immer mehr in den Stresskreisel und kommen nicht mehr von alleine raus. Es braucht sehr viel Disziplin und mentale Stärke, das zu schaffen.
Das kann so weit gehen, dass es ohne Experten, Coaches und Psychologen, nicht mehr geht. Ich sehe da einen großen Bedarf und der wird in der Zukunft grösser werden. Unsere Arbeitgeber sind nicht immer sehr rücksichtsvoll und im letzten Jahr wurden viele Mitarbeiter künstlich unter Druck gesetzt und ausgenutzt.
 
Was kann man tun, um „gepflegt abzuhängen“ ohne ein schlechtes Gewissen zu haben oder sich an den Rand gestellt zu fühlen? 
 
Die einfachste Antwort darauf ist natürlich: es einfach tun. 
Nicht davon reden, nicht auf morgen verschieben. 
Wir bringen sehr viel Selbstkontrolle mit zur Arbeit, warum sollten wir nicht auch Disziplin zum Abhängen entwickeln? 
Ein wirklich einfacher aber effektiver Trick ist, es in die Agenda zu schreiben und sich Zeiten zu blockieren. Einfach die Mittagspause einzuplanen, zu denken, dass das dann schon zwischen den beiden Meetings passt. 

Eine halbe Stunde kann schon reichen um sich etwas zu bewegen, etwas Gesundes zu essen und Abstand vom Bildschirm zu bekommen. Auch einfach sich im Wohnzimmer auf den Boden zu legen und die Augen zu schließen kann unglaublich entspannen. 
 
Wann merkt man, wenn es zu viel wird und wie kann man dem vorbeugen?
 
Wichtig ist, bei Anzeichen darauf zu achten, was die Botschaft hinter einem Kopfweh, dem Herzrasen oder dem Bauchweh ist. Unser Körper hat wunderbare Warnsysteme, und die sollten nicht ignoriert werden. Besser noch ist es, gar nicht auf Warnungen zu warten, sondern systematisch täglich, z.B. beim Aufstehen in sich zu sehen und sich zu fragen, wie geht es mir heute? Die Zeit unter der Dusche oder beim Zähneputzen morgens lässt sich prima nutzen, um einen kurzen Check zu machen.
 
Hilft gute Organisation, Stress zu reduzieren? 
 
Ich denke schon, ja. Aber nur in dem Maß, dass das Organisieren selbst nicht zur Obsession wird und verhindert Arbeit wirklich zu erledigen, sondern zu prokrastinieren. Das führt zu mehr Stress, weil Dinge liegenbleiben. Auch beim Organisieren sollte man klein anfangen und bei dem bleiben, was hilfreich ist.
 
Was kann man tun, um dem Gehirn und dem eigenen Gefühl etwas Gutes zu tun und was ist nötig, runterzukommen? 
 
Da fragst du die Richtige! Stricken natürlich. Aber das gilt nur für Menschen wie dich und mich. Für Menschen, die nicht das Strick-Fieber haben gibt es jede Menge andere Dinge. In der positiven Psychologie wird eine einfache 3 Schritte Methode zum Management von Emotionen gelehrt: zuerst sollten wir trainieren, die oben erwähnten Signale und Emotionen zu bemerken und zu benennen, einzuordnen. Als zweites wird analysiert, welche Botschaft dahintersteckt, z.B. deutet Kopfweh oft auf Müdigkeit hin. Als Drittes wird die Ursache gesucht und behandelt z.B. das Einplanen von mehreren kleinen Pausen in der Agenda eingetragen. 
 
Wie setzt man sich selbst Grenzen und wie kann man sie einhalten? 
 
Das erfordert viel Disziplin und Selbstbewusstsein. Nein sagen ist schwierig. Aber es kann gelernt werden. Man muss ein Ziel und Zwischenschritte haben und klein anfangen. Wem die eigene Gesundheit wichtig ist, der wird die Motivation finden und üben, den PC auszuschalten ohne die letzte Mail beantwortet zu haben. Es braucht etwas Mut. 
 
Der neueste Trend ist Clubhouse und manchmal habe ich das Gefühl, die Menschen übernachten schon da, was kann man tun, um auch hier Grenzen zu setzen? 
 
Hier denke ich, dass wie bei allen anderen Reizen, gut überlegt werden sollte, was wirklich nötig und sinnvoll ist. Zeitlimits sind selten die Lösung. Inhalts-limits finde ich schon viel sinnvoller. Muss ich alles mitmachen, nur weil eine Freundin oder Kollegen das auch tun? Ganz ehrlich wir müssen lernen zu erkennen, was uns guttut und worin wir unsere Energie investieren. Die Investition einiger Sekunden um über den Nutzen eines Social Media Besuchen nachzudenken kann viele Stunden Schlaf bringen. 
 

Es gibt also durchaus spannende Strategien, sich in Sachen Stress selbst zu helfen. Manchmal tut ein Nein mehr Gutes für einen, als man denkt und nur weil man etwas nicht macht, geht die Welt nicht unter, auch beruflich nicht. Für mich geht es ums Abschalten. Den Stecker ziehen und raus aus dem Haus. Natur betrachten, genießen. Die Nase in den Wind stecken lüftet das Hirn nicht nur, es verändert Perspektiven. 
 
Daher, passt auf euch auf. Und auf Euer Gehirn und damit auch auf Eure mentale Gesundheit. Überfordert und gestresst zu sein hilft keinem. Ganz im Gegenteil, es macht krank und wer will schon krank sein? 
 
Wir nicht. Und Ihr? 

Birgit und Nadja! 



Bilder: 
Bild Nadja Feddermann: Nadja Feddermann
restliche Bilder: pixabay.com 

Text: 
Birgit Bauer, Manufaktur für Antworten UG 
 

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